Die EU strebt Klimaneutralität im Jahr 2050 an. Um dieses Ziel zu erreichen, bedarf es auch Änderungen unseres Konsumverhaltens. Die Europäische Kommission hat Ende März 2022 das erste Paket zur Umsetzung der europäischen Kreislaufwirtschaftsstrategie vorgestellt. Das Paket zielt darauf ab, das Warenangebot nachhaltiger zu gestalten und informierte Kaufentscheidungen für Konsument:innen zu erleichtern. Ein potenzieller Meilenstein, um nachhaltigen Konsum aus der Nische zu holen?!
EU hat erstes Paket zur Umsetzung der Kreislaufwirtschaft veröffentlicht
Die Europäische Kommission hat Ende März 2022 mit dem ersten Teil des Kreislaufwirtschaftspaketes einen ambitionierten Vorschlag vorgelegt. Im Zentrum stehen dabei die Verbesserung von Nachhaltigkeitsstandards für Konsumgüter sowie transparentere und fundierte Informationen für Konsument:innen. Produkte sollen damit länger haltbar und reparierbar werden und Greenwashing soll eingedämmt werden.
Das von der Kommission vorgelegte Kreislaufwirtschaftspaket enthält folgende vier Bausteine:
- Initiative für nachhaltige Produkte (dies umfasst im Wesentlichen die Überarbeitung der Ökodesign-Richtlinie)
- Anpassung der Regulierung für Baustoffe
- Strategie für nachhaltige Textilien
- Initiative zur Stärkung der Rolle der Verbraucher:innen beim Übergang zu einer grünen Wirtschaft.
Das bisher vernachlässigte Thema des Klima- und Ressourcenschutzes nimmt in vielen Teilbereichen einen wichtigen Stellenwert ein. Somit ist das erste Kreislaufwirtschaftspaket ein weiterer Baustein im Green Deal. Nachfolgend werden die Änderungen der Ökodesign-Richtlinie näher erläutert, da diese richtungsweisend für die Nachhaltigkeit des europäischen Warensortiments ist.
Energieeffizienz: Herzstück der bestehenden Ökodesign-Richtlinie
Mit der europäischen Ökodesign-Richtlinie aus dem Jahr 2009 wurden ökologische Mindestvorgaben für energiebetriebene und -relevante Produkte wie z. B. Geschirrspüler oder Glühbirnen festgelegt. Das bedeutet, dass nur Produkte auf dem europäischen Markt verkauft werden dürfen, die diese Kriterien erfüllen, wie z. B. ein Staubsauger, der maximal 900 Watt verbrauchen darf. Hauptsächliches Augenmerk wurde bislang auf die Energieeffizienz gelegt. Erst in den 2019 veröffentlichten Verordnungen der Europäischen Kommission wurden die Möglichkeiten der Richtlinie breiter ausgeschöpft und für bestimmte Produkte zusätzliche Anforderungen an die Reparierbarkeit gestellt, wie zum Beispiel eine verpflichtende Ersatzteilhaltung (z. B. acht Jahre für Kühlschränke).
Laut Angaben der Europäischen Kommission haben Konsument:innen allein im Jahr 2021 mit den bestehenden Ökodesign-Anforderungen aufgrund energieeffizienterer Produkte 120 Milliarden Euro gespart. Der jährliche Energieverbrauch der betroffenen Produkte konnte um 10 Prozent gesenkt werden. Da weitere Ressourceneinsparungen auch durch längere Nutzungs- und Lebensdauer von Produkten im Angesicht der Klimakrise unausweichlich sind, liegt nun ein vollständig überarbeiteter Vorschlag der Ökodesign-Richtlinie – nun Verordnung – vor.
Ambitionierte Pläne für die neue Ökodesign-Verordnung
Ziel des neuen Vorschlags der Kommission ist es, „die negativen Umweltauswirkungen von Produkten während ihres gesamten Lebenszyklus zu verringern und das Funktionieren des Binnenmarkts zu verbessern“. Durch nachhaltigere Produkte sollen die Klima-, Umwelt- und Energieziele der EU erreicht und gleichzeitig Wirtschaftswachstum gefördert sowie (neue) Arbeitsplätze geschaffen werden. Mit dem Vorschlag sollen die Einsparungen laut Kommission auf durchschnittlich 285 Euro pro Konsument:in und Jahr gesteigert werden.
Ausweitung auf alle Produkte
Zentrale Neuerung ist, dass künftig potenziell ALLE physischen Waren (Ausnahme: Lebensmittel, Medizinprodukte und Tierfutter) mit der neuen Ökodesign-Verordnung geregelt und für diese umweltrelevante Mindestkriterien festgelegt werden können, also z. B. auch Möbel oder Textilien. Die Produkte sollen u. a. im Hinblick auf ihre Langlebigkeit, Wiederverwendbarkeit, Reparierbarkeit, Recyclingfähigkeit oder den Ressourcenverbrauch verbessert werden. Nachhaltige Produktgestaltung wird damit umfassender definiert – Energieeffizienz ist damit künftig ein Baustein unter vielen. Im Konkreten können mit der Verordnung nun Mindestanforderungen für bestimmte Produktgruppen festgelegt werden – z. B. eine garantierte Lebensdauer, Verfügbarkeit und Lieferzeit von Ersatzteilen, Verwendung von Standardbauteilen, ein bestimmtes Verhältnis von Produkt zu Verpackung oder der CO2-Fußabdruck des Produktes, um nur Auszüge aus einer Vielzahl möglicher Kriterien zu nennen. Neben Anforderungen für definierte Produktgruppen will die Kommission auch horizontale Maßnahmen setzen – hier sollen ähnliche Kriterien für mehrere Produktgruppen gelten. So könnten z. B. Software-Updates für Fernseher, Notebooks, Staubsaugerroboter etc. für eine Mindestzeit verpflichtend sein. Die Einführung dieser horizontalen Maßnahmen soll ein Mittel sein, um bestimmte Vorgaben schnell umzusetzen und damit negative Umweltauswirkungen rasch zu senken.
