Menschenrecht auf Wasser – EU-Parlament erreicht wichtigen Etappensieg

21. Dezember 2020

Der Zugang zu sauberem Trinkwasser wird zukünftig in Europa für alle Menschen verbessert und Trinkwasser insgesamt noch sicherer. Dies ist ein wichtiger Erfolg für die, maßgeblich von den Gewerkschaften getragene, erste erfolgreiche europäische BürgerInnenintiative „Right2Water – Menschenrecht auf Wasser“ und deren UnterstützerInnen. Dennoch ist damit der Kampf für das Menschenrecht auf Trinkwasser und sanitäre Grundversorgung noch lange nicht beendet.

Lebensnotwendiges Nass

Das Recht auf Trinkwasser und sanitäre Versorgung ist seit 2010 von der UN-Versammlung als Menschenrecht anerkannt. Bestätigt wurde dieses Menschenrecht mit den UN-Nachhaltigkeitszielen (Sustainable Development Goals, SDGs), in dem der universelle Zugang zu unbedenklichem und erschwinglichem Trinkwasser für alle bis 2030 zu gewährleisten ist. Wie wichtig der Zugang zu sauberem Trinkwasser ist, wird auch in der aktuellen Coronakrise klar. In einem erst kürzlich veröffentlichten Bericht der Vereinten Nationen weist sie darauf hin, dass weltweit noch immer etwa 1,8 Milliarden Menschen keinen direkten Zugang zu sauberem Trinkwasser haben. Das gilt auch für eine von vier Gesundheitseinrichtungen.

Für das Gesundheitspersonal und die PatientInnen erhöht sich damit das Infektionsrisiko massiv. Um solch einem Szenario vorzubeugen, hat die Europäische Kommission bereits vor zwei Jahren eine Novelle der seit zwanzig Jahren geltenden EU-Trinkwasser-Richtlinie vorgelegt, die nun vom Rat und dem Europäischen Parlament beschlossen wurde.

Zugang zu Trinkwasser wird verbessert

Mit der am 16. Dezember im Europäischen Parlament beschlossenen EU-Trinkwasserrichtlinie werden in Europa die ersten Schritte gesetzt, um den Zugang für alle zu sauberem Trinkwasser zu erleichtern. Damit werden Teile der ersten erfolgreichen Europäischen BürgerInneninitiative „Right2water“, die EU-weit 1,8 Millionen Unterschriften sammelte, in europäisches Recht umgesetzt.

Die Neufassung der Trinkwasser-Richtlinie rückt damit einen Schritt näher in Richtung Verankerung des Menschenrechts auf Wasser in der EU. Es ist ein Erfolg der UnterstützerInnen der ersten erfolgreichen Europäischen BürgerInneninitiative (EBI) ‚Right2Water – Wasser ist ein Menschenrecht‘. Trotzdem wäre bei der Neufassung der Trinkwasser-Richtlinie doch deutlich mehr möglich gewesen, wie Jan Willem Goudriaan, EPSU-Generalsekretär und Vizepräsident der EBI, betont. Positiv ist, dass die Zielbestimmung der Richtlinie erweitert wurde und nun Maßnahmen zu einem verbesserten Zugang zu Trinkwasser zu setzen sind. Leider gibt die Richtlinie den Mitgliedstaaten Spielraum, die festgelegten Bestimmungen zu interpretieren. So wird beispielsweise vorgeschlagen, Wasserbrunnen in öffentlichen Räumen zu schaffen oder Leitungswasser in Restaurants und Kantinen kostenlos oder zu einem niedrigen Preis zur Verfügung zu stellen. Welche der Vorschläge die Mitgliedstaaten umsetzen, bleibt ihnen überlassen. Trotz der Kritik ist es ein erster wichtiger Schritt um den Zugang zu Wasser für alle Menschen in der EU zu verbessern.

