Zuletzt waren im Juli 2016 knapp 400.000 Menschen in Österreich arbeitslos gemeldet. Nicht weil sie einen verlängerten Urlaub im Sommer machen oder gar „Geld fürs nichts tun erhalten wollen“, wie manche Politiker phantasieren. Vielmehr sind sie aufgrund des niedrigen Wirtschaftswachstums, der nicht ausreicht, um den anhaltend starken Zustrom auf dem Arbeitsmarkt zu bewältigen, ohne Arbeit. Die Pensionsreform, der starke Zuzug ausländischer Arbeitskräfte aus den EU-Ländern sowie der Arbeitsmarktzugang von Asylberechtigten verschärfen die Situation weiters. Derzeit kursieren Vorschläge, wie die Einführung von Ein-Euro-Jobs, deren arbeitsmarktpolitische Auswirkungen hinterfragt werden müssen.
Arbeitslose sind schuld?
Vorurteile, Falschinformationen bis zur Hetze dominieren Debatten über arbeitslose Menschen, die angeblich nicht arbeitswillig sind. Arbeitslosigkeit, die damit einhergehende Verarmung und soziale Ausgrenzung werden nicht als Auswirkung des fehlenden Wirtschaftswachstums und der damit einhergehenden Arbeitsmarktprobleme gesehen, sondern vielmehr als Folge individueller Defizite. Betroffene werden für ihr Schicksal verantwortlich gemacht, an den Rand der Gesellschaft gedrängt und marginalisiert. Dementsprechend fallen auch die Handlungsempfehlungen aus, sie betreffen mehrfach die Arbeitslosen und nicht den Arbeitsmarkt.
Ein-Euro-Jobs als Integrationsturbo?
Nun wird diese Debatte um einen weiteren Vorschlag erweitert: die Einführung von Ein-Euro-Jobs für Asylberechtigte und subsidiär Schutzberechtigte. Das sind Menschen, die einen positiven Asylstatus haben und in Österreich leben und arbeiten dürfen. Diese Anregung wirft zwei sehr erhebliche Fragen auf. Zum einen zeigen Studien aus Deutschland, dass Ein-Euro-Jobs die Beschäftigungschancen von arbeitslosen Personen nicht zwangsläufig steigern. Ganz im Gegenteil sinken in manchen Fällen sogar die Jobchancen, weil Menschen keine Zeit haben, um eine reguläre Beschäftigung zu finden. Ein weiterer Makel von Ein-Euro-Jobs: Hat man als Bewerber eine Zeit als Ein-Euro-Jobber im Lebenslauf, sinken automatisch die Chancen auf dem Arbeitsmarkt.
Zum anderen handelt es sich beim aktuellen Vorschlag, um die Fortsetzung einer Reihe von Diskussionen, die eine Trennung zwischen Ausländern und Inländern bezwecken. Diese Politik sollten wir spätestens seit den 1990er Jahren hinter uns gelassen haben, als damals die Ungleichheiten in der Arbeitslosenversicherung zwischen Ausländern und österreichischen Staatsbürgern vom Verfassungsgerichtshof wegen „Verstoßes gegen den Gleichheitssatz und das Diskriminierungsverbot der Menschenrechtskonvention“ aufgehoben wurde. Ähnliche juristische Bedenken zu den Ein-Euro-Jobs wurden bereits von mehreren VerfassungsrechtsexpertInnen geäußert.
Was ist mit Ein-Euro-Jobs gemeint?
Die offizielle Bezeichnung für Ein-Euro-Jobs in Deutschland lautet: “Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung”. Es handelt sich hierbei um eine mit öffentlichen Mitteln geförderte Maßnahme zur Eingliederung der Empfänger von Arbeitslosengeld II (auch Harz IV genannt) in den Arbeitsmarkt. Wobei es sich bei diesen Jobs nicht um ein Arbeitsverhältnis handelt. Arbeitslosengeld II ist in Deutschland die Grundsicherungsleistung für erwerbsfähige Personen. Betroffene müssen während dem Arbeitslosengeld-Bezug Ein-Euro-Jobs annehmen, wobei ihnen für diese Tätigkeit eine Mehraufwandsentschädigung im Ausmaß von 1,00 Euro und 2,50 Euro pro Stunde ausbezahlt wird. Davon müssen die Ein-Euro-Jobber allerdings auch ihren Mehraufwand, wie z.B. Arbeitskleidung oder Fahrtkosten, bestreiten. Wenn sie krank sind, können sie zwar zu Hause bleiben, wenngleich sie dann keine Mehraufwandsentschädigung erhalten.
Dieses Modell ist für Ein-Euro-Jobber mit vielfachen Nachteilen verbunden. Zum einen will man Arbeitslose auch gegen ihren Willen zu Tätigkeiten verpflichten. Wer sich weigert, einen Ein-Euro-Job anzunehmen, muss mit Sanktionen rechnen – dann wird die Grundsicherung entweder gekürzt oder ganz gestrichen. Zum anderen erhalten die Erwerbslosen in den Maßnahmen keinen Arbeitsvertrag, das heißt, sie gelten auch nicht als Arbeitnehmer im arbeitsrechtlichen Sinne, was wiederum Auswirkungen auf ihre Rechte und Pflichten hat. Und sie erwerben keine Ansprüche in der Renten-, Kranken- oder Arbeitslosenversicherung, obwohl sie ganz normal arbeiten.
