Jede sechste in Österreich lebende und erwerbstätige Person war 2021 auf Bundesebene nicht wahlberechtigt. In Wien traf das auf jede:n Dritte:n zu. Diese Menschen, die Teil der österreichischen Gesellschaft sind, Steuern zahlen und mit ihrer Arbeitskraft zum wirtschaftlichen Wohlstand beitragen, haben kein Recht auf eine demokratische Beteiligung in Form von Wahlen. Die Statistik Austria prognostiziert, dass dieser Teil der Bevölkerung weiterhin wachsen wird. Es besteht die Gefahr eines ernsthaften Demokratiedefizits in Österreich.
Staatsbürgerschaft als „teures Gut“
Der Zugang zur österreichischen Staatsbürgerschaft ist einer der restriktivsten weltweit. Folgerichtig gehört Österreich im EU-Vergleich zu den Ländern mit dem höchsten Anteil an Nicht-Staatsbürger:innen und den niedrigsten Einbürgerungsraten. Grund dafür sind die strengen Einbürgerungskriterien die neben einem Wissenstest, einer Mindestaufenthaltsdauer, rechtlicher Unbescholtenheit, einem Nachweis der Deutschkenntnisse und der Zurücklegung der bisherigen Staatsbürgerschaft zusätzlich ein Mindesterwerbseinkommen beinhalten. Besonders das Kriterium des Mindesterwerbseinkommens lohnt einer näheren Betrachtung. So zeigt unsere Analyse, dass 30 % der Arbeiter und fast zwei Drittel aller Arbeiter:innen (unabhängig von der Staatsbürgerschaft) dieses Kriterium nicht erfüllen. Auch wenn Angestellte in Österreich tendenziell ein höheres Gehalt beziehen, fällt hier ebenfalls eine von drei Frauen beim Mindesterwerbskriterium durch, unter den Männern einer von zehn.
Dazu kommt, dass in Österreich lebende, ausländische Erwerbstätige vergleichsweise niedrigere Einkommen als Österreicher:innen beziehen und diese weniger stark steigen als die von österreichischen Kolleg:innen.
Wir können also festhalten, dass die individuelle finanzielle Situation entscheidend für den Zugang zur politischen Beteiligung in Form von nationalen Wahlen ist.
Mehrheit der Arbeiter:innen in Wien darf nicht wählen
In den 1970er-Jahren lag der Anteil ausländischer Staatsbürger:innen unter den Erwerbstätigen bei gerade einmal 4 %, bis 2010 hat sich dieser Wert auf 10 % erhöht. Seitdem ist ein kontinuierlicher Anstieg zu verzeichnen.