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An etwa der Hälfte der Arbeitsplätze wird der gesetzliche Grenzwert nicht eingehalten, und in über 60 Prozent der Fälle werden die Verzeichnisse bezüglich der exponierten ArbeitnehmerInnen nicht geführt.
Besonders bedenklich stimmt der Zustand, dass in elf Prozent der Betriebe (in der zweiten Welle der Betriebsbesuche) nicht einmal bekannt war, dass von ihnen krebserzeugende Arbeitsstoffe verwendet werden. Gerade das Wissen um die Gefährlichkeit sowie die Art und Höhe der Exposition stellt aber die Basis für alle Schutzmaßnahmen dar, wie ausreichende Absaugung, Hygienemaßnahmen, persönliche Schutzausrüstung oder eine entsprechende Unterweisung.
Die zentrale Expositionsdatenbank – ein zeitgemäßes Werkzeug
Hier setzt die Idee der digitalen zentralen Expositionsdatenbank in Österreich an. Die Digitalisierung der Daten zur Exposition und die Zentralisierung ihrer Aufbewahrung sollen die Prävention sowie die Anerkennung von Berufskrankheiten (BK) unterstützen.
Aus Mitteln des Digitalisierungsfonds Arbeit 4.0 der AK Wien wurde eine Machbarkeitsanalyse zur Erstellung einer digitalen zentralen Expositionsdatenbank finanziert. Sie wurde vom Interdisziplinären Forschungszentrum für Technik, Arbeit und Kultur (IFZ) in Graz in Kooperation mit der AK Wien von August 2019 bis Januar 2021 durchgeführt. Ziel der Studie war es, die aktuelle Praxis beim Umgang mit den Verzeichnissen und Aufzeichnungen zu exponierten ArbeitnehmerInnen zu erheben, die Anforderungen an eine digitale zentrale Expositionsdatenbank zu erfassen und einen Entwurf für die Expositionsdatenbank zu erstellen. Neben leitfadengestützten ExpertInneninterviews wurden Workshops mit MitarbeiterInnen von Betrieben durchgeführt, die dort für den ArbeitnehmerInnenschutz als Sicherheitsfachkräfte, als ArbeitsmedizinerInnen oder als Betriebsräte tätig waren. Die Machbarkeitsanalyse wurde von einer Steuerungsgruppe mit den relevanten Stakeholdern begleitet.
Überblick zur aktuellen Situation
Arbeitgeber (AG) müssen die Gefahren beurteilen, die am Arbeitsplatz etwa aufgrund der Verwendung von Arbeitsstoffen bestehen. Zudem müssen sie folgende Daten dokumentieren (Dokumentationspflicht):
- Verzeichnisse der ArbeitnehmerInnen (AN), die der Einwirkung von KMR-Stoffen oder biologischen Arbeitsstoffen der Gruppe 3 oder 4 oder der Lärmeinwirkung ausgesetzt sind.
- Aufzeichnungen für die AN, für die Eignungs- und Folgeuntersuchungen laut der Verordnung über die Gesundheitsüberwachung am Arbeitsplatz (VGÜ) erforderlich sind.
AG sind verpflichtet, jedem AN Zugang zu den ihn betreffenden Daten zu gewähren (Aushändigungspflicht) und die oben genannten Daten nach Beendigung der Exposition an die UV-Träger zu übermitteln (Meldepflicht). Die UV-Träger sind verpflichtet, die Daten mindestens 40 Jahre lang aufzubewahren (Aufbewahrungspflicht).
Die praktische Umsetzung dieser rechtlichen Anforderungen lässt Verbesserungspotenzial erkennen. Schätzungen zufolge führt jeder zweite Betrieb, der Verzeichnisse zu Arbeitsstoffen führen müsste, diese Verzeichnisse nicht. Bei den Betrieben, die Verzeichnisse führen, scheint es in Bezug auf die dokumentierten Daten zum Teil größere Unterschiede zu geben. Zudem meldet ein Großteil der Betriebe die Verzeichnisse nicht an den Unfallversicherungsträger. Diese bewahren die Meldungen auf, in der Regel aber noch nicht in einer Form, die es erlauben würde, die Daten einer sinnvollen Nutzung zuzuführen. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die derzeitige Situation keinen der Beteiligten zufriedenstellen kann.
