Deutlich besser als die Eurozone, aber doch in der Krise: Österreichs Konjunktur bleibt laut heutiger WIFO-Prognose wegen gedämpfter Exportnachfrage und stagnierenden Konsumausgaben schwach. Vor allem steigt die Arbeitslosigkeit weiter und Österreich dürfte seinen EU-Spitzenplatz bei der Arbeitslosenquote bald los sein. Die Budgetkonsolidierung läuft günstiger als WIFO und Regierung erwarten, doch die exorbitanten Bankenkosten verhageln den Staatshaushalt. Was zu tun ist, liegt auf der Hand: Das Konjunkturprogramm der Regierung setzt erste wichtige Akzente durch zusätzliche Investitionen in sozialen Wohnbau, Kindergärten und Pflege. Darüber hinaus müssen nun die gescheiterte EU-Wirtschaftspolitik zum Kurswechsel gedrängt, mehr Arbeitslose in gute Beschäftigung gebracht und die geleistete Arbeitszeit auf innovative Weise verkürzt werden.
Das WIFO setzt seine Konjunkturprognose für die Jahre 2013 und 2014 neuerlich nach unten. Für heuer wird nur noch ein Anstieg des realen Bruttoinlandsprodukts um 0,4% erwartet. Einmal mehr hegen die WIFO-ExpertInnen jene Hoffnung auf eine Erholung „im nächsten Jahr“ (+1,6%), die bislang allzu oft enttäuscht wurde. Zu Recht hebt WIFO-Konjunkturexperte Stefan Schiman aber hervor, wie markant Österreichs Wirtschaft besser läuft als jene der meisten anderen Eurozonenländer: Höhere Produktion, stabilere Nachfrage, anhaltendes Beschäftigungswachstum, relativ niedriges Budgetdefizit. Doch im Vergleich mit der Vergangenheit ist die Konjunktur matt: Ein Wirtschaftswachstum von 0,4% wurde in der Vergangenheit üblicherweise als Rezession bezeichnet.
Unbewältigte Krise der Eurozone belastet heimische Wirtschaft schwer
Österreichs Wirtschaft kann sich der tiefen Finanz- und Wirtschaftskrise nicht entziehen, in deren sechstem Jahr sich die Eurozone befindet. Will die österreichische Wirtschaftspolitik aus diesem Schlamassel herausfinden, dann muss sie aktiv und offensiv einen Kurswechsel auf EU-Ebene betreiben. Die Wirtschaftskrise wurde von Banken und Finanzmärkten verursacht, verschärft wurde sie aber von der falschen, auf der neoklassischen Theorie basierenden Wirtschaftspolitik der EU. Die Sparpolitik mitten in der Krise hat zwischen drei und fünf Millionen Menschen arbeitslos gemacht, treibt die Wirtschaft tiefer in die Rezession und verhindert den Rückgang der hohen Staatsschulden. So lange nicht die Schaffung von Jobs und Maßnahmen für eine gerechtere Verteilung des Wohlstandes in Angriff genommen werden, ist die notwendige wirtschaftliche und soziale Trendwende in der Eurozone und damit auch in Österreich nicht in Sicht.
Die Rücknahme der Exportprognose wegen der Eurokrise bildet eine Ursache der Prognoserevision. Doch eine zweite kommt von der auffälligen Schwäche der Konsumnachfrage der privaten Haushalte. Sie wächst nun das dritte Jahr in Folge real um weniger als 1%, das bedeutet einen leichten Rückgang der Konsumnachfrage je Erwerbstätigen. Die Ursachen sind vielfältig: Verhaltener Anstieg der Pro-Kopf-Löhne wegen der zunehmenden Prekarisierung der Beschäftigungsverhältnisse und nahezu keine Zunahme der Zahl der Jobs für bereits im Inland befindliche Arbeitskräfte. Die Zahl der Beschäftigten wächst zwar weiterhin merklich (um 20.000 bis 30.000 pro Jahr), doch davon profitieren im Wesentlichen zusätzliche Arbeitskräfte aus Ungarn, Deutschland und anderen Ländern. So steigen zwar die Einnahmen an Abgaben zur Finanzierung des Sozialstaates, die Konsumnachfrage fällt aber zu einem erheblichen Teil nicht in Österreich an.
