Das Ausgrenzungsrisiko auf dem österreichischen Arbeitsmarkt ist im EU-Vergleich sehr hoch. Wie der Arbeitsmarktmonitor des WIFO zeigt, liegt Österreich europaweit im Schlussfeld. Problematisch sind vor allem die 2024 erhöhte Arbeitslosigkeit und dadurch höhere Langzeitarbeitslosigkeit. Weitere Probleme sind die niedrigere Erwerbsbeteiligung und das Arbeitszeitausmaß von Frauen. Die aktive Arbeitsmarktpolitik ist ein wichtiger Hebel, um der Ausgrenzung auf dem Arbeitsmarkt entgegenzuwirken. Schulungen und Umschulungen helfen (Langzeit-)Arbeitslosigkeit zu bekämpfen, indem sie ausgrenzungsgefährdete Gruppen, wie Frauen, ältere und migrierte Personen den (Wieder-)Einstieg in den Arbeitsmarkt erleichtern. Deshalb braucht es mehr Mittel für Aus- und Weiterbildung statt der von der Bundesregierung geplanten Kürzungen im AMS-Förderbudget.
Hohe Ausgrenzungsrisiken auf dem österreichischen Arbeitsmarkt
Der Arbeitsmarktmonitor wird seit 10 Jahren von der AK Wien in Auftrag gegeben, um die Entwicklungen auf den Arbeitsmärkten in Europa zu beobachten. Dafür werden vom WIFO jährlich 60 Indikatoren, die in fünf Bereichsindizes zusammengefasst werden, für die 27 EU-Mitgliedsstaaten ausgewertet und verglichen. Leider sind die Befunde für den österreichischen Arbeitsmarkt zunehmend ernüchternd: Österreich schneidet im Vergleich zu den anderen EU-Ländern schlecht ab und befindet sich in manchen Bereichen mittlerweile sogar im Schlussfeld. Das betrifft vor allem den Bereichsindex „Ausgrenzungsrisiken am Arbeitsmarkt“, in dem Österreich auf Platz 19 von 24 verglichenen Ländern liegt.
Dieser Index besteht aus 20 Indikatoren, die den Zugang zum und den Verbleib am Arbeitsmarkt ermöglichen. Hier fließen besonders der Bildungsstand und die Kinderbetreuungsinfrastruktur ein. Mit diesen zentralen Bereichen lassen sich aus der WIFO-Analyse insbesondere zwei Hebel für eine Linderung der Ausgrenzungsrisiken identifizieren: die Aus- und Weiterbildungs- und die Kinderbetreuungsinfrastruktur auszubauen.
Das Problem der Ausgrenzung besteht bereits seit Längerem, wie auch Analysen des Bundesministeriums im Nachgang der Corona-Krise zeigen. Höhere Ausgrenzungsrisiken sind insbesondere für Frauen, migrierte, ältere oder gesundheitlich eingeschränkte Personen seit Langem wissenschaftlich nachgewiesen. Die Gründe der Benachteiligung von Frauen auf dem Arbeitsmarkt liegen in der Ungleichverteilung von Sorgearbeit. Frauen verrichten fast doppelt so viel unbezahlte Sorgearbeit wie Männer. Da es schwierig ist, Arbeit und Kinderbetreuung zu vereinbaren, ist die Erwerbsposition von Frauen oft schlechter. So arbeiten 20 Prozent der Frauen und 10 Prozent der gesamten Arbeitnehmer:innen aufgrund von Betreuungspflichten in Teilzeitbeschäftigung. Diese Anteile sind dreimal so hoch wie im EU-Durchschnitt.
Mit 46 Prozent hat die größte Gruppe der Arbeitslosen maximal Pflichtschulabschluss. Expert:innenorganisationen sind sich einig, dass abgeschlossene Ausbildungen erfolgreich vor Arbeitslosigkeit und ihren negativen Folgen schützen. Die Herausforderungen an die aktive Arbeitsmarktpolitik sind vielfältig: Neben der Bekämpfung von Jugend- und Langzeitarbeitslosigkeit, der Gleichstellung der Geschlechter auf dem Arbeitsmarkt gilt es auch, Arbeitnehmer:innen und -suchende für Green Jobs, für die sozial-ökologische Transformation zu qualifizieren. Um ausgrenzungsgefährdete Personen aus Arbeitslosigkeit herauszuholen und gleichzeitig Potenziale für die Zukunft zu nutzen, braucht es eine qualitativ hochwertige Beratung, Vermittlung und insbesondere umfassende Schulungsangebote.
Die geplanten Kürzungen des Förderbudgets des AMS verschärfen die Ausgrenzungsgefahr
Trotz steigender Arbeitslosenzahlen und dieser strukturellen Probleme auf dem Arbeitsmarkt wird das AMS-Förderbudget 2025 um rund 95 Millionen Euro gekürzt. Gleichzeitig hebt die Teuerung die Kosten des bestehenden Angebots. Dadurch muss die aktive Arbeitsmarktpolitik ihre Leistungen zurückfahren. Es wird 2025 also weniger Geld für Beratung und Qualifizierung geben, der Budgetpfad für 2026 sieht aktuell noch gravierendere Kürzungen vor.
