EU-Wasserstoffbank – ein Realitätscheck

19. Juni 2023

Wasserstoff gilt als Hoffnungsträger für die Energiewende. Zu Recht. Es handelt sich um einen effizienten, hochwertigen Energieträger, dem gerade im Schiffs- und Flugverkehr sowie der schwer zu elektrifizierenden Industrie eine besondere Bedeutung in der Dekarbonisierung zukommt. Die Europäische Kommission beabsichtigt daher, einen Markt für Wasserstoff zu schaffen. Eine gute Idee, jedoch nur, wenn dabei auch sozial-ökologische Aspekte berücksichtigt werden, fairer Wettbewerb befördert wird und qualitativ hochwertige grüne Jobs geschaffen werden.

Eigentlich keine Bank, sondern ein Finanzierungsinstrument

Bis 2030 sollen laut dem REPowerEU-Plan 10 Millionen Tonnen erneuerbarer Wasserstoff in der Europäischen Union erzeugt werden. Genauso viel soll durch Importe hinzukommen. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat in der Rede zur Lage der Union 2022 die Europäische Wasserstoffbank als Teil des Industrieplans für den Grünen Deal angekündigt, um dieses Ziel zu erreichen. Die Europäische Wasserstoffbank ist jedoch nicht als Bank im institutionellen Sinne zu verstehen, sondern als Finanzierungsinstrument zum Anstoß und zur Förderung des Imports und der Herstellung von „grünem“ Wasserstoff in der EU. Grüner Wasserstoff entsteht dabei durch die Verwendung überschüssiger Energie aus Wind, Wasser oder Sonnenenergie – also erneuerbaren Energiequellen. Eine Bedingung dafür ist ein stabiler Strompreis, der die tatsächlichen Produktionskosten widerspiegelt und der eine Entkoppelung vom Gaspreis voraussetzt.

Das primäre Ziel ist die Schließung der Kostenlücke zwischen grünem Wasserstoff und fossilen Energieträgern. Erreicht werden soll dies mittels Auktionen. Mit diesen sollen Subventionen in Form eines Fixpreises pro Kilogramm Wasserstoff für maximal zehn Jahre für besonders aussichtsreiche Projekte versteigert werden – unter Berücksichtigung des flexibilisierten Beihilferechts. Damit soll über einen kompetitiv ausgestalteten Bietmechanismus ein marktfähiger Preis für grünen Wasserstoff ermittelt werden, wobei die geförderten Projekte gleichzeitig gegen Risiken abgesichert werden.

Großer Investitionsbedarf

Durch das Programm „InvestEU“ sollen öffentliche und private Investitionen für klimafreundliche Technologien, wie etwa Wasserstoffantriebstechnologien, gefördert werden. Dafür stehen laut Green Deal Industrial Plan in diesem Jahrzehnt 40 Milliarden Euro zur Verfügung. Daraus sollen Mittel in Höhe von drei Milliarden Euro für die Europäische Wasserstoffbank aufgewendet werden, um einen Wasserstoffmarkt zu entwickeln, die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern zu verringern und den Ausstoß von Treibhausgasemissionen bis 2050 auf Netto-Null-Ziel zu reduzieren. Die in Aussicht gestellten Mittel erscheinen angesichts des Investitionsbedarfs als nicht ausreichend. Für den Ausbau der Wasserstoffproduktion in der EU sind Schätzungen zufolge Investitionen in Höhe von 335 bis 471 Milliarden Euro erforderlich, wobei der größte Teil der Mittel von den Mitgliedstaaten und privaten Quellen bereitgestellt werden muss, auch wenn weitere verfügbare EU-Mittel infrage kommen können – etwa durch Kreditlinien der Europäischen Investitionsbank. Es darf daher bezweifelt werden, dass die derzeitige Mittelausstattung der Europäischen Wasserstoffbank auch nur annähernd ausreichend ist.

Eine Frage der Fokussierung

Wasserstoff spielt eine wichtige Rolle beim Ausgleich von Schwankungen bei der Bereitstellung sowie Speicherung erneuerbarer Energien und bei der gezielten Versorgung von Sektoren, die schwer oder gar nicht zu elektrifizieren sind. Dazu zählen insbesondere Stahl-, Petrochemie-, Aluminium-, Zement- und Düngemittelindustrie, in denen die Reduktion von CO2-Emissionen schwer zu erreichen ist, weil Lösungen zur Emissionsverringerung mit höheren Kosten verbunden sind als die aktuellen CO2‑intensiven Technologien. Wasserstoff kann außerdem eine Schlüsselrolle in der Dekarbonisierung des Schwerverkehrs spielen. Grüner Wasserstoff ist jedoch ein rares Gut: Derzeit kann nur ein Prozent des weltweiten Energiebedarfs mit grünem Wasserstoff gedeckt werden. Daher wäre es notwendig, dass die Europäische Wasserstoffbank aufgrund ihrer beschränkten Mittel nicht nur einen Überblick über die Wasserstoffnachfrage in der EU schafft, sondern auch die Nachfrage nach Wasserstoff (indirekt) steuert. Sektoren, in denen eine direkte Elektrifizierung möglich ist, wie beispielsweise der Personenverkehr, können und sollten daher nicht mit Wasserstoff betrieben werden. Stattdessen sollten wir diesen „Champagner der Energiewende“ sorgsam und gezielt einsetzen. Darauf weist auch der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) in seiner Stellungnahme (TEN/805) hin und betont, „je nach Bedarf branchenspezifische Übergangsfristen für die Industrie auf der Grundlage von Emissionssenkungspfaden und -zielen festzulegen. Die Stahl- und Zementindustrie sowie die chemische Industrie müssen bei der Umstellung ihrer Energiesysteme und Produktionsverfahren unterstützt werden. Dies gilt auch für Teile des Verkehrssektors. Der EWSA betont, dass diese Branchen, die hohe CO2-Emissionen aufweisen, andernfalls den Wandel möglicherweise nicht überleben werden.“

