Auch in Zeiten von Arbeitskräfteknappheit fällt es Langzeitbeschäftigungslosen schwer, gute und dauerhafte Beschäftigung zu finden. Denn: Private Unternehmen schaffen nicht genügend geeignete Arbeitsplätze für alle Menschen in Österreich, die arbeiten wollen. Eine Jobgarantie bietet sinnvolle Beschäftigung für alle Anspruchsberechtigten, während gleichzeitig öffentliche Güter und Dienstleistungen produziert werden. Beweise dafür finden sich in Fallstudien zu Jobgarantien in Österreich und Frankreich.
Der Markt versagt
Nicht erst seit der bahnbrechenden Studie über die Arbeitslosen von Marienthal wissen wir: Arbeitslosigkeit mach krank und ist ein gesellschaftliches Problem. Menschen in Arbeitslosigkeit verlieren gesellschaftlichen Anschluss und haben ein niedrigeres Selbstwertgefühl. Arbeitslosigkeit führt zu einer höheren Sterblichkeit, höheren Raten von Alkoholismus, Resignation, Depressionen, Suiziden und Angststörungen. Hinzu kommt die Disziplinierung und Stigmatisierung arbeitsloser Personen durch neoliberale Arbeitsmarktpolitik, die auch in Österreich zunehmend mehr Fuß gefasst hat.
Arbeitslosigkeit in unterschiedlichsten Facetten ist eine ständige Begleiterscheinung unseres kapitalistischen Wirtschaftssystems. Auch in der aktuellen Phase von Arbeitskräfteknappheit sind über 250.000 Menschen in Österreich als arbeitslos gemeldet, 113.000 Personen waren im April 2023 langzeitbeschäftigungslos (d.h. über ein Jahr beim AMS gemeldet, egal ob in Arbeitslosigkeit, Schulung, oder in kurzzeitiger Beschäftigung, die in unter zwei Monaten endet). Für all diese Personen, die arbeiten wollen, schafft es der österreichische Arbeitsmarkt nicht, sinnvolle Beschäftigungsmöglichkeiten zu bieten. Schuld daran sind verschiedene Gründe: zu hohe Anforderungen oder schlechte Arbeitsbedingungen angebotener offener Stellen, gesundheitliche Einschränkungen oder Betreuungspflichten der betroffenen Personen oder schlichtweg Diskriminierung aufgrund der Herkunft, des Alters oder der Dauer der Arbeitslosigkeit. Eine öffentliche Jobgarantie kann dieses Marktversagen beheben.
Jobgarantien in Österreich und Frankreich
Eine Jobgarantie reformiert die Arbeitsmarktpolitik grundlegend. Im Vordergrund steht, für arbeitslose Personen sinnvolle Beschäftigung zu schaffen, um das Recht auf gute Arbeit effektiv zu garantieren. Die Jobgarantie ist eine für die Teilnehmer:innen freiwillige Maßnahme. Als dauerhaftes, antizyklisches Programm wäre sie ein effizienter automatischer Stabilisator. Die makroökonomische Instabilität wird reduziert, während gleichzeitig Armut und soziale Ausgrenzung durch höhere Einkommen vorheriger Arbeitsloser und durch das Bereitstellen öffentlicher Güter und Dienstleistungen für alle massiv verringert werden.
International wurde diese Idee bereits in großem Rahmen umgesetzt. Auch in Österreich und Frankreich zeigen Projekte, dass sinnvolle Beschäftigung geschaffen werden kann. In der Aktion 20.000 haben zwischen 2017 bis 2019 trotz des frühzeitigen Einstellungsstopps nach dem Regierungswechsel zu ÖVP-FPÖ über 3.800 Personen einen Job bekommen. In den ersten Monaten der Aktion hatten sich 656 Gemeinden, öffentliche Träger und NPOs gemeldet, um Personen einzustellen. Im seit 2020 laufenden Modellprojekt Arbeitsplatzgarantie Marienthal (MAGMA) des AMS Niederösterreich arbeiten bis zu 150 Beschäftigte größtenteils in einem sozialen Unternehmen oder in NPOs, z.B. in einem Projekt zur Alltagsbegleitung älterer Bewohner:innen Gramatneusiedls, in Holz- und Textilwerkstätten oder für Renovierungs- und Gartenarbeiten. In Frankreich wurden seit 2017 54 Gebiete ohne Langzeitarbeitslosigkeit gegründet („Territoires zéro chômeur de longue durée“). Bisher haben darin über 2.500 Personen in öffentlichen beschäftigungsorientierten Unternehmen neue Arbeit gefunden. Trotz unterschiedlicher gesundheitlicher, beruflicher und sozialer Hintergründe gelingt es in all diesen Projekten, sinnvolle Beschäftigung zu schaffen.
