Die Erfahrungen im Lockdown zeigen auch die Schattenseiten des Homeoffice-Booms auf. Bei der Arbeitsplatzgestaltung ist der Regelungsbedarf genauso offensichtlich wie in anderen arbeitsrechtlichen Themenfeldern. Graubereiche führen zu Nachteilen der ArbeitnehmerInnen und deren Gesundheit.
Im Frühjahr 2020 galt es, erstmals großflächig die Bildschirmarbeit vom Büro möglichst ins Homeoffice zu verlagern. Technisch und ergonomisch erfolgte dies auf stark unterschiedlichem Niveau. Gleichzeitig herrschte Leere in vielen Büros und diese ist teilweise geblieben. In den letzten Monaten und mittlerweile im zweiten Lockdown festigt sich diese Situation – und sie wird nicht ohne Folgen für die Zukunft bleiben. Welche langfristigen Auswirkungen sind nun aufgrund der verstärkten Homeoffice-Nutzung in Bezug auf die Gesundheit der ArbeitnehmerInnen und die Nutzungsweise von Büroarbeitsplätzen im Betrieb zu erwarten?
Digitaler Arbeitsplatz mit ergonomischer Steinzeitausstattung
Eines vorweg: Bildschirmarbeit ist im Homeoffice körperlich genauso beanspruchend wie im Büro der firmeneigenen Arbeitsstätte. Die seit Jahrzehnten bekannte Belastung von Augen, muskuläre Verspannungen in den Schultern sowie in der Wirbelsäule sind allgemein und hinlänglich als Ergebnis schlecht ausgestatteter Arbeitsplätze bekannt. Nicht umsonst werden Rückenschmerzen, Bandscheibenvorfälle, Probleme mit den Augen und der sogenannte Mausarm (Repetitive-Strain-Injury-Syndrom) Volkskrankheiten genannt. Um die Gesundheit der ArbeitnehmerInnen zu erhalten, sind an diesen Arbeitsplätzen seit Jahrzehnten aufgrund des ArbeitnehmerInnenschutzes etwa Bürodrehstühle und einstellbare Bürotische gesetzlich vorgeschrieben. Besonders Bürodrehstühle lassen sich aufgrund ihrer genormten Eigenschaften individuell einstellen und damit an die körperlichen Voraussetzungen der BenutzerInnen anpassen. Zeitgemäße ArbeitgeberInnen setzen in den letzten Jahren bei der Büroausstattung immer öfter auf Steh-Sitz-Arbeitsplätze. Hierbei kann im Sinne einer rückengerechten Verhältnisprävention abwechselnd im Stehen und im Sitzen gearbeitet werden. Dieser Positionswechsel ist mit modernen Tischen möglich und minimiert die Beanspruchung durch Bildschirmarbeit. Bei der Ausstattung von Homeoffice-Arbeitsplätzen gibt es trotz der gleichen körperlichen Beanspruchungen in den wenigsten Fällen eine professionelle Büroausstattung. Gleiches gilt oftmals auch für das technische Equipment. Dieses ist in vielen Fällen eher für mobile Arbeit und kurzzeitige Einsätze ausgelegt und entsprechend minimalistisch dimensioniert. Die Realität im Homeoffice stellen meist ein zweckentfremdeter Wohnraum, schlimmstenfalls nur ein Platz am Küchentisch und die Nutzung privater IT-Geräte dar. Gesundheitliche Probleme sind bei einer regelmäßigen und langfristigen Nutzung solch eines unergonomischen Homeoffice-Arbeitsplatzes im Keller, am Küchentisch oder auf der Esszimmercouch vorprogrammiert.
Massiver Anstieg von Muskel- und Skeletterkrankungen zu erwarten
Entsprechend dem ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG) sind Arbeitsplätze nach ergonomischen Kriterien nach dem Stand der Technik zu gestalten. Durch eine monotone Körperhaltung auf ungeeigneten Stühlen kommt es zu Fehlhaltungen und einseitigen Belastungen, Verspannungen oder zu den allseits bekannten Rückenschmerzen. Auslöser dafür sind unzureichend einstellbare Sessel und Tische. Dabei lassen sich diese Beschwerden einfach vermeiden – indem man einen Bürodrehstuhl und einen Schreibtisch verwendet, welche sich individuell anpassen lassen. Ein Bürodrehstuhl ist als Standardausstattung jedes Bildschirmarbeitsplatzes zu sehen. Ohne ihn ist ein ergonomisches Sitzen über die Dauer eines Arbeitstages kaum möglich. Weiters kann auch der Wechsel zwischen Sitzen und Stehen den Rücken entlasten. Natürlich sind im Homeoffice auch die Kriterien für einen geeigneten Raum, wo sich ein Bildschirmarbeitsplatz befinden soll, zu beachten. Wieso sollten die medizinisch begründeten Bestimmungen zum Schutz der Gesundheit im Homeoffice nicht gelten?
Homeoffice verlagert betriebliche Kosten auf ArbeitnehmerInnen
Die Digitalisierung macht Homeoffice technisch mittlerweile auch großflächig möglich. Die großen COVID-19-Homeoffice-Testphasen haben das in der Praxis eindeutig bestätigt. Die Tendenz geht nun in Richtung einer zeitweisen oder ganzen Verlagerung der Arbeit vom Büro in die eigenen vier Wände der ArbeitnehmerInnen. Wünsche und Forderungen gibt es aufgrund der ersten Erfahrungen vonseiten der ArbeitnehmerInnen als auch von Arbeitgeberseite. Offensichtlich wurde bisher, dass die Kosten für Arbeitsmittel (Büroausstattung, IT-Geräte, Betriebskosten usw.) im Großteil der Fälle auf die ArbeitnehmerInnen abgewälzt wurden. Zwei im Auftrag der AK durchgeführte IFES-Umfragen zeigen Mängel sowie die Kostenüberwälzung bei der Homeoffice-Ausstattung schonungslos auf. Im Mai 2020 hatten im Homeoffice nur knapp die Hälfte der Befragten einen Bürodrehstuhl. Zur Verfügung gestellt bekamen ihn nur 9 Prozent. Arbeitstische nutzten 61 Prozent, zur Verfügung gestellt wurden diese zu 4 Prozent.