Heute legte die EU-Kommission ein Maßnahmenpaket zur weiteren Reform der Wirtschafts- und Währungsunion (WWU) vor. Anstatt Schritte zu einer koordinierten wohlstandsorientierten europäischen Wirtschaftspolitik zu setzen, soll die verheerende Strategie der Wettbewerbsfixierung ausgedehnt und stärker strukturell verankert werden. Dies soll insbesondere über nationale Wettbewerbsräte erreicht werden. Wie in der aktuellen AK-Stellungnahme zur WWU-Reform ausgeführt wird, verkennt die Kommission mit ihrem Fokus auf die Entwicklung der nationalen Lohnkosten, dass Löhne eben nicht nur ein Kostenfaktor, sondern auch Einkommen – und damit zentral für die gesamtwirtschaftliche Nachfrage – sind. Werden sie in allen Ländern gleichzeitig gesenkt, übertrifft der negative Effekt auf die Binnennachfrage den positiven Effekt auf die Exporte – mit entsprechend negativen Folgen für Beschäftigung, Verteilung und Wirtschaftsentwicklung.
Problematisch am vorliegenden Entwurf zur Kommission ist zudem die Einmischung in die grundrechtlich garantierte Tarifautonomie der Sozialpartner. Wenngleich das Recht auf (den Abschluss von) Kollektivvertragsverhandlungen formal nicht eingeschränkt werden soll, würden die von der Kommission vorgeschlagenen nationalen Wettbewerbsräte inhaltlichen Einfluss auf die Tarifverhandlungen nehmen, da sie die Lohnentwicklung nur aus der Kostenperspektive analysieren und darauf aufbauend politische Empfehlungen abgeben sollen.
Grundproblem des heute präsentierten Maßnahmenpakets der Kommission ist das Festhalten an einer praktisch ausschließlich angebotsseitigen wirtschaftspolitischen Ausrichtung. Die Vorschläge zielen auf eine nochmalige Verschärfung der einseitigen Fixierung auf – einen sehr verkürzten Begriff von – Wettbewerbsfähigkeit ab. Es geht nun nicht mehr – wie die Europäische Kommission noch 2002 festhielt – „um die Fähigkeit der Wirtschaft, der Bevölkerung nachhaltig einen hohen und wachsenden Lebensstandard und eine hohe Beschäftigung zu sichern“, sondern darum, wie Unternehmen profitieren können. Und darum, dass Bürger „sich neuen Anforderungen, Trends und Herausforderungen anpassen“ (vgl. Präsidentenbericht). Der Druck auf Lohnniveau und Arbeitsbedingungen würde damit nochmals verstärkt und europäische gesamtwirtschaftliche Zusammenhängen bzw. die Relevanz der Nachfrageseite negiert.
Doppelrolle der Löhne zu berücksichtigen
Die nationalen Wettbewerbsräte folgen der Argumentation im Präsidentenbericht, in dem die Doppelrolle der Löhne – einerseits Produktionskosten, andererseits Einkommen, die für den Konsum verwendet werden – ausgeblendet wird. Folglich wird auch von einer verteilungs- und preisneutralen Lohnpolitik durch die Sozialpartner abgerückt. Zu diesem Zweck soll die Lohnkostenentwicklung stärker an jene in den wichtigsten Exportländern angeglichen werden. Eine schlechte Lohnentwicklung in einem Land – wie vor der Krise insbesondere in Deutschland und nun in den Krisenstaaten – würde dann alle anderen nach unten ziehen. Wirtschaftspolitische Konsequenz wäre eine weitere Schwächung der Löhne, obwohl sich diese bereits seit Bestehen der Eurozone insgesamt schlecht entwickelt haben.