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Die Zahl der dafür aufzuwendenden Stunden variiert stark. Sie reicht von einigen wenigen bis zu vielen pro Woche. Ist der Zeitaufwand anfangs oft noch gering, so kann er sich im Verlauf der Zeit steigern. Caring-Aufgaben erstrecken sich häufig über lange Zeiträume, auch wenn Jugendliche und junge Erwachsene die familiäre Wohnsituation schon lange verlassen haben. Während die Tätigkeiten jenen anderer pflegender Angehöriger gleichen, befinden sich Young Carers und Young Adult Carers oft in einer besonderen (Abhängigkeits-)Situation: Sie können sich weniger leicht Hilfe holen, sie haben wenig Möglichkeiten, Grenzen für ihre Pflegerolle zu setzen und übernehmen altersuntypisch viel Verantwortung in ihrem nahen Umfeld.
Young (Adult) Caring wirkt sich auf viele Lebensbereiche aus
Die Pflegerolle von Young Carers und Young Adult Carers geht meist mit zeitlichen, körperlichen und emotionalen Belastungen einher und kann sich zudem auf wesentliche Lebensbereiche wie Ausbildung, Beruf, persönliche Entwicklung, Freizeit, Freundschaften, psychische Gesundheit, körperliche Gesundheit und finanzielle Ressourcen auswirken. Obwohl damit u. a. elementare Einschränkungen von Bildungs- und Berufschancen einhergehen, gibt es in Österreich aktuell nur wenig Bewusstsein für das Thema Young (Adult) Carers.
Young (Adult) Caring in Österreich – Zahl der Betroffenen unbekannt
Während es für die Gruppe der Young Carers (5 – 18 Jahre) durch die Forschungen von Nagl-Cupal und Kolleg:innen mit geschätzten 42.700 Young Carers erste Zahlen gibt, liegen für Young (Adult) Carers (bis 29 Jahre) bisher keine Erhebungen vor. In der aktuellen Studie des Europäischen Zentrums für Wohlfahrtspolitik und Sozialforschung wurden daher aufbauend auf Untersuchungen in Österreich und England erste Szenarien für Oberösterreich berechnet. In der Altersgruppe 16-29 Jahre liegt der Anteil von Young Carers und Young Adult Carers zwischen 9 % und 18,6 %, wodurch je nach Definition allein in Oberösterreich zwischen 21.662 und 44.791 Personen betroffen sind. Die Spannweite der Zahlen begründet sich durch unterschiedliche Definitionen und Vorgehensweisen. Bei den vorliegenden Zahlen kann von einer hohen Dunkelziffer ausgegangen werden.
Young (Adult) Carers fühlen sich im Stich gelassen
Die Analyse von Interviews mit Young (Adult) Carers zeigt: Sie fühlen sich mit ihren Aufgaben derzeit in weiten Teilen alleine und im Stich gelassen. Zwar gibt es einzelne Entlastungs- und Unterstützungsangebote, jedoch sind diese bei weitem nicht ausreichend.
“Es war vor allem ein Mangel an Informationen und entsprechender Hilfestellungen, die ich als frustrierend und belastend erlebt habe.“ (ehemalige Young Carerin)
Zudem sind bestehende Informationsangebote noch immer nicht allen (potenziell) Betroffenen bekannt (wie z. B. die Young Carer App, die im Auftrag des Sozialministeriums entwickelt wurde). Selbst wenn es eine Unterstützung durch professionelle Pflegeanbieter:innen und weitere Familienmitglieder gibt, verschwindet die Belastung dadurch häufig nicht gänzlich und sind auch in diesen Fällen Angebote notwendig.
