Arbeiten im Homeoffice hat sich mit der Corona-Pandemie weit verbreitet. Neben Chancen resultieren aus dieser Arbeitsform aber auch Risiken für unsere psychische Gesundheit. Eine neue Expertise der Universitäten Innsbruck und Graz liefert Informationen, Handlungsansätze sowie Checklisten und zeigt mögliche Gefahren auf. Viel zu wenig bekannt ist jedoch: Arbeitgeber sind gesetzlich verpflichtet, wirksame Maßnahmen zum Schutz vor psychischen Gefahren zu setzen – das gilt auch im Homeoffice.
Gekommen, um zu bleiben
Mit der Corona-Pandemie hat das Arbeitsmodell Homeoffice großflächig in den Wohn- und Lebensbereich der Arbeitnehmer:innen Einzug gehalten. Gefühlt von einem Tag auf den anderen wurde der Küchentisch zum Schreibtisch, der Laptop zum virtuellen Meetingraum und das Handy zum unverzichtbar heißen Draht zu Kolleg:innen und Vorgesetzten. Mittlerweile ist für viele Beschäftigte Homeoffice zu einem Teil der Arbeitsroutine geworden – offensichtlich ist Homeoffice gekommen, um zu bleiben.
Und ja: Homeoffice hat zweifellos Vorteile. Fahrtzeiten fallen zum Teil weg, woraus sich ein Plus an Freizeit ergibt. Manche Arbeitnehmer:innen schätzen zudem die größere Selbstbestimmung über den eigenen Arbeitstag – verbunden mit mehr Autonomie und Handlungsspielraum. Je nach individuellen Lebens- und Wohnverhältnissen kann Homeoffice auch die Vereinbarkeit zwischen Berufs- und Privatleben erleichtern oder zu einem konzentrierteren, störungsfreieren Arbeiten verhelfen.
Psychische Gesundheit im Homeoffice im Visier
Dennoch: Oftmals zu wenig beachtet, birgt Homeoffice für unsere Gesundheit auch Risiken und Gefahren. Welche psychischen Belastungen, die sich negativ auf unser Wohlbefinden auswirken – und letztlich sogar krank machen können –, ergeben sich jedoch speziell bei der Arbeit in den eigenen vier Wänden? Zur Beantwortung dieser Frage haben Jürgen Glaser und Christian Seubert (Universität Innsbruck) sowie Bettina Kubicek und Paulino Jiménez (Universität Graz) im Auftrag der Arbeiterkammer Wien einen fachlich fundierten Blick auf die Studienlage geworfen und eine Expertise zum Thema „Psychische Gesundheit im Homeoffice“ erstellt. Diese ist jetzt auch als AK-Broschüre erhältlich und liefert Informationen, Handlungsansätze und Checklisten.
Basierend auf arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen identifizierten die Autor:innen insbesondere spezifische psychische Gefahren bzw. Risiken, die bei Homeoffice auftreten können und von den Arbeitgebern auch bei der Evaluierung psychischer Belastungen laut ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG) aktiv anzugehen sind – doch dazu später.
Nicht alles ist Gold, was glänzt
So birgt Homeoffice etwa die Gefahr des „Verschwimmens“ von Arbeit und Freizeit. Die Abgrenzung fällt bei der Arbeit von zu Hause aus ungleich schwerer, nicht zuletzt auch deshalb, weil der strukturgebende Rahmen des Büros und des Arbeitswegs wegfällt. Permanente Erreichbarkeit, weniger Pausen oder die Neigung, länger als im Büro zu arbeiten, können zum Thema werden – vor allem dann, wenn die Arbeitsmenge nicht im gesunden Einklang mit der zur Verfügung stehenden Arbeitszeit steht. Fakt ist: Im Homeoffice gelten dieselben arbeitszeitrechtlichen Bestimmungen wie bei Arbeiten im Betrieb – ohne ausreichende Regeneration drohen auf Dauer Erschöpfung oder sogar psychische bzw. körperliche Folgeerkrankungen.
Auch der fehlende unmittelbare Kontakt zu Kolleg:innen und Vorgesetzen kann Probleme verursachen: So ist (soziale) Unterstützung oft nicht direkt bzw. nur eingeschränkt verfügbar, woraus vermehrte „einsame Entscheidungen“ und Überforderung resultieren können. Abstimmungsprozesse werden erschwert, da z. B. informelle Gespräche zwischen Tür und Angel wegfallen. Vor allem bei häufigem Arbeiten im Homeoffice können Gefühle der Einsamkeit und Isolation entstehen.
Weitere psychische Gefahren sind beispielsweise die Verschlechterung kollegialer Verhältnisse, Überwachung oder auch fehlende Rückmeldungen zur Tätigkeit, Präsentismus (Arbeiten trotz Krankheit) und mangelhafte Kommunikation. Zudem werden Arbeitnehmer:innen im Homeoffice leichter „übersehen“ und in geringerem Ausmaß eingebunden, auch die Ansprüche an und Herausforderungen für Führungskräfte verändern sich durch Homeoffice beträchtlich.
Darüber hinaus können ungünstige ergonomische Rahmenbedingungen oder fehlende Arbeits- und Hilfsmittel zum Stressfaktor werden. Streikende WLAN-Verbindungen bei wichtigen Online-Meetings, ungünstige Sitzmöglichkeiten und daraus resultierende Rückenbeschwerden, zu wenig Platz im Hinblick auf die Arbeitsaufgabe oder Lärm durch Familienangehörige sind Beispiele hierfür.
Arbeitgeber in der Pflicht
Was viele nicht wissen: Abgesehen von den Regelungen, welche die Arbeitsstätte betreffen, gelten die Regelungen des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes (ASchG) auch für die Arbeit im Homeoffice. Es gilt: Arbeitgeber sind für die psychische und körperliche Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer:innen verantwortlich. Und: Arbeitgeber sind auch verpflichtet, die konkret vorliegenden psychischen Gefahren zu identifizieren und durch Schutzmaßnahmen zu beseitigen oder zumindest zu reduzieren. Vereinfacht gesagt: Sind Gefahren für die Psyche wie Entgrenzung, fehlende Arbeitsmittel, Präsentismus & Co. ein Thema, besteht für den Arbeitgeber Handlungsbedarf – die Entwicklung und Umsetzung wirksamer Gegenstrategien sind Pflicht.
Viele Informationen rund um das Thema Gesundheit und Sicherheit in der Arbeitswelt finden sich auf der Website „Gesunde Arbeit“.