Die aktuell geplanten Einsparungen von rund 95 Mio. Euro haben erhebliche Auswirkungen. Wo genau gespart werden wird, ist Gegenstand der Planungen in den AMS-Landesorganisationen. Es zeichnet sich allerdings ab, dass die Sparmaßnahmen sich durch weite Teile der Förderlandschaft ziehen werden. Sie werden Projekte zur Förderung von Frauen, Jugendlichen, von geflüchteten und migrierten Personen betreffen (bis hin zum vereinzelten Auslaufen von Maßnahmen), es werden auch dringend benötigte Deutschkurse reduziert werden. Für viele Träger von arbeitsmarktpolitischen Angeboten sind Förderungen des AMS eine wesentliche Finanzierungsquelle, sie haben bereits Kürzungen wegstecken müssen. Nun werden die Mittel nicht – wie eigentlich aufgrund der aktuellen Arbeitsmarktlage und der strukturellen Probleme auf dem österreichischen Arbeitsmarkt notwendig – erheblich erhöht, sondern reduziert. Wie die Trägerorganisationen ist auch das AMS selbst mit diesem Auf und Ab im Bereich des Förderbudgets unzufrieden. Mehrjährige stabilere und entsprechend höhere Budgets würden sowohl dem AMS als auch den Trägern ermöglichen, bessere und nachhaltigere Leistungen zu liefern.
Der Arbeitsmarktmonitor stellt Österreich insbesondere bei der Erwerbseingliederung von Frauen eine besonders schlechte Note aus, was Kürzungen bei Frauenförderungsprogrammen noch problematischer macht. Damit wird die (Wieder-)Eingliederung von Frauen in den Arbeitsmarkt erheblich erschwert. Programme wie Frauen in Handwerk und Technik (FIT) unterstützen österreichweit 10.000 Frauen pro Jahr. Auch andere Beratungs- und Betreuungseinrichtungen arbeiten daran, das Ausgrenzungsrisiko von Frauen und anderen diskriminierten Gruppen zu minimieren. Sie würden ihre Services gerne ausbauen, doch durch das reduzierte Förderprogramm des AMS müssen sie ihr Angebot zurückfahren, so auch die Förderung von Jugendlichen. Mit Stand September 2024 sind mehr als 61.000 unter 25-Jährige arbeitslos (inkl. Schulungsteilnehmer:innen). Das bedeutet eine Zunahme von rund 10 Prozent Jugendarbeitslosigkeit im Vergleich zum Vorjahresmonat. Wenn nicht heute in die Zukunft der Jugendlichen investiert wird, dann werden uns die Folgen morgen einholen. Jugendliche auf die Herausforderungen des zukünftigen Arbeitsmarktes vorzubereiten ist nicht nur zum Zweck der Jugendförderung wichtig, sondern auch ein Hebel gegen den Arbeitskräftemangel und für die Vorbereitung auf zukunftsfitte Jobs.
Die Bundesregierung muss die Mittel der aktiven Arbeitsmarktpolitik aufstocken
Was es tatsächlich braucht, um Ausgrenzungsrisiken zu minimieren, ist eine Aufstockung des Budgets für Förderungen und Qualifizierungen des AMS. Investitionen in aktive Arbeitsmarktpolitik helfen, Arbeitslosigkeit zu senken und ausgrenzungsgefährdeten Gruppen den (Wieder-)Einstieg in den Arbeitsmarkt zu erleichtern, was aktuelle wissenschaftliche Befunde zum wiederholten Mal beweisen. Zudem sind die Schulungs- und Beratungsangebote der aktiven Arbeitsmarktpolitik wichtig, um zukünftigen Herausforderungen, wie der digitalen als auch der sozial-ökologischen Transformation, zu begegnen.
Da die Höhe des AMS-Budgets bisher noch nicht final festgelegt ist, kann eine zukünftige Bundesregierung auch noch eine dringend notwendige Aufstockung beschließen. Die Frage, ob die neue Bundesregierung den nötigen politischen Willen zeigt, bleibt offen. Sicher ist, dass Ausgrenzung und Transformationen von Wirtschaft, Gesellschaft und Arbeitswelt die zusätzliche Förderung von Arbeitnehmer:innenqualifizierung dringend notwendig machen.
Fakt ist aber auch: Die aktive Arbeitsmarktpolitik kann das allein nicht schaffen. Eine gute sozial verträgliche und ökologisch nachhaltige Arbeitsmarktpolitik kann nur im Zusammenspiel mit einer intelligenten und zukunftsorientierten Wirtschafts-, Sozial-, Gesundheits- und Integrationspolitik ihre volle Wirkung entfalten, wie die AK Wien in ihrem Plan für den sozialen und ökologischen Umbau vorlegt. Beispielsweise können Maßnahmen zur Förderung von Frauen mit einem gut ausgebauten, qualitativ hochwertigen Kinderbetreuungsangebot oft erst tatsächlich wirksam werden.