In der öffentlichen Debatte wird eine Erhöhung der Mobilität von arbeitslosen Personen als DIE Lösung für den regionalen Mismatch dargestellt. Erreicht werden soll diese durch erhöhten Druck auf Arbeitssuchende. Das greift zu kurz und wirft auch die Frage auf: Wie mobil sind Österreichs Arbeitskräfte? Die Daten deuten darauf hin, dass Mobilität keine Stellschraube ist, um Arbeitslosigkeit nachhaltig zu reduzieren, und die fehlende Vollbeschäftigungspolitik der Bundesregierung nicht ersetzen kann.
Mit den jüngsten arbeitsmarktpolitischen Zielvorgaben vom 29.6.2023 greift Minister Martin Kocher unter anderem erneut ein Lieblingsthema der Wirtschaftsvertretungen auf: überregionale Vermittlung (ÜRV). Begründet wird die ÜRV mit dem sogenannten „regionalen Mismatch“. Während in manchen Bundesländern nach Arbeitskräften gesucht wird, ist die Arbeitslosigkeit in anderen Bundesländern höher – größtenteils in Bundesländern, die temporär ihren Bedarf an Saisonarbeitskräften nicht decken können. Die Lösung, die – laut Anweisung von Bundesminister Kocher – forciert werden soll, ist eine Erhöhung der Mobilitätsbereitschaft der Arbeitslosen mittels Nutzung aller Möglichkeiten, die das restriktive ALVG ja auch tatsächlich zur Verfügung stellt: sprich einer zunehmenden Sanktionierung und stärkeren Drucks in der AMS-Beratung.
Was ist eine „überregionale Vermittlung“ und wann ist sie gesetzlich zumutbar?
Hinter der „überregionalen Vermittlung“ steckt die im österreichischen Arbeitslosenversicherungsgesetz (ALVG) vorgesehene Möglichkeit, Arbeitssuchende in ein anderes Bundesland zu vermitteln. Gemäß § 9 ALVG ist eine Beschäftigung zumutbar, wenn sie in angemessener Zeit erreichbar ist – das sind zwei Stunden für den Hin- und Rückweg bei einer Vollzeitbeschäftigung. Zumutbar ist eine Beschäftigung auch, wenn eine tägliche Rückkehr an den Wohnort nicht möglich ist, aber eine entsprechende Unterkunft am Arbeitsort zur Verfügung gestellt wird.
Wer einem solchen Vermittlungsvorschlag des AMS nicht Folge leistet, verliert für vier bis sechs Wochen den Arbeitslosengeldbezug. Die gesetzlichen Bestimmungen sehen nur in wenigen Fällen vor, dass eine überregionale Vermittlung nicht zumutbar ist. Zu beachten sind aber jedenfalls gesetzliche Betreuungspflichten, die dadurch nicht beeinträchtigt werden dürfen. Diese bestehen gegenüber Kindern, aber auch gegenüber Ehepartner:innen und eingetragenen Partner:innen.
Wie mobil sind Österreichs Arbeitskräfte
Doch tatsächlich weisen Österreichs Arbeitskräfte bereits eine hohe Mobilität auf. Einen Anhaltspunkt dafür geben die Daten über die sogenannten Statuswechsel in Beschäftigung: Das sind Wechsel im Sozialversicherungsregister von Arbeitslosigkeit in Beschäftigung oder von Beschäftigung in eine andere Beschäftigung. Verknüpft man diese Wechsel mit den Regionen der Arbeitsorte bzw. der zuständigen regionalen Geschäftsstellen des AMS, so zeigt sich, dass die Österreicher:innen bereits eine hohe Arbeitsmobilität aufweisen.