Berufsbezogenes E-Learning und die Learnings aus der Pandemie

06. Juni 2023

Die Anwendung von E-Learning in der beruflichen Aus- und Weiterbildung ist kein neues Phänomen. Neu waren im Zuge der Covid-19-Pandemie jedoch die kollektiven (Zwangs-)Erfahrungen mit Formen digitaler Wissensvermittlung. Welchen Einfluss hatte dieser abrupte flächendeckende Nutzungsanstieg nun auf die Einstellungen von Arbeitnehmer:innen gegenüber E-Learning im Berufskontext? Gibt es (nach wie vor) Rahmenbedingungen, die die Inanspruchnahme von digitalem Lernen erschweren? Eine aktuelle Studie des öibf liefert die Antworten dazu.

E-Learning unter neuen Gesichtspunkten

Vor der Covid-19-Pandemie spielte E-Learning im Berufskontext eine sehr untergeordnete Rolle. Wie vieles, änderte sich auch dieser Umstand im März 2020 nicht nur schlagartig, sondern auch flächendeckend und nachhaltig. Drei Jahre später liefert nun die Studie „Berufsbezogenes E-Learning inmitten der Covid-19-Pandemie“, durchgeführt vom Österreichischen Institut für Berufsbildungsforschung (öibf), ein differenziertes Bild der zwischenzeitlichen Entwicklungen und Auswirkungen. Im Unterschied zu bisherigen einschlägigen Forschungsarbeiten wurde dabei speziell beleuchtet, welche betrieblichen Faktoren für E-Learning förderlich bzw. hinderlich sind. Befragt wurden dafür neben Arbeitnehmer:innen und Betriebsrät:innen auch Vertreter:innen von Erwachsenenbildungseinrichtungen.

Eine Frage des Arbeitsplatzes

Die Studienergebnisse unterstreichen, wie sehr die Pandemie als „E-Learning-Booster“ fungierte. Rund drei Viertel der niederösterreichischen Beschäftigten (n = 1.003) absolvierten ihre letzte Aus- bzw. Weiterbildungsmaßnahme zwischen Juni/Juli 2021 und Juni/Juli 2022 via E-Learning. 60 Prozent von ihnen hatten bis zu Pandemie-Beginn noch keine Erfahrungen mit digitalem Lernen. Trotz dieser „Selbstverständlichung“ von berufsbezogenem E-Learning bestehen im Unternehmenskontext weiterhin diverse Ungleichheitsdimensionen im Zugang zu digitalen Qualifizierungsmaßnahmen. Grundsätzlich gilt: Je besser die betrieblichen Rahmenbedingungen, desto höher die Wahrscheinlichkeit einer Weiterbildungsteilnahme. Der jeweilige Arbeitsplatz (Berufsposition etc.) ist dafür mitentscheidend: So finden beispielsweise Angestellte (vs. Arbeiter:innen), Beschäftigte in Großbetrieben und Arbeitnehmer:innen in Unternehmen mit Betriebsrat (deutlich) privilegiertere Rahmenbedingungen vor, um E-Learning zu realisieren.

E-Learning ja, aber nicht nur und nicht immer

Jene Befragten, die ihre letzte Bildungsmaßnahme digital absolviert haben, beurteilen ihre diesbezüglichen Erfahrungen mehrheitlich (eher) positiv. Bei 60 Prozenthandelte es sich dabei um„reines“ E-Learning, in den anderen Fällen wechselten sich Online- und Präsenzeinheiten ab („Blended Learning“). Wie stark diese Verteilung dem „Zwangskontext Pandemie“ geschuldet war, offenbart die Tatsache, dass sich mehr als zwei Drittel im Wiederholungsfall die gleiche Bildungsmaßnahme entweder in Präsenz oder imBlended-Learning-Format wünschen würden. Wenn digital, dann ist für den Großteil der Beschäftigten offensichtlich Blended Learning das ideale(re) E-Learning.

Dekoratives Bild © A&W Blog
© A&W Blog

Faktoren, die E-Learning erschweren

Bei „reinem“ E-Learning wird häufig der soziale Aspekt des Lernens vermisst. Hinzu kommt die vielfach artikulierte Ansicht, dass E-Learning an pädagogische Grenzen stößt. So würde zwar (theoretische) Wissensvermittlung digital häufig gut funktionieren. Kaum bis gar nicht gelingt dies hingegen im Zusammenhang mit praktischen Fertigkeiten. Von vielen Betrieben werden gerade deshalb Präsenzveranstaltungen bevorzugt. Ein weiteres Problem von E-Learning wird darin gesehen, dass es häufiger zu Ablenkungen und Konzentrationsschwierigkeiten kommt, die eine Fokussierung auf den Lerninhalt schwierig(er) machen. Die befragten Betriebsrät:innen und Erwachsenenbildungseinrichtungen nannten darüber hinaus fehlende zeitliche Ressourcen der Arbeitnehmer:innen aufgrund (zu) hoher Arbeitsbelastung als große Hürde für die Inanspruchnahme von berufsbezogenem E-Learning.

Was E-Learning im Betrieb fördert

Gleichzeitig steht außer Streit, dass E-Learning für die betriebliche Aus- und Weiterbildung von großem Nutzen sein kann. Für eine arbeitnehmer:innenfreundliche und erfolgreiche Umsetzung sind allerdings u. a. die folgenden Faktoren zu berücksichtigen, die im Zuge der Studie identifiziert wurden:

  • Positiv ausgeprägte Weiterbildungskultur: Beschäftigte können eigene Weiterbildungswünsche einbringen und/oder Weiterbildungsbedarfe werden systematisch erhoben.
  • Förderliche Infrastruktur: Es werden vom Betrieb für alle Beschäftigungsgruppen (mobile) technische Geräte mit einer entsprechenden Ausstattung, lernförderliche, ruhige Arbeitsplätze und technische Unterstützung bereitgestellt.
  • Vollständige arbeitgeberseitige Finanzierung
  • Gewährleistung digitaler Mindestkompetenzen: Der Betrieb fördert die Entwicklung digitaler Grundkompetenzen, die für die Teilnahme an E-Learning notwendig sind.
  • Gute Integration in den Arbeitsprozess: Auch E-Learning sollte – wie Qualifizierungsmaßnahmen allgemein – zeitlich gut auf die jeweiligen Arbeitsprozesse bzw. -anforderungen der Beschäftigten abgestimmt sein.

Die bildungspolitischen Learnings

Was in den ersten Monaten nach Pandemie-Beginn bereits festgestellt werden konnte, hat die hier skizzierte Studie eindeutig bestätigt: Der Großteil der Beschäftigten möchte in Zukunft eine gut abgestimmte Mischung aus beidem – analogem und digitalem Lernen. Dieser Wunsch nach Ausgewogenheit und Wahlfreiheit ist bei der Umsetzung betrieblicher Qualifizierungsmaßnahmen und darüber hinaus auch bildungspolitisch dringend zu berücksichtigen. Neben E-Learning ist weiterhin auch die traditionelle berufliche Erwachsenenbildung strukturell und finanziell zu fördern. Auf Basis der dokumentierten Pandemie-Erfahrungen wäre jetzt jedenfalls ein guter Zeitpunkt, die Zukunft des lebenslangen Lernens in einem umfassenden „Weiterbildungsgesetz“ zu regeln und damit nachhaltig abzusichern.

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