Kampf gegen Arbeitslosigkeit: Wichtigste Aufgabe der Wirtschaftspolitik
Der kräftige Anstieg des Angebots an Arbeitskräften führt zu einer weiteren Erhöhung der Zahl der Arbeitslosen trotz Zunahme der Jobs: 2013 liegt sie (inklusive SchulungsteilnehmerInnen) um fast 90.000 höher als zu Beginn der Finanzkrise. Die nach einheitlichen EU-Kriterien berechnete Arbeitslosenquote steigt schon heuer auf über 5% der Erwerbspersonen. Österreich dürfte seinen Platz als Land mit der niedrigsten Arbeitslosenquote bald an Deutschland verlieren. Die Umstände sind zwischen den beiden Ländern kaum vergleichbar: Zwar wächst die Zahl der Erwerbstätigen in beiden Ländern in etwa gleichem Tempo. Doch in Österreich nehmen Bevölkerung und Arbeitskräfteangebot rasch zu, während das in Deutschland nicht der Fall ist. Deshalb steigt bei uns die Arbeitslosigkeit, während sie in Deutschland fällt.
Daraus sind mehrere Schlussfolgerungen zu ziehen:
- Aktive Beschäftigungspolitik ist notwendig. Das jüngste Konjunkturprogramm der Bundesregierung ist angemessen und konzentriert sich auf die richtigen Schwerpunkte: Sozialer Wohnbau, Pflege, Kindergärten. Diese Maßnahmen setzen auf der Nachfrage- und der Angebotsseite der Wirtschaft an und kombinieren sinnvoll positive kurzfristige Beschäftigungseffekte mit langfristigen Wohlstandseffekten.
- Wir benötigen mehr Augenmerk auf die Qualität der Jobs, inklusive angemessener Entlohnung.
- Die aktive Vermittlungs- und Qualifizierungspolitik muss weiter verstärkt werden, damit die neu entstehenden Jobs in stärkerem Ausmaß durch Arbeitslose besetzt werden.
- Die Einschränkung des Arbeitskräfteangebots ist ein besonders wirksames Instrument der Verringerung der Arbeitslosigkeit. Das lehren die Erfahrungen der letzten Jahre in Deutschland wie auch die Erfolge der Kurzarbeit in Österreich. Deshalb sind moderne Formen der Arbeitszeitverkürzung wie etwa die Einführung einer sechsten Urlaubswoche notwendig.
Budget konsolidiert, Bankenkosten exorbitant
Spannend bleibt die weitere Entwicklung der Staatsfinanzen. Das WIFO prognostiziert für heuer ein Budgetdefizit von 2,3% des BIP, also gut 7 Mrd. Euro. Dies unter der Annahme, die Banken würden heuer den Staat neuerlich 1,1 Mrd. Euro kosten (nach bereits 4 Mrd. Euro 2008 bis 2012). Diese Annahme dürfte sich angesichts der Probleme von Hypo, Kommunalkredit und Volksbanken als viel zu optimistisch erweisen. Doch ohne die exorbitanten Kosten des Bankensektors ist das Budget voll auf Kurs. Das „bankenbereinigte Budgetdefizit“ dürfte 2013 zwischen 4 und 5 Mrd. Euro liegen, also deutlich weniger als vom WIFO oder der Bundesregierung erwartet. Die Budgetdaten belegen, dass eine maßvolle Budgetkonsolidierung mit einer aktiven Beschäftigungs- und Investitionspolitik vereinbar ist. Österreich ringt nicht mit einer Staatsschuldenkrise, sondern einer Bankenkrise. Daran wird sich wohl auch in den nächsten Jahren wenig ändern.
Österreich kommt besser durch die Finanzkrise als die meisten anderen EU-Länder. Doch auf diesem Erfolg darf man sich angesichts der drängenden Arbeitsmarkt- und Verteilungsprobleme nicht ausruhen. Er kann nur die sichere Basis für eine offensivere Wirtschaftspolitik sein.