EU-Wasserstrategie – keine Liberali­sierung durch die Hinter­tür

20. März 2025

Wieder ein Winter, der viel zu trocken war, mit 85 Prozent weniger Regen als im Durchschnitt. Dürre und Hochwasser: zwei Seiten der Klimaerhitzung, die dem Wasserhaushalt zu schaffen machen. Mal ist es zu wenig, mal zu viel – beides mit zum Teil verheerenden Auswirkungen für Mensch, Umwelt und Wirtschaft. Die EU-Politik will nun mit einer Wasser-Resilienz-Strategie Lösungen anbieten. Aber Achtung vor einer neuen Welle der Liberalisierung!

Mit der neuen EU-Kommission wird dem Thema Wasser auch auf europäischer Ebene endlich eine höhere Priorität eingeräumt. Dies ist sicher auch der hervorragenden Arbeit des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses geschuldet, der intensiv an einem europäischen EU-Blue Deal arbeitete. Ziel war unter anderem, das Thema Wasser auf die politische Agenda zu bringen, den universellen Zugang zu Trinkwasser zu gewährleisten und die notwendige Finanzierung für die Wasserversorgung sicherzustellen. Dies ist gelungen. Die neue Umweltkommissarin Jessika Roswall ist zugleich auch Wasserkommissarin. Ihr Team arbeitet derzeit an einer Wasser-Resilienz-Strategie, die drei Ziele verfolgt:

  1. Wiederherstellung und Schutz des unterbrochenen Wasserkreislaufs
  2. Gewährleistung von sauberem und erschwinglichem Wasser und der Sanitätsversorgung für alle
  3. Förderung einer wettbewerbsfähigen EU-Wasserwirtschaft und einer sauberen wasserschonenden Kreislaufwirtschaft

Das dritte Ziel, die Förderung einer wettbewerbsfähigen EU-Wasserwirtschaft ist äußerst kritisch zu betrachten. Es klingt danach, Akteur:innen ins Boot zu holen, die darauf aus sind, aus Wasser Gewinne zu erwirtschaften. Wie so eine Geschichte ausgeht, ist hinlänglich bekannt. So wurde in Großbritannien die Wasserversorgung bereits 1989 privatisiert. Heute leiden die Menschen unter Abwasser, das ungereinigt in den Flüssen landet, und fehlenden Investitionen in die Infrastruktur, da Gewinne an die Aktionär:innen ausgeschüttet werden. Teure Kredite für Investitionen in die Wasserinfrastruktur resultieren in höheren Kosten für Konsument:innen.

Welle der Liberalisierung?

Auch in den Strategie- und Missionspapieren der neuen Europäischen Kommission lassen sich zahlreiche Hinweise auf eine mögliche Liberalisierung und Privatisierung finden. Besonders besorgniserregend ist der Mission Letter an Kommissarin Roswall, in dem die Förderung „öffentlicher und privater Investitionen in Technologie und grenzüberschreitende Wasserinfrastruktur“ gefordert wird, und die Strategische Agenda 2024–2029 des Rates, in der ebenfalls umfangreiche Investitionen in die grenzüberschreitende Wasserinfrastruktur gefordert werden. Als EU-Wettbewerbsbehörde ist die Europäische Kommission verpflichtet, die Binnenmarktregeln durchzusetzen, wo immer „Marktelemente“, einschließlich privater Teilnehmer:innen und grenzüberschreitender Aktivitäten, erkennbar werden, auch wenn dies ursprünglich nicht beabsichtigt war. Die Durchsetzung der Binnenmarktregeln für den Wassersektor würde den Ausnahmen in der Konzessionsrichtlinie und dem Menschenrecht auf Wasser widersprechen. Da schrillen die Alarmglocken, bei der Ankündigung der Kommission, die Vergaberichtlinien, zu denen auch die Konzessionsrichtlinie zählt, zu überarbeiten. Die Ausnahmen für Wasser und Abwasser in der Richtlinie 2014/23/EU über die Konzessionsvergabe (Konzessionsrichtlinie), die nach der erfolgreichen Europäischen Bürger:inneninitiative Right2Water gewährt wurden, müssen in allen künftigen Legislativvorschlägen beibehalten werden.

Der Draghi-Bericht empfiehlt, einen Rahmen für den öffentlichen Sektor zu schaffen, um Risiken mit dem Privatsektor durch öffentlich-private Partnerschaften zu teilen. Modelle zur Risikominderung bei privaten Finanzierungen einzuführen bedeutet in der Regel, die Risikobelastung auf die öffentliche Hand abzuwälzen, wohingegen die Gewinne bei den privaten Gesellschaften bleiben.

Stärkung der öffentlichen Hand

Mit Wettbewerbsfähigkeit in der Wasserwirtschaft lässt sich der universelle Zugang zu Wasser, einem grundlegenden Menschenrecht, nicht sicherstellen. Anstatt Wettbewerb zu fördern, sollte die EU-Kommission vielmehr sicherstellen, dass die bewährten öffentlichen Strukturen nicht durch Liberalisierungsdruck oder Deregulierung gefährdet werden, wie in einigen der 574 Stellungnahmen zur öffentlichen Konsultation der EU-Wasser-Resilienz-Strategie eingemahnt wird.

