Wien wächst – die Prognosen von Statistik Austria gehen davon aus, dass bis 2031 weitere 240.000 EinwohnerInnen dazukommen werden. Innerhalb von 30 Jahren wäre Wien dann um Graz und Linz gewachsen. Gleichzeitig soll gespart werden – das Nulldefizit für 2016 ist Bestandteil des innerösterreichischen Stabilitätspaktes, mit dem die unionsrechtlichen Vorgaben zur Haushaltsdisziplin der Mitgliedstaaten umgesetzt werden sollen. Wien soll also in den kommenden 15 Jahren die Infrastruktur von Graz errichten – sich aber für Investitionen nicht verschulden. Das alles dann auch noch im siebenten Jahr einer Wirtschaftskrise. Ein gute Anlass, sich mit der antizyklischen Fiskalpolitik und der Rolle von Investitionen zu befassen.
Doppeldividende durch gezielte Konjunkturmaßnahmen
Die Herausforderungen der Stadt bestehen in einem Abfedern der krisenhaften Konjunkturentwicklung einerseits und einer Investitionspolitik für die wachsende Stadt andererseits. Das Österreichische Wirtschaftsforschungsinstitut spricht im Zusammenhang mit – sich z. T. selbst finanzierenden – gezielten konjunkturpolitischen Maßnahmen davon, dass eine „Doppeldividende“ erzielt werden könne.
Es muss demnach darum gehen, konjunkturpolitische Maßnahmen mit wirtschaftspolitisch nachhaltig sinnvollen Maßnahmen zu verbinden – etwas, was in einer wachsenden Stadt mit dem entsprechenden Bedarf an Infrastruktur möglich ist. Hierzu sind allerdings Regelungen Voraussetzung, die Investitionen ermöglichen und nicht verhindern. Derzeit sehen jedoch sowohl die österreichischen als auch die europäischen Regelungen Schuldenobergrenzen vor, die auch sinnvolle und wertsteigernde Investitionen verhindern. Denn klar ist: Jeder gebauten Schule steht der Wert des Gebäudes und der Nutzen der Bildung als entsprechender zukünftiger „Ertrag“ gegenüber. Deshalb hat die Wiener Vizebürgermeisterin Renate Brauner gefordert, Investitionen in Bildung und Forschung aus dem Stabilitätspakt auszunehmen.
Warum diese Forderung sinnvoll ist und unterstützt werden sollte wird in der Folge hergeleitet: Anhand
der konjunkturellen Entwicklung,
der Bevölkerungsentwicklung in Wien und
der sogenannten „Golden Rule“.
Konjunkturentwicklung und antizyklische Fiskalpolitik in Wien
Wir befinden uns im siebenten Jahr der Weltwirtschaftskrise, die auch an Wien nicht spurlos vorübergangenen ist. Zwar ist Wien vergleichsweise gut durch die Krise gekommen, aber auch hier steigt die Zahl der Arbeitslosen an.
Im Jahr 2006 wuchs die Wiener Wirtschaft noch um gut 4%. Im Sommer 2007 setzte in den USA die Immobilienkrise ein, worauf es zu kettenartigen Insolvenzreaktionen in der Banken- und Finanzbranche kam. Österreich und Wien blieben zunächst noch teilweise von der aussetzenden Nachfrage verschont – doch ab 2009 schlug auch bei uns der weltweite Einbruch des Welthandels voll durch. Eine effektive und angemessene Reaktion auf die Krise wurde – zumindest in Europa – durch die verstärkte Ächtung staatlicher Defizite verhindert.