„Arbeitswelt & Schule“ goes digital – ein Werkstattbericht

24. August 2020

Arbeitswelt & Schule fasst ein breitgefächertes Angebot der Arbeiterkammern zusammen, das Lehrkräfte bei ihrem Unterricht an Schulen unterstützt, um SchülerInnen optimal auf den Einstieg in die Arbeits- und Berufswelt vorzubereiten. Dabei handelt es sich um ein kostenloses Angebot, das von ExpertInnenvorträgen zu Arbeits- und Sozialrecht sowie VerbraucherInnenbildung und Bewerbungstrainings über gesellschaftspolitische Workshops und Planspiele bis hin zu Unterrichtsmaterialien und LehrerInnenfortbildungen reicht.

Die nicht ganz freiwillige Notwendigkeit der Digitalisierung

Konnten wir mit unserem Angebot im Jahr 2019 in Niederösterreich noch mehr als 23.000 SchülerInnen bei 720 Terminen erreichen, war aufgrund der COVID-19-Pandemie und dem daraus resultierenden Lockdown ab Mitte März eine Durchführung von Präsenzveranstaltungen nicht mehr möglich. Bis zu diesem Zeitpunkt stieg die Nachfrage nach Themen wie Datenschutz, (Cyber-)Mobbing und Fakes im Netz, die digitale Tools (im engeren Sinn Software) in Kombination mit Tablets aktiv einbinden, stetig an.

Schnell wurde offensichtlich, dass – abseits des Einsatzes von digitalen Elementen in Präsenzveranstaltungen – auch neue didaktische Designs für virtuelle Workshops entwickelt werden müssen, um Angebote auch während des Lockdowns anbieten zu können. Da für unsere didaktischen Designs die aktive Partizipation und das Empowerment der SchülerInnen im Fokus stehen, stellen wir diesen Anspruch auch an unser digitales Bildungsangebot.

Wir entschieden uns daher für das Format des Online-Workshops und gegen einen MOOC (Massive Open Online Course) oder ein klassisches Online-Seminar, da hier die partizipativen Möglichkeiten nur beschränkt bzw. nicht gegeben sind.

Zu wenig Zeit, zu viel Inhalt

Unsere Erfahrungen zeigten, dass ein Online-Workshop eine Reduktion der Inhalte und Aktivitäten benötigt. Tipp: Thema eingrenzen und sich auf einige wenige Schwerpunkte, die Sie unbedingt vermitteln möchten, fokussieren!

Sollte sich der geplante Ablauf trotzdem überladen anfühlen, wäre als Alternative die Unterrichtsmethode des Flipped Classroom eine gute Wahl. Hier werden Inhalte gezielt in eine Vorbereitungsphase ausgelagert. In der Praxis ist mit dem Lehrpersonal zu klären, ob dies organisatorisch möglich ist und wie mit auftretenden Fragen umgegangen werden soll.

Schritt für Schritt zum virtuellen Workshop

Planung
  • Step 1: Thema, Zielgruppe, Zeitplanung und Bewerbung

Das zu behandelnde Thema, die anzusprechende Zielgruppe, der genaue Zeitplan des Ablaufs (inkl. Vorbereitung und Koordination mit den Schulen) sowie die Bewerbung des Workshops müssen detailliert vorbereitet werden.

  • Step 2: Didaktisches Design

Setzen Sie nicht Lehrziele mit Lernzielen gleich! Welches Wissen, welche Fähigkeiten, welche Fertigkeiten und Kompetenzen sollen durch die Teilnahme erlangt werden? Achten Sie darauf, dass es sich hier um ein Zusammenspiel handelt, da Ihre Lehrziele nicht unabhängig von den Lernzielen sind, sondern sich im Idealfall daran ausrichten.

  • Step 3: Lernaktivitäten

Welche Aktivitäten müssen vorhanden sein und welche sind geeignet, um die formulierten Lernziele zu erreichen? Weiterführende Tipps erhält man beispielsweise durch die Lernzieltaxonomie nach Anderson & Krathwohl, welche die kognitiven Prozessdimensionen mit den Wissensdimensionen verknüpft.

  • Step 4: Auswahl digitaler Tools

Das Angebot an sogenannten E-Learning-Tools ist nahezu unüberschaubar. Ob Wortwolken, Abfragen, Quiz etc., es gibt für fast jede Lernaktivität ein geeignetes Tool. Machen Sie einen Schritt zurück und nehmen Sie sich ausreichend Zeit für die richtige Auswahl. Welche Anforderungen habe ich an die Tools? Welche Funktion müssen sie erfüllen? Wie kann ich sie einsetzen und können die SchülerInnen problemlos darauf zugreifen? Digitale Tools sollten dabei nicht das didaktische Design bestimmen, sondern dabei helfen, ein gewünschtes Konzept in Ihrem Sinne zu implementieren.

Vor der Durchführung
  • Step 5: Physischer Raum

Lassen Sie die Tatsache nicht außer Acht, dass auch im virtuellen Raum – neben (teilweise reduzierter) Mimik und Gestik – die Umgebung (Atmosphäre, Beleuchtung) und das Outfit der Vortragenden einen Einfluss auf die TeilnehmerInnen haben.

