Die türkis-blaue Bundesregierung ist Geschichte, noch bevor sie annähernd in die Zielgerade der Legislaturperiode einbiegen konnte. Was bleibt, sind eine Vielzahl an unsozialen und arbeitnehmerInnenfeindlichen Gesetzen, wie beispielsweise die Möglichkeit zur Ausdehnung der Arbeitszeit. Diese Änderung musste allerdings zwangsläufig zu einer Neubeurteilung bestehender Grenzwerte für gefährliche Stoffe am Arbeitsplatz führen, welche nun – etwas verzögert – auch umgesetzt wird.
„Speed kills“
Als ob das türkis-blaue Regierungsteam geahnt hätte, dass ihm nicht viel Zeit bleibt, wurden tiefgreifende Reformen in Höchstgeschwindigkeit auf den Weg gebracht. Aus ExpertInnensicht kann hier vieles nur als überhastet und wenig durchdacht bezeichnet werden. Der 12-Stunden-Tag etwa wurde in einer Nacht-und-Nebel-Aktion per Initiativantrag durch das Parlament geboxt.
Während der Boulevard diese „Dynamik“ weitgehend feierte, wurden die kritischen Anmerkungen vieler ExpertInnen in der Praxis bald virulent. Ein Beispiel betrifft die verschiedenen Grenzwerte am Arbeitsplatz, welche bisher gesetzlich auf einen 8-Stunden-Tag festgelegt waren. Bei längeren Arbeitszeiten stellte sich schlicht die Frage, an welchen Grenzwerten sich Betriebe und Beschäftigte künftig orientieren sollten. Schließlich handelt es sich häufig um gefährliche, krebserzeugende Arbeitsstoffe. „Speed kills“, hatte Andreas Khol (ÖVP) einst seiner Partei während des ersten fehlgeschlagenen schwarz-blauen Experiments ausgerichtet. Dies scheint auch hier zu gelten.
Erlass zu Grenzwerten
Nun sind krebserzeugende Arbeitsstoffe der aktuelle Schwerpunkt der europäischen Kampagne für Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz. Neben der Arbeiterkammer und dem ÖGB befassen sich auch die AUVA und die Arbeitsinspektion eingehend mit der Thematik. Die auf fundierter wissenschaftlicher Einschätzung beruhende erschreckende Zahl von über 1.800 arbeitsbedingten Krebstoten jährlich in Österreich wurde medial häufig aufgegriffen und konnte somit auch von der ehemaligen Regierung nicht gänzlich ignoriert werden.
Vom Bundesministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz (BMASGK) wurde deshalb Mitte Februar ein Erlass bezüglich der Vorgehensweise bei der Anpassung von Grenzwerten an alle Arbeitsinspektorate ausgegeben. Neben gefährlichen Arbeitsstoffen werden darin auch die Grenzwerte von Vibrationen und optischer Strahlung behandelt. Für chemische Arbeitsstoffe soll künftig ein Reduktionsfaktor entlang der Tagesarbeitszeit nach dem Modell von Brief und Scala errechnet werden. Entsprechend der Formel, welche diesem Modell zugrunde liegt, ergibt sich bei Ausdehnung der Arbeitszeit von acht auf zwölf Stunden, also um 50 Prozent, eine Reduzierung des Grenzwertes (exakt: des Tagesmittelwertes) um die Hälfte.
Beispiele für Arbeitszeiten und die sich daraus ergebenden Reduktionsfaktoren: