Mädchen haben die Buben bei den Maturaabschlüssen überholt – das bedeutet aber nicht, dass Gleichstellung im Schulsystem erreicht ist. Das Schulsystem bringt Mädchen und Burschen immer noch auf sehr ungleiche Berufslaufbahnen. Diese wirken sich ein Leben lang in Form von Gender-Pay-Gap und Care-Gap aus. Die „unsichtbare Hand des Doing Gender“ prägt unterschiedliche Rollenerwartungen. Das differenzierte österreichische Bildungssystem verfestigt die Rollenbilder. Zwei von drei Oberstufenschüler:innen besuchen „typisch weibliche“ oder „typisch männliche“ Schulformen.
Nebenwirkungen und Langzeitfolgen
Seit Schulen koedukativ für alle Geschlechter offenstehen und Mädchen die Buben in den erreichten Bildungsabschlüssen überholt haben, ist der Diskurs über den Ungleichheitsfaktor Geschlecht innerhalb des österreichischen Schulsystems in den Hintergrund geraten. Das ist bemerkenswert, weil in der Oberstufe Schüler und Schülerinnen ganz eindeutig immer noch unterschiedliche Bildungswege wählen und diese Segregation sich langfristig auf Gleichstellungsfragen auswirkt – also umfassende Nebenwirkungen und Langzeitfolgen hat.
In der Schule geförderte Rollenvorstellungen & geteilter Arbeitsmarkt
Die geschlechtsspezifische Bildungswahl mündet in einem deutlich nach Geschlecht geteilten Arbeitsmarktmit geringerer Entlohnung von als weiblich konnotierten Tätigkeiten. Der Gender-Pay-Gapspeist sich u. a. aus geschlechtsspezifischer Berufswahl, einseitiger innerfamiliärer Aufteilung der Care-Arbeit und hoher Teilzeitquote unter den Frauen. In der Schullaufbahn erworbene und durch einschlägige Ausbildung geförderte Rollenvorstellungen festigen massiv die ungleiche Aufteilung der unbezahlten Familienarbeit.
Frauen im Bildungssystem begünstigt, Männer am Arbeitsmarkt
Über Jahrzehnte ist die Ungleichheit entlang des Faktors Geschlecht im Bildungssystem stabil dokumentiert:
Zwei von drei Schüler:innen besuchen in der Oberstufe eindeutig geschlechtsspezifisch segregierte Schulformen.
Buben sind in der dualen Berufsbildung (Lehre) überrepräsentiert.
Bei den Lehrberufen wählen Mädchen seit über 50 Jahren zum Großteil nur innerhalb von drei Berufen. Diese weisen bereits bei der Lehrlingsentschädigung schlechtere Bezahlung auf.
Buben sind in als „frauentypisch“ konnotierten Care-Berufen deutlich unterrepräsentiert.
Mädchen haben Buben im Zuge der Bildungsexpansion bei den höheren Bildungsabschlüssen überholt, bekommen am Arbeitsmarkt die erworbenen Kompetenzen aber nicht in Form höherer Entlohnung eingelöst.
In der höheren Bildung erreichen Männer nur noch den Doktoratsabschluss häufiger als Frauen.
Auch international betrachtet „scheinen Frauen im Bildungssystem begünstigt, Männer hingegen am Arbeitsmarkt“, so die OECD in Bildung auf einen Blick.
Typisch weibliche oder männliche Schulformen und Laufbahnen
Die ungleichen Besuchsquoten nach Geschlecht beginnen in Österreich in der Sekundarstufe I mit einer Überrepräsentation der Mädchen in Gymnasien und steigern sich mit fortlaufendem Alter. Die Statistik Austria spricht ab 33,3 Prozent bzw. 66,6 Prozent Besuchsquote von typisch weiblichen oder typisch männlichen Schulformen. An Polytechnischen Schulen und Berufsschulen sind Buben überrepräsentiert.