„Meine Familie und ich haben die Großeltern bis zu deren Tod gepflegt und obwohl ich froh bin, dass ich meinen Großeltern ermöglichen konnte, das Ende ihres Lebens zuhause zu verbringen, war ich in dieser Zeit doch auch stark überfordert.“ (ehemalige Young Carerin)
Young (Adult) Caring erschwert Ausbildung und Berufseinstieg
„Und das war dann schon in der Schulzeit sehr, sehr anstrengend und zermürbend, wenn du jede Nacht irgendwie aufstehen musst, weil du der Mama aufs WC helfen musst“. (Young Adult Carerin)
Unplanbare Pflegeaufgaben in der Familie, verfügbar sein müssen – auch in der Nacht – und die damit einhergehende große emotionale Belastung sind nur einige Beispiele, wie Young Carer:innen ihre Situation beschreiben. Nicht verwunderlich ist, dass der Ausbildung nicht die volle Aufmerksamkeit geschenkt werden kann. Die familiäre Situation ist in den Ausbildungseinrichtungen oft zwar bekannt, eine echte Unterstützung fehlt jedoch häufig. Demensprechend wirkt sich die Pflegesituation auch oft auf den Schulerfolg aus.
„Würde man zwei Parallelen, zwei Zeitleisten übereinanderlegen, was mit meiner Mutter war und was mit Schule und Uni war, […] diese Schnittpunkte wären auf einer Ebene: wann war es gut, wann war es nicht gut.“ (ehemalige Young Carerin)
Zudem kann die Übernahme von Pflegeaufgaben eine Hürde bei der Integration in den Arbeitsmarkt, beim Beginn einer Ausbildung oder für die erfolgreiche Absolvierung einer weiterführenden Bildung darstellen. Eine ständige Doppelbelastung, die Gebundenheit an den Wohnort und zu wenig Zeit zum Lernen sind nur einige Gründe, warum Ausbildung und Berufseinstieg erschwert werden. Zu wenig Unterstützung für Young (Adult) Carers ist auch unter dem Blickwinkel einer steigenden Jugendarbeitslosigkeit zu betrachten. So waren im August 2023 in Österreich 60.538 Jugendliche unter 25 Jahren (+5,9 Prozent im Vergleich zum August 2022) entweder arbeitslos (29.386, +11,5 Prozent), in Schulung (22.778, +1,2 Prozent) oder auf Lehrstellensuche (8.374, +0,8 Prozent). Eine ebenso problematische Entwicklung ist der steigende Anteil an frühen Schulabgänger:innen in Österreich. So lag der Anteil junger Erwachsene zwischen 18 und 24 Jahren, die keinen Abschluss der Sekundarstufe II oder einer Lehre haben beziehungsweise aktuell in keiner Ausbildung sind, 2014 noch bei rund 7 Prozent; aktuell liegt er bei 8,4 Prozent. Dabei fehlt es jedoch an weiteren Forschungen, die den Zusammenhang mit Young (Adult) Caring im Detail untersuchen.
Young (Adult) Carers vor den Vorhang holen
Erste Zahlenschätzungen und vor allem die Schilderungen von Young (Adult) Carers zeigen, es besteht rascher Handlungsbedarf. Zwar wurden Young Carers im Regierungsprogramm der aktuellen Bundesregierung erwähnt und im Rahmen der Pflegereform 2 Aktivitäten angekündigt, eine Umsetzung, vor allem auch für die Zielgruppe der Young Adult Carers fehlt jedoch nach wie vor. Gefordert sind dabei sowohl die Bundes- und Landesregierungen, aber auch Schul- und Ausbildungseinrichtungen, professionelle Pflegeanbieter:innen und Arbeitgeber:innen. Als Start der Aktivitäten fordert die AK OÖ einen Aktionsplan Young (Adult) Carer inkl. einer umfassenden Generierung von Daten zur Ausgangslage: quantitative und qualitative Erhebung von Betroffenenzahlen und Bedarfen sowie die Ableitung von konkreten Sensibilisierungs-, Informations- und Entlastungsmaßnamen, der in allen Feldern und Kompetenzbereichen der Bundes- und Landespolitik umgesetzt wird.