Die öffentliche Wasserversorgung bietet aufgrund ihrer Gemeinwohlorientierung die besten Voraussetzungen, um die Herausforderungen in der Wasserwirtschaft gut zu bewältigen und die Wasserversorgung für die nächsten Generationen zu sichern. Sie bietet zudem faire Preise und bessere Arbeitsbedingungen als gewinnorientierte Betreiber, was hinlänglich durch Studien belegt ist. Zudem gibt es über hundert dokumentierte Beispiele für eine erfolgreiche Rekommunalisierung von Wasserdienstleistungen, die die Vorteile der Rückgewinnung der öffentlichen Kontrolle belegen, sowie eine Reihe positiver Beispiele für öffentlich-öffentliche Partnerschaften.

Vielmehr braucht es bessere Rahmenbedingungen für die öffentliche Hand, um auch langfristig eine flächendeckende Versorgung mit sauberem und leistbarem Wasser sicherzustellen. Was es jetzt braucht, ist ein völliges Aussetzen der geltenden Schuldenregeln des Stabilitäts- und Wachstumspaktes, um dringend benötigte öffentliche Investitionen in die soziale Infrastruktur zu ermöglichen. Was künftig für Sicherheit und Verteidigung gelten soll, sollte auch für Investitionen in öffentliche Daseinsvorsorge gelten: Keine Anrechnung der Investitionen in die Schulden. Damit werden Investitionen in den öffentlichen Sektor unterstützt und die Wirtschaft angekurbelt und Arbeitsplätze geschaffen.

Universeller und leistbarer Zugang zu Wasser – Vorrang für Trinkwasser

Wasser ist ein öffentliches Gut. Der Zugang zu Wasser ist ein UN-gültiges Menschenrecht. Weltweit haben mehr als zwei Milliarden Menschen keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. Bis zum Jahr 2050 sollen es nach Schätzungen der UNO rund fünf Milliarden Menschen sein. In Europa sind bereits 30 Prozent der Europäer:innen und 20 Prozent der Landfläche von Wasserknappheit betroffen und diese Zahlen werden aufgrund der Klimaerhitzung wahrscheinlich noch steigen.

Versuche, Wasser zu liberalisieren, hat es in der Vergangenheit auf EU-Ebene immer wieder gegeben. Diese konnten bislang dank des Engagements von Gewerkschaften, Arbeiterkammer und Zivilgesellschaft erfolgreich abgewehrt werden. Vor allem die erste erfolgreiche Bürger:inneninitiative „Right2Water“, die von mehr als 1,8 Millionen Europäer:innen unterzeichnet wurde, war von Erfolg gekrönt. Bereits während Unterschriften dafür gesammelt wurden, zog der damalige EU-Kommissar Barnier seinen Vorschlag zur Liberalisierung der Wasserversorgung zurück.

In Zeiten zunehmender Wasserknappheit ist es von größter Bedeutung, den universellen Zugang zu Wasser als fundamentales Menschenrecht sicherzustellen und öffentliche Güter und Dienstleistungen resilient aufzubauen. EU-weit verbraucht die Landwirtschaft mit 65 Prozent und die Industrie mit 25 Prozent den Großteil des Wassers. In Österreich ist die Industrie der größte Wassernutzer, gefolgt von der Trinkwasserversorgung, der Landwirtschaft und dem Tourismus. Mit der Klimakrise verschärfen sich die Nutzungskonkurrenzen. Hier gilt es sicherzustellen, dass im Falle von Nutzungskonflikten die Trinkwasserversorgung entschädigungsfreien Vorrang vor allen anderen Nutzungen erhält. Es ist erfreulich, dass dies eines der Vorhaben der neuen Bundesregierung im Bereich der Wasserwirtschaft ist.

Wasserverschmutzung – never ending story?

Auch die Wasserverschmutzung ist leider noch immer ein großes Thema. Eigentlich sollten laut Wasserrahmenrichtlinie alle Mitgliedsstaaten bis 2027 für ihre Gewässer einen guten ökologischen Zustand erreicht haben. Leider wird sich das so gar nicht ausgehen. Sowohl in Österreich wie auch EU-weit erreichen gerade mal 40 Prozent der Gewässer die gute Qualität. Sowohl die Landwirtschaft (Nitrat und Pestizide) wie auch die Industrie (z. B. Ewigkeitschemikalie PFAS, Mikroplastik) sind für die Verschmutzung verantwortlich. Hier muss das Vorsorgeprinzip endlich besser angewendet, die Verschmutzung bereits an der Quelle bekämpft werden und die Verursacher sind zur Kasse zu bitten.

Fazit

Angesichts der Klimakrise und der daraus resultierenden Verknappung der Wasserressourcen sind alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um die Klimakrise abzuwenden sowie deren Auswirkungen für den Menschen erträglich zu machen.

Eine EU-Strategie für eine resiliente Wasserversorgung hat die öffentliche Wasserversorger konsequent zu stärken und etwaigen Liberalisierungen entschieden entgegenzuwirken. Es gilt, den universellen Zugang zu sauberem Wasser und sanitärer Grundversorgung als vorrangiges Ziel zu verankern, naturbasierte Ansätze und öffentliche Investitionen zu fördern sowie die Rechte und Arbeitsbedingungen der Beschäftigten im Sektor nachhaltig zu sichern. Nur durch eine konsequente Ausrichtung an den Bedürfnissen der Bürger:innen und den Prinzipien der Transparenz, demokratischen Mitwirkung und ökologischen Nachhaltigkeit kann eine zukunftsfähige und sozial gerechte Wasserbewirtschaftung in Europa realisiert werden. Potenzieller Liberalisierung durch die Hintertür ist ein Riegel vorzuschieben!

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