Digitale Gesundheits­anwendungen: der Weg zur Digitali­sierung im Gesundheits­wesen

25. Februar 2025

Die Digitalisierung hat alle Bereiche des täglichen Lebens erfasst, das Gesundheitswesen bildet dabei keine Ausnahme. Besonders seit der Corona-Pandemie sind digitale Gesundheitslösungen unverzichtbar geworden. Während Deutschland bereits „Apps auf Rezept“ anbietet, steht Österreich noch am Anfang dieser Entwicklung. Es wird höchste Zeit, dass wir nachziehen und Rechtssicherheit schaffen.

Was ist eine Digitale Gesundheitsanwendung?

Digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) können eine wichtige Ergänzung im Gesundheitswesen sein. Sie kombinieren digitale Technologien mit medizinischen Anwendungen, um Patienten und Patientinnen zusätzlich zu einer ärztlichen Behandlung oder klassischen Therapie zu unterstützen. Sie dienen als Ergänzung zur medizinischen Versorgung und können dabei helfen, Krankheiten zu erkennen, zu überwachen, die Behandlung zu begleiten oder Symptome zu lindern. Eine DiGA kann jedoch den Arztbesuch, eine medikamentöse Therapie oder andere medizinische Behandlungen nicht ersetzen.

Unter bestimmten Bedingungen werden DiGA gemäß der EU-Verordnung 2017/745 über Medizinprodukte (MP-VO) als Medizinprodukte klassifiziert. Software gilt nur dann als Medizinprodukt, wenn sie spezifische medizinische Zwecke erfüllt, wie die Diagnose, Überwachung, Behandlung oder Linderung von Krankheiten. Im Gegensatz dazu bleiben allgemeine Gesundheits- und Wellness-Apps außerhalb dieser Definition und sind daher schlichtweg Lifestyle-Apps, wenn sie keine spezifische medizinische Zweckbestimmung verfolgen.

Eine einheitliche DiGA-Definition gibt es derzeit nicht. Allerdings gibt es einige wesentliche Merkmale, die eine DiGA ausmachen und sie von anderen digitalen Anwendungen, wie Lifestyle-Apps, unterscheiden.

Kernmerkmale einer Digitalen Gesundheitsanwendung

In Österreich wird eine DiGA als Medizinprodukt betrachtet, das auf eine bestimmte medizinische Indikation abzielt. Das bedeutet, dass sie über die reine Gesundheitsförderung hinausgeht und einen konkreten medizinischen Nutzen bietet. Eine DiGA kann:

  • Erkrankungen erkennen, überwachen, behandeln oder lindern sowie Verletzungen oder Behinderungen kompensieren.
  • Software als zentrales Element nutzen, um den medizinischen Nutzen zu erzielen („Software as a Medical Device“).
  • Nicht bloß Geräte auslesen oder steuern, sondern selbst zur Diagnostik oder Therapie beitragen.
  • Von Patient:innen allein oder in Zusammenarbeit mit Ärzt:innen und anderen Leistungserbringenden genutzt werden.
  • Sowohl als mobile App, Desktop- oder als Browseranwendung existieren.
  • Telemedizinische Funktionen beinhalten, sofern diese nicht ausschließlich der Kommunikation dienen, sondern mit therapeutischen Inhalten verknüpft sind.

Die Unterscheidung zwischen DiGA und Lifestyle-Apps erfolgt demnach durch die jeweilige Zweckbestimmung. Eine Ernährungs-App für Diabetes-Patient:innen ist ein Medizinprodukt, während eine allgemeine Ernährungs-App ohne medizinischen Zweck eine Lifestyle-App ist. Ein klassisches Beispiel ist die App „Hydro Wasser Trinken“, die den Wasserbedarf ermittelt und an die Zufuhr erinnert – eine typische Lifestyle-App. Ein Dehydrierungs-Frühwarnsystem mit Sensoren für die Pflege wäre hingegen ein Medizinprodukt, da es einen spezifischen medizinischen Zweck erfüllt. Ähnlich verhält es sich bei Schlaftrackern und Monitoren zur Überwachung von Schlaftiefe und Bewegungen: Sind sie nicht speziell zur Verhinderung medizinischer Probleme konzipiert, gelten sie als Lifestyle-Apps. Pulsmessuhren und Schrittzähler, die lediglich Körperfunktionen messen, fallen ohne medizinische Anwendung ebenfalls nicht unter die Kategorie der Medizinprodukte.

