„Erholung light“: Der Arbeits­markt in Öster­reich zeigt deut­liche Stär­ken und Schwächen

02. September 2024

Wie ist es insgesamt um die Situation am österreichischen Arbeitsmarkt bestellt? Antworten darauf liefert der jährliche Bericht zur EU-weiten Analyse der Arbeitsmärkte: der Arbeitsmarktmonitor 2023. Österreich kann sich im Vergleich zum letzten Jahr im Bereich der Erwerbsteilnahme, also der Fähigkeit, unterschiedliche Bevölkerungsgruppen in den Arbeitsmarkt zu integrieren, verbessern. Gleichzeitig rutscht es im Bereich der Ausgrenzungsrisiken am Arbeitsmarkt auf eine Position im Schlussfeld. Der Arbeitsmarktmonitor zeigt auf, dass es in vielen Bereichen konkreten Handlungsbedarf gibt.

Arbeitsmarktmonitor 2023: Die Performance polarisiert sich

Im Auftrag der Arbeiterkammer analysiert das WIFO seit 2010 jährlich die Situation der europäischen Arbeitsmärkte im Vergleich. Dabei wird ein breites Spektrum an Indikatoren herangezogen, das mehr als nur die klassischen Kennzahlen, wie etwa die Arbeitslosenquote, beinhaltet. Insgesamt 58 Indikatoren werden zu fünf Bereichen zusammengefasst: (BI1) der allgemeinen Leistungskraft des Arbeitsmarktes, (BI2) der Erwerbsteilnahme unterschiedlicher Personengruppen, (BI3) Ausgrenzungsrisiken am Arbeitsmarkt, (BI4) der Verteilung der Erwerbseinkommen sowie (BI5) der Umverteilung durch den Sozialstaat. Für den europäischen Vergleich werden die EUROSTAT-Daten aller Länder nach Performance im jeweiligen Bereich in verschiedene Gruppen geteilt: Spitzenfeld, oberes oder unteres Mittelfeld und Schlussfeld. Die diesjährige Entwicklung der Bereichsindizes verortet Österreich zweimal im Spitzenfeld, einmal je im oberen und unteren Mittelfeld und einmal sogar im Schlussfeld.

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Wo schneidet der österreichische Arbeitsmarkt gut ab?

Österreich liegt in zwei Bereichen im Spitzenfeld, in einem Bereich im oberen Mittelfeld und damit im Durchschnitt über dem Median der 27 EU-Mitgliedsstaaten. In der Fähigkeit, die Erwerbsteilnahme unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen am Arbeitsmarkt zu steigern, hat sich Österreich verbessert: Insbesondere die Arbeitslosenquote der 15- bis 24-Jährigen (AT 9,5%; gegenüber dem EU-27-Durchschnitt von 14,5%) und die Langzeitarbeitslosenquote (AT 25,3%; EU-27 38,7%) sind vergleichsweise niedrig. Letztere schwankt jedoch im Zeitverlauf und in Abhängigkeit von der wirtschaftlichen Lage recht stark: Die Verbesserung ist daher in Verbindung mit der Arbeitskräfteknappheit nach der COVID-19-Pandemie zu sehen, wodurch die Quote wieder etwas zurückging. Auch die Ausgaben für aktive Arbeitsmarktpolitik inklusive Kurzarbeit, gemessen am BIP, fielen in den letzten Jahren vergleichsweise hoch aus. Im Bereich der Umverteilung durch den Sozialstaat bleibt Österreich im Spitzenfeld an sechster Stelle. Die Ausgaben im Bereich der sozialen Sicherung, gemessen in Prozent des BIP, sind im europäischen Vergleich nach wie vor überdurchschnittlich hoch, wodurch die Armutsgefährdungsquote in Österreich um knapp 11 Prozentpunkte – im Vergleich zu einer Situation ohne soziale Transfers – sinkt.

Herausforderungen des österreichischen Arbeitsmarktes

Der Sozialstaat ist jedoch nicht perfekt: Das Medianeinkommen von armutsgefährdeten Personen liegt in Österreich um 23,9 Prozent unter der Armutsgefährdungsschwelle. Das bedeutet, dass die Hälfte dieser Personen Bezüge erhält, die um fast ein Viertel unter der Armutsschwelle liegen, damit haben armutsgefährdete Menschen in Österreich ein vergleichsweise besonders niedriges Einkommen, das nicht gegen Armut absichert. Österreich befindet sich deswegen bei diesem Indikator im Schlussfeld. Auch der Gender-Pay-Gap bleibt mit 18,4 Prozent bei den Bruttostundenlöhnen an zweithöchster Stelle der gesamten EU (darüber liegt nur noch Estland mit über 20 Prozent). Österreich ist zudem neben den Niederlanden das Land, in welchem viele Frauen, insbesondere Mütter, aufgrund von Betreuungspflichten in Teilzeit arbeiten. Der Anteil ist fast dreimal so hoch wie im EU-27-Schnitt (20,3% vs. 7,4%). Dies spiegelt sich wiederum in einer Betreuungsrate deutlich unter dem EU-Durchschnitt bei Kindern unter drei Jahren wider (23% vs. 35,9%), insbesondere bezüglich Kindern, die mindestens 30 Stunden pro Woche betreut werden (8,4% vs. 22,6%). Nur im unteren Mittelfeld liegen außerdem Österreichs Bildungsausgaben (AT 4,8% gegenüber den Spitzenreitern Belgien und Schweden mit 6,3% des BIP).

Was in Zukunft besser gelingen muss

Die breite Analyse des Arbeitsmarkts zeigt viele Schwächen in Österreich auf. Deswegen wäre es für den Wohlstand und die Menschen in Österreich wichtig, dass sich in einigen Bereichen bald etwas bewegt:

  • Maßnahmen zum Erhalt von Beschäftigung und Vermeidung von Arbeitslosigkeit: Beschäftigungs- und Qualifizierungspakete, um mehr Menschen in gute Beschäftigung zu bringen, und eine angemessene Arbeitsplatzgarantie für Arbeitssuchende.
  • Gesunde Vollzeit: Modelle zur Arbeitszeitverkürzung mit Lohnausgleich sind bei der hohen Arbeitsstundenproduktivität sinnvoll und sollten endlich Umsetzung finden.
  • Sicherheit im Job: Das Risiko für Arbeitsunfälle ist in Österreich sehr hoch und muss gesenkt werden. Dafür müssen Arbeitszeiten und Arbeitsqualität überprüft und die gesunden Lebensjahre ausgeweitet werden, nicht nur um die Gesundheit der Menschen bis zur Pension zu garantieren.
  • Sozialstaat ausbauen: Arbeitslosengeld und Notstandshilfe sollen erhöht und jährlich valorisiert werden, um Menschen im Erwerbsleben und deren Familien besser vor Armut zu schützen. Sozialhilfe und Mindestsicherung müssen auf ein armutsvermeidendes Niveau gehoben werden.
  • Ausbau der Kinderbildung: Ein Rechtsanspruch auf qualitativ hochwertige Kinderbildungs- und Betreuungsangebote ab dem ersten Geburtstag sowie der Ausbau ganztägiger Schulformen würde eine geschlechtergerechtere Teilhabe am Erwerbsleben fördern und das Problem der teilzeitarbeitenden Personen entschärfen.
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