Eine öffentliche Jobgarantie ist ein effektives Mittel, Vollbeschäftigung zu schaffen. Beispiele aus den USA, Argentinien und Indien zeigen, dass eine Jobgarantie funktionieren und gesellschaftlichen Mehrwert bringen kann: Durch eine Jobgarantie können öffentliche Güter und Dienstleistungen bereitgestellt werden, die allen nützen. Die demokratische Beteiligung benachteiligter Gruppen kann erhöht werden. Eine Jobgarantie reduziert Armut und verbessert die Gesundheit und das Selbstwertgefühl der TeilnehmerInnen.
Beispiel USA: Jobgarantie bringt öffentliche Güter und Dienstleistungen
Als Reaktion auf die Weltwirtschaftskrise der 1930er-Jahre schuf die Regierung von US-Präsident Franklin D. Roosevelt massenhaft öffentliche Jobs. Diese sollten nicht nur die wirtschaftliche Erholung stützen, sondern insbesondere die grassierende Armut bekämpfen. Im Schnitt beschäftigten die Programme des „New Deals“ 34 Prozent der Arbeitslosen, zu Spitzenzeiten waren es 50 bis 70 Prozent. Allein für die Works Progress Administration (WPA), das größte Programm, arbeiteten zwischen 1935 und 1943 über acht Millionen Menschen.
Die Programme des New Deals versorgten die Öffentlichkeit mit einer beeindruckenden Fülle an Gütern und Dienstleistungen. Über eine Million Kilometer neue Straßen, 78.000 Brücken und 125.000 Gebäude wurden gebaut. Schulkindern wurden 900 Millionen warme Mahlzeiten serviert, und durch die Programme konnten 1.500 zusätzliche Kindergärten betrieben werden. Kunst und Kultur wurden ebenfalls unterstützt: MusikerInnen, die über die WPA angestellt wurden, spielten 225.000 Konzerte vor 150 Millionen ZuschauerInnen. Kabaretts, Puppentheater und Zirkusse erreichten 30 Millionen Menschen, und in Summe entstanden 475.000 Kunstwerke und 276 Bücher. Das Civilian Conservation Corps pflanzte zwischen 1933 und 1942 2,3 Milliarden Bäume.
Präsident Roosevelt scheiterte am Parlament, eine Jobgarantie nach dem Zweiten Weltkrieg durch eine „economic bill of rights“ dauerhaft zu verankern. Seine politischen Ansichten fanden jedoch in die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte Einzug, an deren Ausarbeitung seine Witwe Eleanor Roosevelt maßgeblich beteiligt war: In Artikel 23 wurde das „Recht auf Arbeit, auf freie Berufswahl, auf gerechte und befriedigende Arbeitsbedingungen sowie auf Schutz vor Arbeitslosigkeit“ verankert.
Beispiel Argentinien: Jobgarantie und zielgerichtete lokale Beschäftigung
In Argentinien führte eine durch neoliberale Strukturanpassungsprogramme mitverursachte Finanzkrise 2001 zu massiver Arbeitslosigkeit und Armut. Die Regierung führte daraufhin 2002 eine eingeschränkte Jobgarantie ein, um den Kollaps der Wirtschaft zu verhindern und Haushaltseinkommen zu stabilisieren. Die Jobgarantie richtete sich an Haushalte mit Kindern unter 18 Jahren, Personen mit Behinderung und schwangere Frauen. Anspruchsberechtigt war jeweils eine Person pro Haushalt (der/die VorsteherIn des Haushalts). Zusätzlich wurde die Jobgarantie nach Forderungen von Gewerkschaften um eine Ausbildungsgarantie ergänzt, da viele TeilnehmerInnen einen niedrigen formalen Bildungsstand hatten.
Das Programm wurde innerhalb weniger Monate entwickelt und implementiert. Kurz nach seiner Einführung wurden bereits zwei Millionen Arbeitslose beschäftigt – 13 Prozent der Erwerbsbevölkerung. Extreme Armut wurde reduziert. Frauen profitierten besonders von der Maßnahme: Sie stellten 2005 fast drei Viertel der TeilnehmerInnen. Die hohe Beteiligung armer Frauen am Programm war manchen jedoch ein Dorn im Auge. Statt der Jobgarantie wurde daher ab 2005 ein großzügigeres Kinderbeihilfe-Programm eingeführt. Diese Maßnahme war zwar effektiver gegen Kinderarmut (auch, weil die Jobgarantie-Gehälter nie erhöht wurden), nahm armen Frauen jedoch die von ihnen bevorzugte Möglichkeit der Selbstermächtigung durch den Zugang zu gemeinnütziger Lohnarbeit. Im Zuge der wirtschaftlichen Erholung Argentiniens wurde das Programm von 2006 bis 2010 schrittweise abgeschafft.
