Mit dem Einsatz Künstlicher Intelligenz werden schnell Automatisierung, Effizienz und Reduktion von Beschäftigten verknüpft. Dabei liegt das wahre Potenzial in hochproduktiver Arbeit und Innovation. Das kann aber nur gelingen, wenn die Arbeitnehmer:innen mitbestimmen und mitgestalten.
KI-Einführung: ein Szenario
Stellen wir uns folgendes Szenario vor: Ein Unternehmen mit rund 200 Beschäftigten plant angesichts steigender Anforderungen an Qualität und Geschwindigkeit die Einführung einer KI-gestützten Steuerung der Arbeitsprozesse. Noch bevor erste Entscheidungen getroffen werden, führt die Geschäftsleitung mehrere Gespräche mit dem Betriebsrat und organisiert Workshops mit den Beschäftigten, um Bedenken und Anregungen der Belegschaft frühzeitig zu erkennen. Insbesondere wird dem Betriebsrat ein Mitspracherecht bei der Auswahl der KI-Anwendung und der externen Anbieter eingeräumt, um sicherzustellen, dass die gewählten Systeme den ethischen und arbeitsrechtlichen Standards entsprechen. Das Vorhaben wird offen und transparent kommuniziert. Die Funktionsweise des Systems wird in mehreren Informationsveranstaltungen den Beschäftigten vorgestellt, dem Betriebsrat werden die zur Einordnung des Systems erforderlichen Auskünfte gegeben und die Beiziehung von Expert:innen wird ermöglicht. Jene Beschäftigten, die mit der neuen KI-Anwendung arbeiten sollen, werden frühzeitig in den Veränderungsprozess durch entsprechende Schulungen und Weiterbildungen zur Nutzung sowie Kontrolle des Systems eingebunden. Vor der finalen Implementierung können in einer Testphase Beschäftigte Rückmeldungen geben. Das erlaubt die frühzeitige Erkennung von Anwendungsproblemen, die Erkenntnisse daraus fließen in die endgültige Anpassung der Systeme ein.
Mitbestimmung – Studien belegen Vorteile für Unternehmen und Beschäftigte
Die Vorteile dieses Prozesses: Ängste der Beschäftigten werden abgebaut, Interesse an den Möglichkeiten der neuen Technologie geweckt. Schon im Vorfeld können formelle und informelle Prozesse sowie Rahmenbedingungen für den Einsatz der neuen Technologie angepasst und optimiert werden. Die rechtliche Vorprüfung verläuft unter Einbindung der Stakeholder und erleichtert die laufende Compliance. Beschäftigte sind auf die neue Technologie optimal vorbereitet und können aktiv zur Produktivität beitragen, Widerstand und Überforderung werden vermieden.
Ein fiktives Szenario? Nein, unser Beispiel beruht auf Erfahrungen aus Projekten der Plattform Industrie 4.0 sowie auf internationalen Studien der OECD zur Implementierung von KI. Diese zeigen, dass Change-Prozesse in der Digitalisierung dann besonders erfolgreich sein können, wenn sie unter aktiver Einbeziehung der Beschäftigten und der (über)betrieblichen Interessenvertretung erfolgen. Die Forschung zeigt außerdem, dass KI nicht automatisch zu guten Arbeitsplätzen oder zum Verschwinden von schlechten Arbeitsplätzen führt. Das Ergebnis hängt zum einen von der organisatorischen Gestaltung und den Management-Entscheidungen und zum anderen von der Beteiligung der Arbeitnehmer:innen an der Entscheidungsfindung ab.
Erfolgreiche KI-Implementierung braucht organisatorische Maßnahmen und Mitbestimmung
Für einen Umgang mit den Stärken und Grenzen von KI müssen Unternehmen die Aufgabenteilung zwischen Beschäftigten und Technologie neu überdenken und Arbeitsabläufe neu gestalten. Die Auswirkungen von KI-Systemen am Arbeitsplatz hängen stark davon ab, wie sie konzipiert und entwickelt werden, wie sie Werte und Vorstellungen einbeziehen und wie sie an einem bestimmten Arbeitsplatz in die Praxis umgesetzt werden. Die Einbindung und Mitgestaltung durch Beschäftigte ist dafür jedenfalls ein Erfolgsfaktor.
Motivierte und kundige Beschäftigte schaffen Innovation
Der Einsatz von KI orientiert sich derzeit hauptsächlich an der Automatisierung von Arbeit und dem Abbau von Beschäftigten. Das ist kurzsichtig: KI kann neue, hochproduktive Formen der Arbeit schaffen. Unternehmen, die beim KI-Einsatz nicht nur auf Effizienz setzen, sondern ihre Beschäftigten fördern und in den Mittelpunkt stellen, können sich einen entscheidenden Vorteil in Sachen Produktivität und Innovation verschaffen.
