Bildung ist der Schlüssel

16. September 2016

Wie schaffen wir es, dass aus „Geflüchteten“, aus „Fremden“, aus AsylwerberInnen und MigrantInnen ArbeitnehmerInnen in Österreich werden? Der Schlüssel dafür liegt nicht in Ein-Euro-Jobs. Bildung ist der Schlüssel. Und das gleich auf mehreren Ebenen.

Mehr Ressourcen für Spracherwerb

Das Wichtigste für das Funktionieren einer Gesellschaft ist eine gemeinsame Sprache, sich verständlich machen zu können und zu verstehen. Daher sind Deutschkurse, in denen auch die Normen, wie die österreichische Gesellschaft funktioniert, vermittelt werden, das Um und Auf.
Für solche Kurse werden wir mehr Ressourcen zur Verfügung stellen müssen als bisher, um zu verhindern, dass uns junge Menschen auf dem Integrationsweg verloren gehen. Und auch, um zu verhindern, dass die Fähigkeiten und Kenntnisse von erwachsenen Menschen verloren gehen, weil wir sie zu wenig anerkennen.
Der Taxifahrer, der in seiner Heimat Akademiker war, die Kellnerin, die wieder davon träumt, als Lehrerin arbeiten zu können, die „De-Qualifizierung“, wenn jemand eine Arbeit weit unter dem Niveau der Ausbildung annimmt, ist weder volkswirtschaftlich noch menschlich zu rechtfertigen.
Klar ist, es braucht eine Prüfung der Abschlüsse. Aber die Bürokratie sollte hier keine Schikane sein, sondern einen effizienten Weg zeigen, wie die Anerkennung der Qualifikation möglich wird.

Zum Bildungsziel begleiten

Es ist schade, dass die „Ausbildungspflicht bis 18 Jahre“ nicht auch AyslwerberInnen einschließt. Wir brauchen Angebote, die jenen, die quer in unser System einsteigen, die Teilhabe an unserer Gesellschaft ermöglichen. Da in Österreich formale Abschlüsse einen hohen Stellenwert haben, müssen wir auch in den Schulen alles tun, damit auch bei schlechten Ausgangsbedingungen gute Chancen möglich sind. Je mehr benachteiligte Schülerinnen und Schüler an einem Standort unterrichtet werden, desto höher sollten die Mittel sein, die für diese Schule zur Verfügung stehen. Nur wenn die Ressourcenzuteilung an die Anforderungen angepasst ist, kann jede Schule tatsächlich jedes Kind zum Bildungsziel begleiten.

Mehr in die Lehre

Integration ist eine große Aufgabe mit vielen Hürden. Nicht alles wird derzeit gut gemeistert. So sind etwa Lehrlinge mit einer anderen Umgangssprache als Deutsch in den Betrieben deutlich unterrepräsentiert: In den Schulen spricht jeder fünfte Schüler bzw. jede fünfte Schülerin eine andere Umgangssprache als Deutsch, unter den Lehrlingen in Betrieben ist dieser Anteil geringer.
An der Nachfrage nach Lehrstellen kann das nicht liegen. In der überbetrieblichen Ausbildung sind Jugendliche mit Migrationshintergrund mit 41 Prozent nämlich überrepräsentiert. Das heißt, in der Lehrlingsausbildung müssen wir uns mit dem Thema Migration deutlich mehr befassen und uns mit den Ursachen für dieses Missverhältnis auseinandersetzen.

Demokratie-Bildung in der Schule

Bildung bedeutet auch, dass in der Schule vermehrt Werte vermittelt werden, um eine Teilhabe in unserer Republik und Gesellschaft vorzubereiten. Kinder und Jugendliche, ob mit oder ohne Migrationshintergrund, brauchen das Rüstzeug, sich eine faktenbasierte Meinung zu bilden und diese im Rahmen der demokratischen Spielregeln einzubringen. Es braucht also eine fundierte Demokratie-Bildung und – um das gegenseitige Verstehen zu fördern – einen gemeinsamen Ethik-Unterricht für alle Schülerinnen und Schüler, unabhängig davon, wo sie geboren wurden.
In den Schulen, bei den Deutschkursen und bei der Anerkennung von Qualifikationen müssen wir ansetzen. Denn es ist besser, den Schlüssel Bildung zu benutzen, als neue Mauern und Grenzen zu errichten.

Der Beitrag ist als Kommentar in Arbeit&Wirtschaft 7/2016 erschienen. Diese Ausgabe ist dem Schwerpunkt Integration gewidmet.
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