Strengere Grenzwerte für Schadstoffe im Trinkwasser

Die Neufassung der Trinkwasserrichtlinie bringt für die KonsumentInnen noch bessere Qualität und mehr Informationen über ihr Trinkwasser. Die Trinkwasserversorger kontrollieren die Qualität des Trinkwassers seit zwanzig Jahren auf gesundheitsbeeinträchtigende Substanzen. Nun kommen neue Stoffe dazu, die von den Trinkwasserversorgern zu kontrollieren sind, damit Trinkwasser noch sicherer wird. Die Wasserversorger müssen in Zukunft eine größere Zahl an Stoffen prüfen, um die Trinkwasserqualität sicherzustellen. Dazu zählen Industriechemikalien der Perfluorierten Alkylsubstanzen (PFAS, Liste von rund 4.700 verschiedene Substanzen) sowie das hormonell wirksame Bisphenol A. Weiters wird der Grenzwert für Blei auf 5 Mikrogramm pro Liter gesenkt und damit halbiert, da Blei bereits in geringen Dosierungen gesundheitsgefährdend ist.

Zwei weitere hormonell wirkende Stoffe (Beta-Östradiol und Nanophenyl) werden auf eine Beobachtungsliste, die sogenannte „watchlist“, gesetzt. Die Mitgliedstaaten haben diese Stoffe zu messen. Sollten die Stoffe in der Umwelt auftauchen, wird auch für diese ein Grenzwert festgelegt, der von den Trinkwasserversorgern einzuhalten ist. Das gleiche gilt für Mikroplastik. Dafür hat die EU-Kommission drei Jahre Zeit, um eine geeignete Messmethode zu finden, da es diese bisher nicht gibt. Bei all diesen Stoffen wäre es allerdings zielführend, einen vorsorgenden Ansatz zu wählen, damit diese Stoffe erst gar nicht in die Umwelt gelangen.

Neu ist auch, dass für die Abbauprodukte von Pestiziden (Metabolite) der gleiche Grenzwert (0,1µg/l) wie für Pestizide gilt. Der Wert, der nach Ansicht der Wissenschaft unbedenklich für die menschliche Gesundheit ist. Basierend auf den Daten der Mitgliedstaaten wird die Europäische Kommission eine Liste der Pestizide und Metaboliten, die im Trinkwasser gefunden werden, erstellen. Dies ändert nichts daran, dass die steigendende Pestizidbelastung in der Umwelt reduziert werden muss. Hier ist die landwirtschaftliche Praxis sowie auch die Politik gefordert, Pestizidreduktionspläne zu erarbeiten. Denn es werden zunehmend mehr Pestizidrückstände und deren Abbauprodukte im Grundwasser gefunden, was die Trinkwasserversorger vor große Herausforderungen stellt.

Im Rahmen der Neufassung der Richtlinie wurden auch die vorgeschriebenen Prüfzyklen für Trinkwasser angepasst. Der ursprünglich von der EU-Kommission vorgelegte Vorschlag war bezüglich der Prüfvorschriften gerade für kleine Wasserversorger überschießend. Die Gefahr, dass Wasser für einen Teil der KonsumentInnen deutlich teurer geworden wäre, ohne die Wasserqualität in der Praxis zu verbessern, konnte im Zuge der Verhandlungen abgewendet werden.

Mehr Informationen für KonsumentInnen

Zumindest einmal pro Jahr müssen europaweit nun alle Wasserversorgungsunternehmen ihre KundInnen über die Wasserqualität, den Preis des Wassers (je Liter bzw je m³) und die Verbrauchswerte eines Durchschnittshaushaltes informieren. In Österreich werden täglich rund 130 Liter Wasser konsumiert und ein durchschnittlicher 4-Personen-Haushalt verbraucht rund 200.000 Kubikmeter Wasser im Jahr. Damit soll bei den Menschen das Bewusstsein für das Gut Wasser erhöht werden. Die Idee dahinter: Je mehr Informationen KonsumentInnen über ihre Trinkwasserqualität haben, umso eher holen sie sich ihr Trinkwasser aus dem Wasserhahn und verzichten auf die Plastikflasche. Dem Wunsch der EU-BürgerInnen nach mehr aktuellen Online-Informationen wird nur zum Teil nachgekommen. KonsumentInnen betrachten Leitungswasser im europäischen Ausland skeptisch und meist wird im Urlaub Mineralwasser aus der Plastikflasche konsumiert. Da wäre es ideal gewesen, Informationen über die Trinkwasserqualität des gewählten Urlaubsortes online zu bekommen. Angesichts der sprachlichen Hürden und keiner Einigung, wie die Mitgliedstaaten dies verpflichtend umsetzen sollten, ist diese Verpflichtung gefallen. Es wäre positiv, wenn Trinkwasserversorger diese Informationen auf ihrer Homepage zur Verfügung stellen würden. Oder, wie es dies bereits in Österreich gibt, die Informationen über die Trinkwasserqualität von Städten und Gemeinden in einem Trinkwasserportal gesammelt zu veröffentlichen. Je mehr Informationen KonsumentInnen über ihre Trinkwasserqualität haben, umso eher wird der Kauf von Trink- und Mineralwasser in Plastikflaschen zurückgehen: Trinken von Leitungswasser anstelle von Wasser in Plastikflaschen trägt zur Reduktion von Plastik in der Umwelt bei. Immerhin dauert es 450 Jahre bis eine Plastiktrinkflasche biologisch abgebaut ist.