Zwei zentrale Erfolgsfaktoren lassen sich für das argentinische Programm ausmachen:
- Niederschwellig und unbürokratisch: Arbeitslose Personen aus anspruchsberechtigten Haushalten konnten sich unkompliziert in einer nationalen Datenbank registrieren. Bedingung für die Teilnahme war, dass die Kinder des Haushalts für den Schulbesuch registriert und geimpft sind. Das Programm unterschied sich damit von neoliberalen Workfare-Programmen, bei denen Arbeitslosen häufig individuelle Schuld an Armut und mangelnder Unternehmergeist vorgeworfen wird. TeilnehmerInnen fühlten sich respektiert und fähig, sich in ihrer Gemeinschaft einzubringen.
- Bedürfnisse lokaler Gemeinden als Basis: Jobs wurden zu 60 bis 80 Prozent von der Bundesregierung finanziert, 87 Prozent der TeilnehmerInnen arbeiteten jedoch in lokalen gemeinnützigen Projekten, welche von lokalen Beiräten vorgeschlagen, gestaltet und implementiert wurden. Diese dezentrale demokratische Herangehensweise ermöglichte auch die Partizipation sozialer Gruppen in lokalen Entscheidungsprozessen, die zuvor in der Politik marginalisiert wurden.
Beispiel Indien: Jobgarantie und Reduktion ländlicher Armut
In Indien wurde 2006 eine Jobgarantie für den ländlichen Raum eingeführt. Der „Mahatma Gandhi National Rural Employment Guarantee Act“ garantiert jedem ländlichen Haushalt 100 Tage bezahlte Hilfsarbeit im Umkreis von fünf Kilometern des Haushalts pro Jahr.
Die indische Jobgarantie war insbesondere auch während der COVID-19-Krise eine wichtige Stütze der Sozialpolitik: Zwischen 1. April 2020 und 30. März 2021 nahmen 112 Millionen Personen – also etwa acht Prozent der Gesamtbevölkerung – aus 76 Millionen Haushalten am Programm teil, durchschnittlich wurden 52 Tage Beschäftigung pro Haushalt in den Gemeinden geschaffen.
Das Programm stärkt nachweislich die Ernährungssicherheit, ermöglicht Haushalten, geringe Geldsummen zu sparen, und verringert Depressionen in ländlichen Haushalten. Aus Geschlechterperspektive hat die Jobgarantie positive Effekte auf die Erwerbsquote von Frauen: Im Programm selbst wurden 2020 53 Prozent aller geleisteten Tage von Frauen in Anspruch genommen.
Was wir aus den drei Beispielen lernen können
Auch in Österreich kann eine Jobgarantie ein effizientes Mittel sein, Armut zu verringern und das „Recht auf Arbeit“ abzusichern. Folgende Lehren können aus den Beispielen aus den USA, Argentinien und Indien gezogen werden:
- Eine Jobgarantie kann gesellschaftlichen Mehrwert schaffen, der in jeder Gemeinde spürbar ist. TeilnehmerInnen können in Kommunen und gemeinnützigen Einrichtungen z. B. an sozialen und ökologischen Initiativen oder Bildungsprojekten mitwirken.
- Jobs sollten an den Orten geschaffen werden, an denen sich Arbeitslose und Bedürftige befinden. So können strukturschwache Regionen gestärkt werden, und TeilnehmerInnen werden in ihrem jeweiligen sozialen Umfeld unterstützt.
- Arbeitslose und armutsgefährdete Personen sollten möglichst niederschwellig und freiwillig am Programm teilnehmen können. Jobs müssen sich an den Bedürfnissen der TeilnehmerInnen orientieren und sollten mit begleitenden Trainings und Schulungen ergänzt werden.
- Eine Jobgarantie kann zentral finanziert und gleichzeitig lokal demokratisch entwickelt und implementiert werden. Das stärkt die lokale Beteiligung und ermächtigt TeilnehmerInnen, an politischen Entscheidungsprozessen teilzuhaben.