Sozialversicherungsrechtliche Einordnung und Kostenerstattung: Herausforderungen im österreichischen Gesundheitssystem

Aktuell fehlt es in Österreich an einem spezifischen Leistungsanspruch für DiGA. Die Versorgung mit einer DiGA könnte derzeit auf die in den Sozialversicherungsgesetzen (ASVG, BSVG und GSVG) bestehenden Leistungsansprüche gestützt werden, wie ärztliche Hilfe, Heilmittel oder Heilbehelfe. Dies führt jedoch zu Abgrenzungsproblemen und fehlender Rechtssicherheit.

Ein wesentlicher Aspekt für die Verbreitung von DiGA in der Gesundheitsversorgung ist die Kostenübernahme durch die Sozialversicherung. Da es in Österreich an spezifischen Regelungen zur Kostenerstattung von DiGA fehlt, könnte die Kostenerstattung derzeit nach den bestehenden Regelungen für Heilmittel und Heilbehelfe erfolgen. Hierfür bedarf es jedoch einer ärztlichen Verordnung.

Um eine verbindliche Kostenübernahme zu gewährleisten, sollten DiGA entweder durch einen eigenen Leistungsanspruch abgedeckt oder diese ausdrücklich als Heilmittel oder Heilbehelf gesetzlich definiert werden. Dies würde ihre Erstattungsfähigkeit durch die Krankenversicherungsträger klarstellen und absichern. Gleichzeitig muss eindeutig festgelegt werden, unter welchen Bedingungen die Kosten für diese Anwendungen übernommen werden. Insbesondere sollte ein transparenter Prozess zur Prüfung des medizinischen Nutzens der DiGA, welcher Voraussetzung für eine Erstattungsfähigkeit ist, festgelegt werden. Die Kosten für eine DiGA könnten entweder zur Gänze oder allenfalls – wie bei Heilmitteln und Heilbehelfen – abzüglich eines Selbstbehaltes von den Krankenversicherungsträgern übernommen werden. Die Kostenübernahme sollte nur nach einer dementsprechenden Verordnung durch einen Arzt bzw. eine Ärztin oder eine:n Therapeut:in erfolgen. Dabei muss sichergestellt werden, dass die Erstattung von DiGA nicht dazu führt, dass Patient:innen keinen Anspruch mehr auf eine ärztliche Behandlung oder Therapie haben. Das Wirtschaftlichkeitsgebot darf nicht dazu führen, dass die DiGA als alleinige Behandlungsform angesehen wird und weiterführende medizinische Maßnahmen dadurch verweigert werden.

Im Ergebnis würde eine klare gesetzliche Regelung die Verbreitung der Anwendungen fördern und den Zugang zur Nutzung für alle Patient:innen erleichtern, unabhängig von deren finanziellen Möglichkeiten.

Ein Blick zum Nachbarn – „Apps auf Rezept“ in Deutschland

Ein bedeutender Schritt in Richtung Digitalisierung des Gesundheitswesens wurde in Deutschland mit dem Digitale-Versorgung-Gesetz (DVG) gemacht, das am 19. Dezember 2019 in Kraft trat. Dadurch wurde die „App auf Rezept“ offiziell in die Gesundheitsversorgung eingeführt. Seitdem haben rund 73 Millionen gesetzlich Versicherte einen Rechtsanspruch auf digitale Gesundheitsanwendungen, die von Ärzt:innen und Psychotherapeut:innen verordnet und von den Krankenkassen erstattet werden können.