Warum werden sinnvolle Jobs geschaffen?
Mehre Erfolgsfaktoren tragen dazu bei, dass in den genannten Projekten sinnvolle Jobs geschaffen werden:
- Die Suche nach und Akkreditierung von Einrichtungen erfolgt unter Einbindung verschiedener Stakeholder wie Bürgermeister:innen, lokaler Unternehmen, zukünftiger Angestellter und der örtlich zuständigen Arbeitsmarktverwaltungen. In Frankreich wurde dafür in jedem Gebiet ein Beschäftigungskomitee gegründet.
- Die Arbeitsmarktneutralität (die Jobgarantie soll keine Privatunternehmen verdrängen) wird vor Ort ausverhandelt, z. B. unter Einbeziehung der Sozialpartner:innen.
- Die Einsatzgebiete sind breit gestreut, solange sie soziale oder ökologische Kriterien erfüllen.
- Die Teilnehmer:innen haben häufig die Möglichkeit, Projekte oder Jobs selbst auszuwählen oder mitzugestalten. Zudem durchlaufen viele Teilnehmer:innen Vorbereitungsmaßnahmen und werden während ihrer Teilnahme beraten und begleitet.
- Die Jobs werden entweder kollektivvertraglich oder zu einem Mindestlohn entlohnt.
- Die Finanzierung ist länger als bei Transitarbeitsplätzen gesichert. In Frankreich erhalten alle Angestellten unbefristete Arbeitsverträge.
Österreich hat im Übrigen auch in anderen Bereichen Erfahrung mit garantierter Beschäftigung in sozialen und ökologischen Bereichen: Allein 2022 haben 14.370 junge Österreicher statt eines Wehrdienstes Zivildienst geleistet. Die Einsatzgebiete (z. B. im Rettungswesen, in der Kinderbetreuung oder an KZ-Gedenkstätten) werden im Nationalrat bestimmt, die Einrichtungen selbst von den Ämtern der Landesregierung vor Ort akkreditiert. Die Zivildienstserviceagentur wiederum kümmert sich um das Matching zwischen Zivildienern und Einrichtung – 80 % der Zivildiener kommen dabei entweder in ihrer Wunscheinrichtung unter oder sind im gewünschten Einsatzgebiet tätig.
Wie eine Jobgarantie in Österreich aussehen kann
Eine Jobgarantie in Österreich ist auch bei Arbeitskräfteknappheit ein Gebot der Stunde. Denn vielen Langzeitarbeitslosen bleibt am österreichischen Arbeitsmarkt trotz offener Stellen eine sinnvolle Beschäftigung verwehrt. Das gilt auch für Menschen mit Behinderung, deren mangelnde Integration am Arbeitsmarkt seit Jahren angeprangert wird. Eine Jobgarantie verringert nachweislich Armut und ist finanzierbar.
Wenn der politische Wille da ist, können sinnvolle Jobs für alle, die arbeiten möchten, geschaffen werden. Dafür können im ersten Schritt im Nationalrat Einsatzgebiete definiert werden (z. B. im Bereich sozialökologische Transformation, Alltagsbegleitung mobilitätseingeschränkter Personen etc.). In einem zweiten Schritt können lokale Räte geschaffen werden, in denen Stakeholder (AMS, Gemeinden oder Bezirksämter, Sozialpartner:innen, Arbeitslosen-Vertreter:innen) gesellschaftlich notwendige und gewünschte Tätigkeiten identifizieren und Projekte entweder akkreditieren oder selbst initiieren. Für die Teilnehmer:innen sind ordentliche Arbeitsverträge (idealerweise unbefristet) mit kollektivvertraglichen Mindestlöhnen sowie Beteiligungsmöglichkeiten in der konkreten Ausgestaltung der Projekte essenziell, damit die Jobgarantie nicht zu einer weiteren Aktivierungsmaßnahme wird. Für bestimmte Zielgruppen können eigene Programme geschaffen werden – dafür gibt es historische Beispiele wie das Civilian Conservation Corps in ländlichen Gegenden oder die National Youth Administration für junge Arbeitslose in den USA der 1930er-Jahre. Das Matching zwischen Arbeitslosen und den Jobgarantie-Projekten kann entweder lokal oder über eine intensive Beratung und Betreuung des AMS erfolgen. Die beschriebenen Projekte zeigen: Eine Jobgarantie schafft sinnvolle Beschäftigung.