Das vorgeschlagene wirtschaftspolitische Instrument der Auktion ist durchaus dafür geeignet, einen Markthochlauf von Wasserstoffproduktion effizient und gezielt voranzutreiben. Die Vergabe von Subventionen sollte jedoch an sozial-ökologische Konditionalitäten geknüpft werden. Unternehmen, die das Geld der Bürger:innen in Form von Subventionen erhalten wollen, sollten diesen auch gute Arbeitsbedingungen bieten müssen. Dazu zählen Standort- und Beschäftigungsgarantien, kollektivvertragliche Bezahlung sowie die Förderung betrieblicher Mitbestimmung. Zudem wäre auch die Festlegung eines Höchstpreises ein zentrales Instrument, um zu verhindern, dass an Produzenten überhöhte Subventionen ausgeschüttet werden, welche letztlich von Konsument:innen zu zahlen sind.

Um faire Wettbewerbsbedingungen innerhalb der Union zu gewährleisten, ist es zudem unerlässlich, dass Unternehmen in allen Mitgliedstaaten Zugang zu leistbarem Wasserstoff haben. Die wirtschaftliche Produktion von grünem Wasserstoff wird dort erfolgen, wo große Mengen an günstigem erneuerbarem Strom erzeugt werden können (Offshore-Windanlagen und Groß-PV im Süden). Es wird daher eine zentrale Herausforderung für die EU sein, sicherzustellen, dass ausreichend leistbarer grüner Wasserstoff auch in jene Mitgliedstaaten gelangt, die nicht oder nur eingeschränkt über ein solches Potenzial verfügen.

Internationalen Handel mit Wasserstoff nachhaltig gestalten

Neben dem Aufbau eines europäischen Wasserstoffmarktes forciert die EU den Import von Wasserstoff aus Drittstaaten, allen voran aus Ländern des globalen Südens. Um grünen Wasserstoff für den Export produzieren zu können, sind große Mengen an Strom aus erneuerbarer Energie erforderlich. Daher ist frühzeitig darauf hinzuwirken, dass im Sinne einer strategischen Autonomie „für ein soziales und souveränes Europa“ eigenständige Entwicklungskapazitäten und -möglichkeiten gefördert werden. Dies gilt auch und insbesondere für die Entwicklung von erneuerbaren Energiesystemen. Hier muss verhindert werden, dass die Energieversorgung für die lokale Bevölkerung unter der Produktion von Exportwasserstoff leidet. Wenn Projekte unter Zustimmung der örtlichen Bevölkerung verwirklicht werden, so ist die Einhaltung der Menschenrechte, von internationalen Kernarbeitsnormen sowie die Anwendung der sogenannten Up-to-date-Konventionen und Empfehlungen zu gewährleisten. Die Anlagen sind mit den besten verfügbaren Technologien zum Schutz von Arbeiter:innen, der Umwelt und des Klimas zu betreiben. International wie auch innerhalb der EU ist dabei auf hohe Anforderungen an technische Sicherheit zu achten, insbesondere bei Betriebsanlagen.

Darüber hinaus sind europäische Unternehmen und Importeure zu verpflichten, soziale und umweltpolitische Sorgfaltspflichten entlang der Wertschöpfungskette Wasserstoff einzuhalten sowie Verantwortung für den globalen Schutz von Menschenrechten zu übernehmen. In diesem Sinne betont auch der EWSA: „Strategischer Extraktivismus von Energieressourcen wirkt sich langfristig nachteilig auf die globale Energiewende und damit auch auf die Energiewende in Europa aus. Stattdessen sind neue Ansätze erforderlich, um internationale Übereinkommen über die Zusammenarbeit in Klima- und Energiefragen zu schließen.“

Gemeineuropäische und sozial gerechte Wasserstoffpolitik

Die Initiative der Kommission, einen europäischen Wasserstoffmarkt zu entwickeln und dabei die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern und den Ausstoß von Treibhausgasemissionen bis 2050 auf Netto-Null-Ziel zu reduzieren, ist positiv zu bewerten.

Ein gemeinsamer Beschaffungsmechanismus für Wasserstoff für spezifische Anwendungen könnte dazu beitragen, einen innereuropäischen Wettbewerb zu vermeiden und stattdessen den Aufbau eines europäischen Wasserstoff-Ökosystems zu fördern.

Bei der Ausgestaltung der Vergaberichtlinien für Fördermittel aus der Europäischen Wasserstoffbank sollte dabei nicht ausschließlich Kosteneffizienz von Projekten eine Rolle spielen. Vielmehr müssen Energieversorgungssicherheit, Umweltverträglichkeit, der Erhalt und die Förderung von qualitativ hochwertigen Arbeitsplätzen, eine vorausschauende Aus- und Weiterbildung, insbesondere in den im Green Deal Industrial Plan vorgeschlagenen Net-Zero Industry Academies, berücksichtigt werden. Die Förderung und der Einsatz von Wasserstoff sollte zudem nur im Zusammenspiel mit dem Ausbau erneuerbarer Energieressourcen erfolgen und nur dort zum Einsatz gebracht werden, wo direkte Elektrifizierung nicht möglich ist.

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