Welche Gefahr bringen die Ein-Euro-Jobs mit sich?
In einem Bericht des Instituts für Arbeitsmarkt- und Bildungsforschung über Deutschland, wo dieses Model seit mehreren Jahren umgesetzt wird, wurde festgehalten, dass Ein-Euro-Jobs für nur wenige Langzeitarbeitslose eine geeignete Brücke zur Rückkehr in eine normale Beschäftigung darstellt. Betroffene kommen sich als “Almosenempfänger” vor, wobei sich die Meisten durch diese Maßnahmen nicht integriert fühlen. Im selben Bericht wird auch festgehalten, dass Ein-Euro-Jobs vor allem dann mit einem höheren Teilhabeempfinden einhergehen, wenn die Teilnahme auf Freiwilligkeit beruht und nicht mit Sanktionen des Jobcenters zu rechnen ist. Genau diese Sanktionen werden aber in Österreich gefordert: Bei Nichtteilnahme soll die Mindestsicherung eingestellt oder gekürzt werden.
In einer anderen Studie des selben Instituts aus dem Jahr 2011 halten die StudienautorInnen fest, die Beschäftigung in einem Zusatzjob reduziere die individuellen Beschäftigungschancen der TeilnehmerInnen durchschnittlich um rund 40 %. Auch bei dieser Studie wird festgestellt, dass Ein-Euro-Jobs vor allem dann zum Erfolg führen, wenn sie nicht bloß zur Vermeidung von Sanktionen des Jobcenters besucht werden. Daher ist es im Sinne der sozialen Teilhabe problematisch eine Maßnahme wie die Ein-Euro-Jobs gleichzeitig zur Überprüfung der Arbeitsbereitschaft einzusetzen. Man kann davon ausgehen, dass verpflichtende gemeinnützige Ein-Euro-Jobs auch für Asylberechtigte und subsidiär Schutzberechtigte in Österreich die Arbeitsmarktintegration nicht fördern würden.
Die Schlussfolgerungen aus empirischen Analysen machen weiters auch deutlich, dass der Einsatz von Arbeitslosen in Ein-Euro-Jobs negative Auswirkungen auf sozialversicherungspflichtige Beschäftigung in den Betrieben hat. Das heißt im Klartext: Ein-Euro-Jobs verdrängen sozialversicherungspflichtige Beschäftigung in den Betrieben!
Es sind keine weiteren Zwangsmaßnahmen erforderlich
Auf einen Nenner gebracht, kann man festhalten, dass es sich bei den aktuellen Vorschlägen nicht um eine differenzierte Debatte handelt. Anstelle konstruktiver Anregungen zur Arbeitsmarktintegration von Asylberechtigten und subsidiär Schutzberechtigten wird hier die Ausgrenzung dieser Gruppe vom regulären Arbeitsmarkt in den Mittelpunkt gerückt. Lässt man die Frage des Zwangs und der Sanktionen außen vor, gibt es sicher nicht wenige arbeitslose Menschen – so ist es jedenfalls in Deutschland – die nach langen Phase der Jobsuche gerne eine gemeinnützige Beschäftigung ausüben würden. Voraussetzung ist aber eine finanzielle Besserstellung sowie der gemeinnützige Sinn hinter dieser Tätigkeit. Zumal ein überwiegender Teil der freiwilligen Ein-Euro-Jobber angibt, die Tätigkeit helfe Ihnen dabei soziale Kontakte zu knüpfen und gebe ihnen das Gefühl etwas Sinnvolles zu machen.
Stattdessen sollten wir besser über einen Arbeitsmarktzugang von AsylwerberInnen sprechen. Menschen, die sich oft jahrelang im Asylverfahren befinden und nicht arbeiten dürfen, obwohl sie gerne arbeiten würden. AsylwerberInnen, NGOs und Sozialpartner sind sich in dieser Frage einig: AsylwerberInnen darf der Zugang zum Arbeitsmarkt nicht weiterhin verwehrt bleiben. Vor allem gemeinnützige Arbeit – mit Ausbildungs-Charakter und dem Ziel der Aneignung von Arbeitspraxis – würde die Arbeitsmarktintegration nach Ausstellung eines positiven Asylbescheids erheblich erleichtern und die Phasen der Arbeitslosigkeit ernsthaft verkürzen.
Tatsächlich sind die Regelungen im Arbeitslosenversicherungsgesetz sehr streng, was die Sanktionierung bei fehlender Arbeitswilligkeit betrifft. Wenn sich jemand weigert eine Beschäftigung aufzunehmen, drohen Strafen von sechs Wochen bis zu einem permanenten Verlust der Leistung. Weitere Sanktionen würde die Arbeitsmarktsituation nicht ändern. Vielmehr ist das niedrige Wirtschaftswachstum für die angespannte Situation auf dem Arbeitsmarkt verantwortlich. Eher kann die Arbeitslosigkeit durch eine investitionsorientierte Wirtschaftspolitik sowie eine aktive Arbeitsmarkt- und Arbeitszeitpolitik entschärft werden, als durch weitere Sanktionen.