Hierfür errichtete Deutschland ein öffentlich (online) einsehbares DiGA-Verzeichnis, in dem alle Apps gelistet sind, die derzeit von den Krankenkassen übernommen werden. Die Kosten für eine bestimmte Anwendung einer gelisteten DiGA werden zu 100 Prozent von der Krankenkasse getragen. Es sind in Summe 68 Apps gelistet. Der größte Teil mit 27 Apps fällt auf den Bereich „psychische Gesundheit“. Dieses DiGA-Verzeichnis schafft Rechtssicherheit für die Patient:innen und Versicherte, da sie sich darauf verlassen können, dass die Kosten für die Anwendung einer App, die in dieses Verzeichnis aufgenommen wurde, auch tatsächlich von der Kasse übernommen werden.

© A&W Blog


Projekt „DiGA in Österreich“: der Fahrplan zur Digitalisierung

Ein aktuelles Projekt der Bundeszielsteuerungskommission im Rahmen der eHealth-Strategie zielt darauf ab, eine österreichische DiGA-Definition zu entwickeln, Assessmentkriterien und Bewertungsprozesse zu erstellen sowie rechtliche Aspekte zu klären. Zusätzlich soll das Projekt Handlungsempfehlungen für die Integration von DiGA in die Gesundheitsversorgung erarbeiten und Best Practices aus anderen Ländern berücksichtigen. Der Austausch mit internationalen Akteuren könnte wertvolle Impulse liefern und die Umsetzung in Österreich beschleunigen. Das Projekt wurde im Oktober 2024 gestartet und soll im Februar 2025 abgeschlossen werden. Es bleibt zu hoffen, dass dies nicht lediglich ein Projekt bleibt, sondern es tatsächlich zu einer breiten Umsetzung kommt.

Ausblick: Der Weg zur Integration Digitaler Gesundheitsanwendungen in die Gesundheitsversorgung

Österreich sollte dringend einen eigenen rechtlichen Rahmen für DiGA schaffen, um den Anschluss nicht zu verlieren und die Vorteile der Digitalisierung im Gesundheitswesen voll auszuschöpfen. Zentral ist die Forderung nach einem eigenen gesetzlichen Leistungsanspruch auf eine DiGA – neben den bereits bestehenden Leistungstatbeständen. Dies wäre auch durch eine gesetzliche Definition von DiGA als Heilmittel oder Heilbehelf gewährleistet. Ein solcher Anspruch bzw. eine solche gesetzliche Definition würde die Integration dieser Technologien in die Regelversorgung ermöglichen, eine verbindliche Kostenübernahme sicherstellen und für Rechtssicherheit sowohl für Versicherte als auch beim Gesundheitspersonal sorgen.

Zur Schaffung eines kohärenten rechtlichen Rahmens bedarf es einer engen Zusammenarbeit zwischen Gesundheitsministerium, Sozialversicherungsträgern, Bundesländern und Sozialpartnern. Institutionen, die eine zentrale Rolle bei der Prüfung, Zulassung und Qualitätssicherung von Gesundheitsanwendungen spielen, sollten aktiv in die Gesetzgebungsprozesse eingebunden werden.

Ein strategischer Plan zur Förderung und Qualitätssicherung von DiGA ist essenziell, um ein effizientes und patientenorientiertes Gesundheitssystem zu etablieren. Dabei muss an erster Stelle die qualitätsvolle Versorgung der Versicherten stehen. Die Potenziale von DiGA sollten gezielt genutzt werden, um eine bessere, schnellere und effektivere Behandlung sicherzustellen. Neben der Förderung von Innovationen ist es ebenso wichtig, klare Standards und Kontrollmechanismen für die Qualitätssicherung zu implementieren. Nur so kann eine nachhaltige und sichere Integration digitaler Gesundheitsanwendungen gewährleistet werden, die dem Wohl der Patient:innen dient.


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