Ein guter Job, ausreichend Zeit für die Familie, gute Kinderbetreuung, eine funktionierende Gesundheitsversorgung, eine saubere Umwelt: Eine hohe Lebensqualität ist den Menschen wichtig. Viele dieser Wünsche an einen hohen Lebensstandard sind unmittelbar in Gesetzen verankert. Im Rahmen einer neuen Regierungsinitiative ist nun jedoch eine Liste mit rund 500 Vorschlägen an die Öffentlichkeit gelangt, die zeigt, welche erschreckenden Ideen die Wirtschaftslobby zu Lebensqualitätsstandards hat.
Feigenblatt Bürokratie
Die Diskussion über Lebensstandards ist dabei leider nicht neu: Schon seit vielen Jahren machen Wirtschaftsverbände auf EU-Ebene gegen Regelungen mobil, die die Lebensqualität der Gesellschaft absichern. Um den Angriff gegen diese Standards nicht zu offensichtlich werden zu lassen, wird die Diskussion unter dem Schutzmäntelchen der Bürokratie geführt. Zusätzlich wurde der Begriff des „Gold Plating“ geschaffen, der das Bild erzeugen soll, dass es ja ohnehin nur um übertriebene Regelungen geht, die tatsächlich gar nicht notwendig wären. Infrage gestellt werden dabei nationale Schutzregelungen, die über das EU-Minimumniveau hinausgehen.
Die neue schwarz-blaue Regierung unter Bundeskanzler Sebastian Kurz geht auf den Wunsch der Wirtschaftslobby ein und hat die Kammern sowie weitere ausgesuchte InteressenvertreterInnen gebeten, bis 15. Mai 2018 Regelungen zu melden, die eine „unnötige Übererfüllung“ des EU-Mindestschutzniveaus darstellen. Das Ergebnis ist eine Liste mit rund 500 eingegangenen Meldungen. Dieses Dokument gelangte nun offenbar über einen Whistleblower an die Öffentlichkeit, die Überlegungen einzelner Wirtschaftsvertretungen schockieren dabei.
Liste des Grauens
Viele der in dem Dokument aufgeführten Punkte gehen nicht nur weit über das Ziel der Regierungsinitiative hinaus – sie zeigen auch, wie weit die Gedankenspiele einiger Wirtschaftsverbände gehen. Würden alle darin angeführten rechtlichen Regelungen tatsächlich umgesetzt, wären die Folgewirkungen dramatisch: Österreich wäre vermutlich mit einem Schlag das EU-Land mit den niedrigsten Lebensstandards. Denn die Anmerkungen, die in dem Dokument gemacht werden, betreffen viele Lebensbereiche. Die Begründung ist vielfach die gleiche: Die hohen Standards in Österreich verursachen Kosten für Unternehmen – ihr Nutzen für eine hohe Lebensqualität der BürgerInnen spielt kaum eine Rolle.
Nach dem unbeabsichtigten Bekanntwerden der Liste herrscht bei PolitikerInnen der Regierungsparteien sowie bei Wirtschaftskammer und Industriellenvereinigung helle Aufregung. Während zu Beginn PolitikerInnen hinsichtlich der Befürchtung, der bezahlte Jahresurlaub könnte reduziert werden, vereinzelt von „Lügenpropaganda“ sprachen, sahen sich Justizminister Moser sowie Wirtschaftskammer und Industriellenvereinigung zu einer Klarstellung genötigt. Im Rahmen der Gold-Plating-Initiative werde es nicht zu einem Abbau von Sozial- und Umweltstandards kommen, so Moser. Ziel sei, die überbordende Bürokratie im Zuge der Erfüllung von EU-Normen zu reduzieren. Die Wirtschaftsorganisationen ruderten ebenso zurück und beteuern, dass es sich nur um eine Materialsammlung von Vorschlägen handle, wo Österreich über der EU-Norm liege. „Niemand will die fünfte Urlaubswoche zurücknehmen oder den Mutterschutz lockern“, so ein Mitarbeiter der WKO. Tatsächlich dürften nur die wenigsten der Beispiele in der 500er-Liste tatsächlich Gold Plating im Sinne des Vorhabens des Justizministers darstellen. Auf Anfrage der Zeitschrift News nannte die Wirtschaftskammer jedoch drei konkrete Beispiele, welche Regelungen im Rahmen der Initiative gestrichen werden sollten. Demnach stehen die Mindestlohnsätze bei Entsendungen, ArbeitnehmerInnenschutzstandards und Regelungen zur Arbeitskräfteüberlassung aus Sicht der WirtschaftsfunktionärInnen zur Disposition. Angesichts solcher Forderungen bleibt zu hoffen, dass die Regierung tatsächlich bei ihrer Ankündigung bleibt und niemand die Absicht hat, Standards im Arbeits- und Sozialbereich sowie auf anderen Gebieten wie dem VerbraucherInnen- oder dem Umweltschutz zu kürzen. Selbst wenn nur ein Bruchteil der angeführten Beispiele aus der geleakten Liste im Rahmen der Gold-Plating-Initiative wirklich umgesetzt wird, sind Nachteile für die Bevölkerung zu befürchten. Noch viel schlimmer ist, dass die Beispielsammlung nun ganz klar belegt, was die WirtschaftslobbyistInnen mit den österreichischen Beschäftigten und KonsumentInnen vorhaben. Denn etliche dieser Vorschläge könnten auch erst in den kommenden Jahren im Rahmen einer anderen Initiative verwirklicht werden – auf Kosten der Bevölkerung und der Lebensqualität. Welche Überlegungen seitens der WirtschaftsvertreterInnen angestellt wurden, zeigen Beispiele aus der Beschäftigungs- und Sozialpolitik sowie dem KonsumentInnenschutz. Es gibt noch viele weitere Beispiele aus zahlreichen Bereichen wie dem Umweltschutz, Bestimmungen aus dem Gesundheits- oder dem Steuerrecht oder dem wirtschaftsrechtlichen Bereich, die in der Liste wiederzufinden sind. An dieser Stelle sei nur eine Auswahl hervorgehoben. Über 70 der in der Liste angeführten Punkte betreffen den VerbraucherInnenschutz. Welche Effekte eine Umsetzung dieser Aufstellungen haben würde, zeigt ein kurzer Auszug:
Trotz Dementi: Wird die Lebensqualität doch reduziert?
Die Gedankenspiele der Wirtschaftslobby im Detail
Beschäftigungs- und Sozialpolitik:
KonsumentInnenschutz:
Weitere Bereiche: