Mögliche Wege zum Schulbuch als Open Educational Ressource in Österreich

04. Januar 2018

Obwohl in Österreich viel öffentliches Geld für Lernmittelfreiheit ausgegeben wird, gibt es kaum offen lizenziertes Lernmaterial im Schulbereich. Eine Studie im Auftrag des österreichischen Bildungsministeriums hat jetzt untersucht, wie Open Educational Resources in die österreichische „Schulbuchaktion“ integriert werden könnten.

Im Rahmen der „Schulbuchaktion“ werden in Österreich seit 1972 Schülerinnen und Schüler an österreichischen Schulen unentgeltlich mit Schulbüchern versorgt. Pro Schuljahr werden auf diesem Wege über acht Millionen Schulbücher ausgegeben – die Schulbuchaktion ist mit mehr als 100 Millionen Euro dotiert.

Trotz dieser substanziellen öffentlichen Investitionen in schulische Lernmittel ist in der österreichischen Schulbuchaktion eine offene Lizenzierung nicht vorgesehen. Um die Möglichkeiten für eine Öffnung der Schulbuchaktion für offene Lehr- und Lernunterlagen (Open Educational Resources, OER) näher zu untersuchen, wurde deshalb Salzburg Research mit der Erstellung einer Machbarkeitsstudie beauftragt, deren Ergebnisse kürzlich auch offiziell auf der Website des Bildungsministeriums unter Creative-Commons-Lizenz zugänglich gemacht wurden (PDF der Studie).

Die von Sandra Schön, Katharina Kreissl, Martin Ebner und mir verfasste Studie hat dabei auf Basis von Stakeholder-Interviews verschiedene Vorschläge zur Ermöglichung von OER im Rahmen der Schulbuchaktion verarbeitet, die auch als Vorbild für Empfehlungen einer parallelen Studie für NRW gedient hatten.

Dekoratives Bild © A&W Blog
© A&W Blog

Vor allem die drei Optionen C bis E würden dabei eine substanzielle Erhöhung des Anteils öffentlich finanzierter OER-Schulbücher bei gleichzeitiger Beibehaltung des Anbieterwettbewerbs ermöglichen:

  • Refundierung von OER-Schulbüchern nach Nutzung

Die zuständigen Bundesministerien könnten für die Schaffung von OER-Schulbüchern, die die Schulbuchzulassung durchlaufen haben, einen Anreiz für offene Lizenzierung setzen, indem sie entsprechend der Ergebnisse von Nutzungserhebungen die Nutzung der OER-Schulbücher im Schulunterricht refundieren.

  • Common-Option

OER-Schulbücher könnten in Form einer öffentlich ausgeschriebenen und offen lizenzierten Minimalausgabe durch das Ergänzen von (multimedialen) Materialien, beispielsweise durch Lehrer/innen oder andere Akteure, die tatsächlich vollständigen Unterrichtsunterlagen darstellen. Als Beispiel könnte im Schulfach Englisch diese rudimentäre Schulbuchversion ein Text je Einheit oder Vokabellisten sein, neue Grammatik je Einheit oder den systematischen Aufbau der Grammatik in einem Schuljahr beschreiben, aber z. B. keine Illustrationen beinhalten. In Mathematik könnte das Schulbuch alle wesentlichen Konzepte des Schuljahres und eine Auswahl typischer Übungsaufgaben beinhalten.

  • Verknüpfung der Schulbuchzulassung mit OER-Klausel

Schulbücher, die zukünftig als Exemplare über die Schulbuchaktion verkauft werden sollen, müssen demnach eine OER-Klausel erfüllen. Dieser Klausel zufolge wird definiert, dass nach einer Phase des freien Verkaufs der Schulbücher die Schulbuchverlage verpflichtet sind, die Schulbücher als OER zur Verfügung zu stellen. Eine solche Option könnte durch einen Zeitraum verwirklicht werden (z. B. nach fünf Jahren) oder auch durch einen Schwellenwert (z. B. der Verkauf von 50.000 Schulbüchern) oder eine Kombination aus beidem (z. B. der Verkauf von 50.000 Schulbüchern, jedenfalls aber nach sieben Jahren) definiert werden.

Ausblick

Inwieweit auch nur eine der entwickelten Optionen unter der neuen österreichischen Bundesregierung weiterverfolgt werden wird, ist noch nicht absehbar. Prinzipiell wären die institutionellen Voraussetzungen für mehr OER in Österreich aufgrund der hohen finanziellen Dotierung und der etablierten Verfahren der Schulbuchaktion jedenfalls gegeben.