Mit der jüngsten Konjunkturbelebung scheinen zumindest in Österreich und Deutschland die stürmischsten Zeiten der Wirtschafts- und Finanzkrise überwunden. Doch machen wir uns keine Illusion: Solange das Finanzsystem labil bleibt, ist eine Rückkehr zu wirtschaftlicher Stabilität wenig wahrscheinlich, und mit der schwerwiegendsten Folge der Krise, der Massenarbeitslosigkeit, wird Europa noch lange zu kämpfen haben.
In Europa und Österreich versuchen manche Kräfte, die Krise für einen neuen Ruf nach Bescheidenheit zu instrumentalisieren: Wir hätten über unsere Verhältnisse gelebt und jetzt gehe es um Zurückhaltung bei Löhnen und Sozialleistungen, kurz um Kostensenkungen für die Unternehmen.
Wir sind wettbewerbsfähig
Selbstverständlich sind uns wettbewerbsfähige Betriebe ein Anliegen, sie bilden eine wichtige Basis für den Wohlstand. Ihre Wettbewerbsfähigkeit beweisen Österreichs Unternehmen jeden Tag in reger Industrieproduktion und hohem Export. In einem offensiven wirtschaftspolitischen Konzept muss sie durch verstärkte Anstrengungen in Aus- und Weiterbildung, Forschung und Innovation abgesichert werden. Die ganze Welt kauft österreichische Produkte. Doch wie lange werden wir selbst uns diese Produkte noch leisten können, wenn die Einkommen nicht ausreichend steigen? Es ist doch bemerkenswert, in welchem hohen Ausmaß die Exportgewinne für Dividendenausschüttungen und damit weitere Vermögenskonzentration volkswirtschaftlich verschwendet werden, statt sie produktiv für höhere Löhne, Investitionen und Innovationen zu nutzen.
Damit sind wir mitten in den sozialen Auseinandersetzungen um die Verteilung von Wirtschaftsleistung und Volkseinkommen. Sie werden ohne Zweifel an Intensität gewinnen. Kräftiges Wirtschaftswachstum ist in absehbarer Zeit angesichts der Lage im Banken- und Finanzsystem wenig wahrscheinlich, zudem bestehen angesichts des hohen Ressourcenverbrauchs berechtigte Zweifel an seiner Nachhaltigkeit. Wächst der Kuchen langsamer, dann wird der Streit um seine Verteilung heftiger werden.
Wir kämpfen um Verbesserungen
Dabei ist unsere Position klar: Finanzsystem und Vermögende haben über unsere Verhältnisse gelebt. Ein Zurückdrängen ihrer Ansprüche an das Sozialprodukt schafft Raum für sozialen Fortschritt. Realistisch gesehen besteht für den großen Ausbau des Sozialstaates derzeit wenig Chance. Doch wir wollen um die dringend notwendigen Verbesserungen bei Kindergärten und Ganztagsschulen, Pflege und Sozialarbeit kämpfen. Diese sind ohne Zweifel auch finanzierbar, durch Umschichtungen von Geld- zu Sachleistungen und einen größeren Beitrag von Reichen und Erben zum Sozialstaat.
Wem gehört die Welt?
Die Spielräume im Budget sind generell knapp. Das ist noch immer Folge von Bankenhilfen und Finanzkrise, deren Verursacher wir noch stärker zur Finanzierung des Staatshaushalts heranziehen wollen. Die weitere Verringerung des Budgetdefizits und der Abbau der Staatsschulden bleiben ein Gebot der Stunde: Wir wollen die Abhängigkeit von den Finanzmärkten verringern und Spielräume für die Finanzierung sozialen Fortschritts gewinnen.
Deshalb muss die Besteuerung großer Vermögen und Erbschaften einen prominenten Platz auf der politischen Agenda behalten, trotz oder vielmehr wegen des heftigen Widerstands. Dieser Widerstand zeigt: Bei den Vermögenssteuern geht es nicht nur um eine faire Verteilung der Abgabenbelastung. Mit diesem Thema wird auch die Machtfrage gestellt. Und genau das wollen wir tun, die Frage stellen, wem die Welt gehört: Der breiten Masse an Menschen, die von Leistungseinkommen aus Arbeit leben oder den wenigen, die ihr Millionenvermögen „arbeiten“ und ihren Einfluss auf Politik und Medien spielen lassen?