Darüber hinaus müssen in Zukunft große Wasserversorgungssysteme auch Informationen über ihre EigentümerInnen- und Kostenstruktur veröffentlichen. Da diese Informationen zum Teil sensible Daten beinhalten, könnten das Interesse privater InvestorInnen an öffentlichen Wasserversorgern fördern. Daher sind diese Zusatzinformationen auch kritisch zu sehen. Und es gilt, die Entwicklungen privater Anbieter genau zu beobachten. Wasser als öffentliches Gut und überlebensnotwendiger Teil der Daseinsvorsorge darf nicht liberalisiert oder privatisiert werden. Auch dafür stimmten die Menschen, die die EBI „Right2Water – Menschenrecht auf Wasser“ unterzeichneten.

Ein weiterer, durchaus kritischer Punkt ist, die geplante Änderung des Berichts über die Wasserrahmen-Richtlinie öffentlich-private Partnerschaften (ÖPP) zu fördern. Das obwohl mittlerweile erwiesen ist, dass ÖPP weder den BürgerInnen noch den ArbeitnehmerInnen Vorteile bringen. Klar ist, dass Wasser als öffentliches Gut und nicht als kommerzielles Produkt angesehen werden muss und damit der universelle Zugang, vor allem auch für gefährdete Gruppen, sichergestellt werden muss. Die BürgerInnen haben mit 1,8 Millionen Unterschriften für „Right2Water“ ein klares Signal an die Politik gesendet, dass sie ihre Wasserdienstleistungen von öffentlichen Unternehmen erbracht haben wollen und endlich Schluss mit der Liberalisierung und Kommerzialisierung sein muss.

Fazit

Mit der Neufassung der Trinkwasserrichtlinie wurden die wichtigen Forderungen von „Right2Water“ teilweise umgesetzt. Es wäre allerdings wünschenswert gewesen, weitreichendere, konkrete rechtliche Verpflichtungen für die Mitgliedstaaten festzuhalten und den Zugang der Menschen zu sauberem Trinkwasser tatsächlich als Recht zu gewährleisten. Daher kritisierte der Europäischer Gewerkschaftsverband für den Öffentlichen Dienst (EGÖD) dieses Ergebnis.

Es ist weiterhin wichtig, sich für das Menschenrecht auf Wasser und zur Förderung der Sanitärversorgung einzusetzen. Die Säule der sozialen Rechte, insbesondere der Grundsatz 20 über den Zugang zu wesentlichen Dienstleistungen, bietet die Grundlage, das Menschenrecht auf Wasser vollständig umzusetzen. Damit alle Menschen in der europäischen Union einen Rechtsanspruch auf sauberes Trinkwasser haben. Gleichzeitig müssen aber neue Begehrlichkeiten der Industrie auf diese lebenswichtige Ressource abgewehrt werden. Denn Private sollen mit dem Grundbedürfnis Wasser keine Profite machen.

Die Mitgliedstaaten haben nun zwei Jahre Zeit, die Vorgaben der Richtlinie in nationales Recht umzusetzen. Da viele der neu aufgenommenen Bestimmungen über die Qualität von Trinkwasser hinausgehen, wird die österreichische Trinkwasserverordnung auch in anderen Rechtsmaterien umgesetzt werden. Nach den intensiven Diskussionen auf europäischer Ebene werden diese nun auf nationaler Ebene weitergeführt.

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