Verbesserte Information – (auch) digital zugänglich
Neben der Verbesserung der Produktleistung ist Information ein wichtiges Element in der neuen Verordnung. Im Zentrum steht der digitale Produktpass: Konsument:innen, aber auch Akteur:innen entlang der gesamten Wertschöpfungskette wie unabhängige Reparaturdienstleister oder Recyclingunternehmen sollen mit detaillierteren Informationen über den Aufbau und die Inhalte des Produktes versorgt werden. Damit können Produkte besser genutzt, repariert oder entsorgt werden. Auch die Informationen hinsichtlich der im Produkt enthaltenen gefährlichen Stoffe werden verbessert. Weiters soll es einfache und reduzierte Informationen z. B. in Form eines Labels und/oder einer Kennzahl geben, anhand derer die Konsument:innen beim Kauf die Nachhaltigkeit der Produkte untereinander vergleichen können.
Mehr Transparenz bei Vernichtung und strengere Kontrollen
Die immer wieder vorkommende Zerstörung und Entsorgung unverkaufter oder zurückgesendeter Konsumgüter von europäischen Produzenten und Onlinehändlern steht im Widerspruch zu dringend notwendigen Ressourceneinsparungen. In der neuen Verordnung werden Unternehmen dazu verpflichtet, Statistiken über Anzahl und Gründe unverkaufter, entsorgter Produkte offenzulegen. Die Kommission behält sich vor, für Produkte ein Entsorgungsverbot für Europa auszusprechen, bei denen die Entsorgung mit beträchtlichen Umweltschäden verbunden ist.
Forcierte Marktüberwachung
Die vorhergesehenen Maßnahmen wirken allerdings nur dann, wenn die Vorgaben auch eingehalten werden. Das Europäische Parlament schätzt, dass 10 bis 25 Prozent aller Produkte, die bislang unter die Ökodesign-Richtlinie fallen, nicht den Anforderungen entsprechen. Damit muss die bislang kaum vorhandene Marktüberwachung auf neue Füße gestellt werden: Jeder Mitgliedsstaat muss künftig alle zwei Jahre Pläne zur Überwachung der Einhaltung der Verordnung vorlegen, die Kommission kann dabei eine Mindestanzahl an Kontrollen festlegen. Die Kontrolle erfolgt durch die nationalen Marktüberwachungsbehörden, in Österreich sind diese im Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft angesiedelt.
Ambitionierte Pläne, verpflichtende Kriterien jedoch nötig
Das nun vorliegende erste Paket zur Umsetzung der EU-Kreislaufwirtschaft ist prinzipiell sehr begrüßenswert. Es enthält viele wichtige Änderungen, um nachhaltigen Konsum anzukurbeln. Mit dem neuen Entwurf zur Ökodesign-Verordnung ist ein deutlich ambitionierterer Ansatz hinsichtlich ökologischer Produktgestaltung erkennbar. Dies spiegelt sich einerseits in der Ausweitung des möglichen Geltungsbereichs auf alle Produktgruppen wider, andererseits wird das Thema Haltbarkeit und Reparierbarkeit umfassender als bisher behandelt. Ein großes Fragezeichen bleibt aber die Umsetzbarkeit und der Zeitplan aufgrund der Ausweitung des Geltungsbereichs. Auf jeden Fall ist ein hoher Bedarf an finanziellen Mitteln und Personalressourcen gegeben, die jedenfalls von der Kommission ausgebaut und erhöht werden müssen. Die Schritte im Bereich der Marktüberwachung sind noch zu zaghaft – hier benötigt es eine massive Ausweitung physischer Produktüberprüfungen, um die Einhaltung der vorgegebenen Kriterien zu kontrollieren. Der Vorschlag der Kommission ist an vielen Stellen noch zu unverbindlich und zeichnet sich durch viele Möglichkeitsbestimmungen aus. Es ist jedoch jetzt der richtige Zeitpunkt, mehr verpflichtende Kriterien in der Rahmenverordnung festzulegen. Ein Beispiel dafür ist etwa ein komplettes Vernichtungsverbot unverkaufter Ware anstatt bloßer Offenlegung der Vernichtungsstatistiken. Verpflichtende Kriterien sowie eine umfassende Marktüberwachung können sicherstellen, dass das gesamte Produktangebot am Markt nachhaltiger wird. Nur so wird Konsument:innen die Möglichkeit auch tatsächlich gegeben, sicher nachhaltige Produkte zu kaufen.