Ziele und Vorteile einer Expositionsdatenbank
Nachfolgend sind die Ziele der Expositionsdatenbank, der Datenschutz und die Vorteile für Arbeitgeber dargestellt. Einige dieser Aspekte wurden in Anlehnung an die deutsche Expositionsdatenbank entwickelt. Überhaupt besteht ein wesentlicher Vorteil für die Planung der Datenbank darin, dass seit 2015 in Deutschland eine vergleichbare Expositionsdatenbank betrieben wird. Durch den Blick darauf und auf die dabei gesammelten Erfahrungen kann die Entwicklung der Expositionsdatenbank in Österreich ganz wesentlich profitieren.
Bei den Interviews und Workshops wurden folgende Ziele der Expositionsdatenbank deutlich:
- Unterstützung bei der zielgenauen Prävention durch die wissenschaftliche Auswertung aggregierter Daten, z. B. Informationen zu den häufigsten krebserregenden Arbeitsstoffen
- Beitrag zur Sensibilisierung der AG und AN für die Gesundheitsgefährdung durch die Exposition gegenüber bestimmten Arbeitsstoffen
- Erleichterung für AN, Daten zur Expositionsgeschichte zu erhalten
- Erkennen von bislang nicht bekannten Zusammenhängen zwischen Erkrankungen und Exposition gegenüber Arbeitsstoffen durch die wissenschaftliche Auswertung aggregierter Daten
- Unterstützung der UV-Träger im Zuge konkreter BK-Feststellungsverfahren durch schnelle Verfügbarkeit der Daten der Gemeldeten
- Erleichterung für die Betriebe, ihre gesetzlichen Dokumentationspflichten zu erfüllen
Einigkeit bestand bei den Stakeholdern dahingehend, dass dem Datenschutz höchste Priorität beizumessen ist.
Die Einrichtung einer digitalen zentralen Expositionsdatenbank bietet folgende Vorteile:
- Präzisierung und Klärung, welche Daten zur Exposition von AG zu dokumentieren sind.
- Die Betriebe erhalten eine automatische Bestätigung, dass ihre Meldung beim UV-Träger eingegangen ist bzw. welcher aktuelle Meldungsstand vorliegt.
- Der Betrieb kann auf das Führen firmeneigener Listen im Zusammenhang mit den Expositionsdaten verzichten und sämtliche Aufzeichnungen direkt in der Datenbank selbst vornehmen.
- Die Betriebe sollten ihre Aushändigungspflicht an die Betreiber der Expositionsdatenbank übertragen können.
- Bei neuen oder überlassenen AN kann der Betrieb über den AN an Informationen aus der Datenbank gelangen, z. B. ob die notwendigen Untersuchungen durchgeführt wurden.
Allein durch ihre Existenz besitzt die Expositionsdatenbank das Potenzial, zur Sensibilisierung von Arbeitgebern und ArbeitnehmerInnen gegenüber gesundheitsgefährdenden Arbeitsstoffen beizutragen.
Fazit: Digitalisierungschancen nützen – Menschenleben retten
Die Digitalisierung bietet grundsätzlich die Möglichkeit, Meldeverpflichtungen zentral zusammenzuführen und somit zu erleichtern. Die Modernisierung der Meldeverpflichtung von krebserzeugenden Arbeitsstoffen und deren langfristige Aufbewahrung ist überfällig. Die Anzahl der arbeitsbedingten Krebserkrankungen und der teils sorglose betriebliche Umgang mit diesen Arbeitsstoffen zeigen, dass hier dringender Handlungsbedarf besteht. Eine zentrale Datenbank kann die Anerkennung von Berufskrankheiten objektivieren, und vor allem könnten in Zukunft aus aufbereiteten Daten zielgerichtete Präventionsmaßnahmen abgeleitet werden. Dieser Datenschatz muss rasch gehoben werden, um in Zukunft arbeitsbedingten Krebs zu verhindern und Leben zu retten.
Weiterführende Informationen:
- Forderungen der Arbeiterkammer zu krebserzeugenden Arbeitsstoffen:
Arbeitsbedingten Krebs verhindern | Arbeiterkammer Wien
Gefährliche Arbeitsstoffe | Arbeiterkammer Wien
Broschüre arbeitsbedingte Krebserkrankungen
Bericht des Schwerpunktes krebserzeugende Arbeitsstoffe
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