  • Step 6: Virtueller Warteraum

Es ist sinnvoll, den virtuellen Raum ca. 20 Minuten vor Beginn des Workshops freizuschalten, um bereits offene Fragen zu klären und erste Hemmschwellen abzubauen.

Technik
  • Step 7: Technik

Probleme mit der Internetbandbreite, Kameras, die ausgeschaltet sind, der Umgang mit Mikrofonen usw. stellen technische Hürden dar, die zum einen klarer Vereinbarungen (Spielregeln) bedürfen und zum anderen einen erhöhten Organisationsaufwand (durch das Einbinden der Lehrkraft vor Ort) mit sich bringen.

Bei unseren Pilotversuchen hatten wir drei Notebooks (1. Moderation, 2. Kommunikation, 3. TeilnehmerInnenperspektive) im Einsatz.

Die Durchführung
  • Step 8: Der Beginn

Gerade im virtuellen Raum helfen klare Kommunikationsregeln, auch um alle Teilnehmenden am Workshop aktiv zu beteiligen. Neben der direkten Ansprache der SchülerInnen mit ihrem Namen und dem Verweis auf die Netiquette im Internet macht es Sinn, dass man alle nötigen Partizipationsmöglichkeiten (wie Kleingruppenphasen in sogenannten „breakout rooms“) genau erklärt, die eingesetzten Tools skizziert und über Alternativen bei technischen Problemen aufklärt.

  • Step 9: Der Workshop

Ein Ablaufplan für die Vortragenden mit Zeitangaben, Infos zu Inhalten, Methoden, technischen Hinweisen sowie Anweisungen, wer was wann zu tun hat, ist auch in Online-Settings unerlässlich. Eine virtuelle Präsentationssoftware, die alle benötigten Links, Bilder, PDFs, Videos etc. bereits eingebunden hat, erleichtert das Arbeiten enorm. Gezielte Pausen und Gruppenarbeitsphasen ermöglichen online einen (wenn auch eingeschränkten) Workshop-Charakter, der u. a. von einem gemeinsamen Austausch lebt.

  • Step 10: Alternative/n und der Plan B

Gerade wenn online etwas schiefgeht, braucht es den vielzitierten Plan B. Das könnten ein alternatives Videokonferenztool oder eine Übung, Videos etc. sein. Im allerschlimmsten Fall muss im Vorhinein klar kommuniziert werden, dass ein Abbruch als Ultima Ratio immer eine Option darstellt.

Im Anschluss
  • Step 11: Reflexion und Transfer

Um das Gelernte festigen zu können, empfiehlt es sich, den Lehrkräften Links, verwendetes Material und Fragen zur Nachbearbeitung gesammelt (beispielsweise mit digitalen Pinnwänden) zukommen zu lassen.

Die Sicht des Trainers/der Trainerin

Hat man die inhaltliche sowie die technische Komponente adaptiert, bleiben gruppendynamische und psychische Aspekte bei digitalen Angeboten (oft noch) außen vor.

Technische Unzulänglichkeiten (live am Bildschirm für alle mitzuerleben) verursachen Ängste und Stress. Hier braucht es Strategien, Methoden und auch technisches Wissen, um geeignete Alternativen einsetzen zu können. Der Umgang mit unterschiedlichen technischen Fähig- und Fertigkeiten der Teilnehmenden hat auf die Beziehungsebene einen erheblichen Einfluss.

Die Durchführung eines Online-Workshops ist vor allem für Personen geeignet, bei denen technisches Interesse und Grundverständnis vorhanden ist. Es braucht Lust, Neues auszuprobieren und dafür Zeit zu investieren.

Zu zweit lehrt es sich leichter

Ein Trainer bzw. eine Trainerin moderiert den Workshop und übernimmt den Lead, der bzw. die andere kümmert sich um die Kommunikation mit den Teilnehmenden (betreut den Chat, beobachtet die Aufzeigefunktion, spielt Videos ab etc.) und behält die technische und administrative Komponente (Bandbreite, Strom, Zeit etc.) im Blick.

Idealerweise sind beide Personen inhaltlich und technisch gut aufeinander abgestimmt, sodass man sich gegenseitig unterstützen und ergänzen kann, um Qualitätsverluste oder Stehzeiten zu vermeiden.

Fazit

Online-Lehre stellt hohe Kompetenzanforderungen an die Lernenden und Lehrenden. Kommunikative Hürden in der virtuellen Welt sind nicht zu unterschätzen. Nehmen Sie sich Zeit für die Planung Ihrer Angebote und das Testen diverser digitaler Tools.

Neben den zu klärenden technischen, datenschutzrechtlichen und infrastrukturellen Fragen steht die Erreichbarkeit bei Reise- und Mobilitätseinschränkungen (vor allem in Flächenbundesländern) und die Arbeit mit der Zielgruppe im Vordergrund. Hier entstehen neue Möglichkeiten, die zwar die Präsenzveranstaltungen nicht ersetzen, aber durch den offenen und erlernten Umgang mit digitalen Tools bereichert werden können.

Creative-Commons-Lizenz CC BY-SA 4.0: Dieser Beitrag ist unter einer Creative-Commons-Lizenz vom Typ Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 International zugänglich. Um eine Kopie dieser Lizenz einzusehen, konsultieren Sie http://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/. Weitere Informationen https://awblog.at/ueberdiesenblog/open-access-zielsetzung-und-verwendung