Wenn das Einkommen der Eltern nicht reicht, um das Studium zu finanzieren, soll die staatliche Studienförderung als Ersatz dienen. Damit ist sie ein wichtiger Baustein, um die soziale Durchmischung im Hochschulsektor zu steigern. Im Regierungsprogramm 2020–2024 findet sich das recht allgemein gehaltene Vorhaben: „Ausbau der Studienförderung und Prüfung einer grundlegenden Weiterentwicklung unter Berücksichtigung der Familienbeihilfe und steuer- und unterhaltsrechtlicher Aspekte“. Diese Ankündigung nehmen wir zum Anlass, um konkrete Verbesserungsvorschläge aus ArbeitnehmerInnensicht abzugeben: unser 7-Punkte-Plan für die Studienförderung.
1) Regelmäßige Valorisierung
Die AK hat in den vergangenen Jahren immer wieder auf die sinkenden Stipendien aufmerksam gemacht und eine umfassende Reform gefordert: Die letzte größere Novelle zur Studienförderung erfolgte allerdings nicht via Gesetzesentwurf und Begutachtungsverfahren, sondern als Initiativantrag vor den Nationalratswahlen 2017. Nach fast 10 Jahren fehlender Anpassung an die Inflation war die Zahl der StipendienbezieherInnen an Universitäten und Fachhochschulen über die Jahre stetig auf circa 36.000 im Wintersemester 2016 gesunken – und das, obwohl die Studierendenzahlen insgesamt gestiegen sind. Die durchschnittliche Stipendienhöhe lag bei jenen StipendiatInnen, die bei den Eltern wohnten, bei rund 222 Euro pro Monat! (vgl. Statistisches Taschenbuch 2017, Tab. 6.5., 6.6.) Nach der Novelle 2017 stieg im darauffolgenden Wintersemester 2018 die Zahl wieder auf über 40.000 BeihilfenbezieherInnen an, die durchschnittliche Studienbeihilfe der „Nicht-Auswärtigen“ betrug knapp 340 Euro monatlich.
Imhochschulpolitischen Teil des Regierungsprogramms wird eine Valorisierung explizitleider nur im Zusammenhang mit den Studienbeiträgen erwähnt. Eine regelmäßigeAnhebung der Stipendienhöhen und des Einkommensberechnungsschemas entsprechendder Lohn- und Preisentwicklung ist jedoch essenziell, damit es nicht wieder zueinem schleichenden Abbau der Studienförderung kommt. Außerdem sollte dieIndexanpassung sämtliche Beträge im Gesetz umfassen. Beispielsweise wurden 2017die Freibeträge für unselbstständig Erwerbstätige, die bei der Berechnung derBeihilfe zum Tragen kommen, nicht erhöht.
2) SelbsterhalterInnenstipendium:Anhebungder Altersgrenze auf 40 Jahre sowie Verankerung einer „zweitenChance“
SelbsterhalterInnenstipendiensind eine Form der Förderung, bei der das Elterneinkommen ausnahmsweise keineRolle spielt. Sie sollen jenen Personen einen späteren Studieneinstiegfinanziell ermöglichen, die davor bereits mindestens vier Jahre lang gearbeitethaben. Denn gerade diese Personengruppe hatte oftmals aufgrund des sozialenHintergrunds nicht die Chance, ein Studium zu beginnen.
Ein Ziel der „Nationalen Strategie zur sozialen Dimension in der Hochschulbildung“ des Wissenschaftsministeriums ist es, im Studienjahr 2025/26 (!) rund 15.000 dieser SelbsterhalterInnen mittels Stipendium zu fördern. Dieses Vorhaben ist nicht sonderlich ambitioniert, denn im Wintersemester 2018 gab es schon circa 12.700 „SelbsterhalterInnen“. Der Durchschnittsbezug lag bei rund 9.450 Euro pro Jahr.
DieBeratungspraxis zeigt zudem, dass die Altersgrenze von 35 Jahren eine großeBildungshürde für InteressentInnen von SelbsterhalterInnenstipendien darstellt.Diese ist – trotz Maßnahmen zur Anhebung des Pensionsalters und des stetigenHinweises auf die Bedeutung des lebensbegleitenden Lernens – seit Langemunverändert und entspricht nicht mehr den Lebensrealitäten vielerArbeitnehmerInnen. Für viele Berufstätige, die sich höher qualifizieren oder„umschulen“ wollen, ist es unverständlich, wenn sie nach längerer Zeit der Erwerbstätigkeitund Steuerleistung keine finanzielle Unterstützung für ein Studium aufgrundihres Alters erhalten. Mittlerweile gibt es etliche Bachelorstudien, die nach dreiJahren eine gute berufliche Perspektive bieten, wie z. B. Gesundheits- undKrankenpflege. Selbst bei einem Abschluss mit z. B. 42 Jahren wäreimmerhin noch mit rund 20 Jahren Berufstätigkeit und entsprechenden Steuerzahlungenzu rechnen!
Der finanzielle Aufwand für diese – in der Regel hoch motivierte – Studierendengruppe ist überschaubar: Die Mehrkosten einer Erhöhung der Altersgrenze auf 40 Jahre für rund 100 Studierende pro Jahr werden à la longue auf rund 18 Mio. Euro geschätzt.
Eine weitere Bildungshürde für „SelbsterhalterInnen“ sind Vorstudienzeiten, die unabhängig von einem Studienbeihilfenbezug zur Anrechnung kommen. Hat jemand nach der Matura etwa lange Zeit „nur inskribiert“ oder kaum Prüfungen abgelegt, gibt es ein böses Erwachen, wenn diese Person nach Jahren der Berufstätigkeit später tatsächlich ein SelbsterhalterInnenstipendium beziehen möchte. Denn mangels Studienerfolgs im Vorstudium wird ihr kein Stipendium gewährt! Um derartige Härtefälle zu vermeiden, wäre es sinnvoll, eine „zweite Chance“ zu ermöglichen: Nach einer längeren Erwerbstätigkeitsphase sollten Vorstudienzeiten nicht mehr berücksichtigt werden. So könnten Studierende auch bei neuerlichem Studienbeginn unverzüglich ein SelbsterhalterInnenstipendium beziehen. Dieser Vorschlag im Sinne von Berufstätigen wurde 2019 auch von der Ombudsstelle für Studierende gemacht.
3) Erhöhung der ArbeitnehmerInnenfreibeträge
ArbeitnehmerInnenfamilien haben beim Einkommen nach wie vor weit weniger Gestaltungsmöglichkeiten als z. B. Selbstständige oder LandwirtInnen. Das schlägt sich auch in der Höhe der Studienbeihilfe nieder, wie die Grafik zeigt. Studierende aus LandwirtInnenfamilien erhalten pro Jahr dabei im Durchschnitt über 1.500 Euro mehr als jene aus ArbeitnehmerInnenfamilien.