Damit das möglich wird, dürfen gesetzliche Vorgaben zu Information, Transparenz und Einbindung von Beschäftigten und Stakeholdern nicht nur als lästige Pflichtübung wahrgenommen werden. Sie müssen zum Vorteil von Unternehmen und Beschäftigten instrumentalisiert werden. So helfen sie nicht nur, potenzielle Probleme bei Entwicklung, Einführung und Einsatz von KI zu erkennen. Sie schaffen auch die nötige Motivation, Erfahrung und Innovationskraft in der Belegschaft, die es Unternehmen ermöglicht, auf die rasanten technologischen Entwicklungen zu reagieren.
Information und Mitbestimmung sind von Vorteil …
Es gibt viele Gründe, warum die Einbindung und Mitbestimmung der Beschäftigten aus Unternehmenssicht von Vorteil ist:
- Frühe Einbindung hilft bei der Abschätzung des tatsächlichen Bedarfs und des Potenzials im Betrieb.
- Beschäftigte kennen die tatsächlichen Umstände des Einsatzes und die Arbeitsprozesse, in die sich KI einfügen muss – sowohl die formalen Vorgaben als auch die informellen, tatsächlichen Abläufe. Das unterstützt bei der Vorbereitung der erforderlichen organisatorischen Umgestaltung.
- Mitgestaltungsmöglichkeiten bei der Entwicklung und beim Testen gewährleisten einerseits die Benutzerfreundlichkeit, andererseits die bessere und umfangreichere Abschätzung von Risiken und Folgen der Entwicklung und des Einsatzes digitaler Technologien.
- Diversität im Team verschafft neue Perspektiven, hilft beim Erkennen von Problemen (insbesondere jene, die marginalisierte Gruppen betreffen können) und ist grundlegend für innovatives Arbeiten.
- Die Einbindung fördert die KI-Kompetenz, den Abbau von „AI Anxiety“ und die Akzeptanz für Veränderungen (Ängste abbauen, Verständnis schaffen, Compliance-Umfeld schaffen).
- Durch Mitbestimmung können Vereinbarungen für adäquates Training geschaffen werden, die eine Übereinstimmung von Skills (Fähigkeiten) und Tasks (Aufgaben) gewährleisten.
- Der KI-Einsatz erfordert menschliche Aufsicht, einschließlich der Meldung von Fehlfunktionen sowie die laufende Beobachtung, Evaluierung und Kontrolle von KI-Systemen. Eine gut vorbereitete und motivierte Belegschaft ist die beste Vorsorge mit Blick auf unvorhersehbare Entwicklungen und Risiken.
… und in bestimmten Fällen auch verpflichtend!
KI, die im Arbeitsumfeld gut integriert wird, funktioniert besser. Einbindung ist aber auch essenziell, um die potenziellen Risiken dieser Technologie, die sich rasant und laufend verändert, zu erkennen und Schäden für Unternehmen, Beschäftigte und Kund:innen zu minimieren. Deshalb sind beim Einsatz von KI-Systemen am Arbeitsplatz die Arbeitnehmer:innenrechte und die Mitbestimmung durch die Interessenvertretung sowie die Regelungen zum Datenschutz (z. B. die verschiedenen Informationspflichten, die Einbindung bei Folgenabschätzungen und die Regeln zur automatisierten Entscheidungsfindung) wichtig. Zusätzlich enthält die KI-Verordnung ergänzende Pflichten hinsichtlich Transparenz und Information, u. a.:
- eine Informationspflicht vor Inbetriebnahme oder Verwendung eines Hochrisiko-KI-Systems (z. B. algorithmische Management-Systeme) am Arbeitsplatz,
- die Pflicht, natürliche Personen über die Verwendung eines Hochrisiko-KI-Systems zu informieren (z. B. Bewerbungssysteme) sowie
- ein Recht auf Erläuterung der Entscheidungsfindung im Einzelfall: Von algorithmischen Entscheidungen betroffene Personen haben das Recht zu erfahren, wie die sie betreffende Entscheidung zustande kam, einschließlich der involvierten Logik und der verwendeten Daten.
Mitbestimmung hilft, KI im Arbeitsumfeld zu integrieren
Wenn diese Vorgaben nicht nur als reine Pflichtübung gesehen, sondern einem umfassenden Ansatz der Einbindung zugrunde gelegt werden, kann mit KI echte Produktivität entstehen. Eine Implementierung von KI-Systemen am Arbeitsplatz, die nur Effizienz und den Abbau von Arbeitskräften zum Ziel hat, ist kurzsichtig. Wenn technologische Innovation und menschliche Mitbestimmung Hand in Hand gehen, profitieren alle – Unternehmen, Beschäftigte und die Gesellschaft als Ganze.