Wissenschaftsstandort in Gefahr: Gute Forschung braucht ausreichend sichere Uni-Finanzierung

02. Mai 2023

Zum zweiten Mal innerhalb von nur drei Monaten fand am 23. März eine Demonstration von Wissenschafter:innen österreichischer Universitäten statt. Etwa 2.000 Personen folgten dem Aufruf unter dem Motto „Fair statt prekär! Universität neu denken“ für bessere Arbeitsbedingungen an österreichischen Universitäten einzutreten. Als Einrichtungen der Republik Österreich werden die Universitäten überwiegend aus öffentlichen Mitteln finanziert – was ist hier los? Was passiert mit den Steuergeldern?

Die Verleihung des Nobelpreises für Physik an Anton Zeilinger im Oktober 2022 hat große Freude und stolze Reaktionen in vielen Bereichen auch außerhalb der Wissenschaftsszene mit sich gebracht.  In verschiedenen Dankesreden und Interviews betont Anton Zeilinger, dass er diesen Preis auch als Ermutigung für junge Wissenschafter:innen sehe, den eigenen Ideen nachzugehen und nicht von Beginn an über künftige Anwendungen nachzudenken. Aber was braucht es, dass so außergewöhnliche wissenschaftliche Leistungen erbracht werden können? Diese Frage wurde und wird immer wieder neu thematisiert. Teilweise stagnierende oder nur sehr langsam wachsende Finanzierungen von Universitäten bringen es mit sich, dass die Arbeitssituation für Forscher:innen an Universitäten in manchen Bereichen immer angespannter wird.

Wieviel Geld fließt an die Universitäten?

In hochentwickelten Volkswirtschaften wird Wissen als DER wichtigste Produktionsfaktor angesehen, der Wettbewerbsfähigkeit erhält und vor allem auch zu Lösungen gesellschaftlicher Probleme beiträgt. Universitäten produzieren durch wissenschaftliche Forschung und die Erschließung der Künste neues Wissen und vermitteln durch Lehre bestehendes Wissen und die Fähigkeit, sich selbständig neues Wissen anzueignen.

In der Zusammensetzung der Erträge ist auffällig, dass der Anteil der Basisfinanzierung – also des Gelds, das im Rahmen der Leistungsvereinbarungen den Universitäten zugewiesen wurde, im Verhältnis der letzten zehn Jahre gefallen ist. Der Anteil für 2009 lag bei 76% – mittlerweile ist dieser Anteil 2020 auf 73% gefallen (Universitätsbericht 2011: 51 und 2020: 43).

Parallel dazu hat sich der Anteil der Erlöse und Kostenersätze gem § 26 und 27 (= Drittmittelgelder) erheblich erhöht. Als Drittmittel werden im Wissenschaftsbetrieb jene finanziellen Mittel verstanden, die den Hochschulen und Forschungseinrichtungen zusätzlich zu den von den Erhalter:innen zur Verfügung gestellten laufenden Mitteln (Basisfinanzierung) von dritter Seite zufließen. Sie werden in der Regel für bestimmte Projekte, vor allem Forschungsprojekte, zeitlich befristet zur Verfügung gestellt. 2009 lag der Anteil bei 10% und eine Dekade später 2020 bei 17%. Diese Steigerungen lassen sich unterschiedlich deuten:

Eine Deutung ist, wie erfolgreich und aktiv ihre Mitarbeitenden auf dem hochkompetitiven Markt Gelder eingeworben haben. Eine andere Deutung wiederum könnte sein, dass es bedenklich ist, wenn Österreich zwar nominal die Budgets für Universitäten sukzessive erhöht, aber dabei der Anteil der Mittel, die als Basisfinanzierung in den Bereich der Wissensproduktion fließen, sich schrittweise verringert.

Diese Entwicklungen in der Finanzierung der Universitäten deuten auf eine grundsätzliche Ausrichtung der Steuerung hin. Das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung (BMBWF), das die Basisfinanzierung für die Universitäten zur Verfügung stellt, hat die Finanzierungsstruktur in den letzten Jahren nachhaltig neugestaltet. Diese Umstellung der Forschung vom Staat auf den Markt hat mittelfristig sowohl für die Erkenntnisweise, die Ergebnisse als auch für das Verhalten der Wissenschafter:innen tiefgreifende Folgen.

Die Basisfinanzierung durch das BMBWF und die Steuerungsidee dahinter

Die österreichischen Universitäten werden grundsätzlich über mehrere Instrumente und auf unterschiedlichen Ebenen durch das BMBWF gesteuert: Prinzipiell müssen sich alle Universitäten am Gesamtösterreichischen Universitätsentwicklungsplan (GUEP) des BMBWF in ihrer Planung maßgeblich orientieren. Dies geschieht in erster Linie im Entwicklungsplan, der von jeder Universität für die Länge von zwei dreijährigen Leistungsvereinbarungs-Perioden normiert erstellt wird. Die Leistungsvereinbarung (LV) dient als das wesentliche Element zur Finanzierung bzw. Steuerung der Universitäten und ist ein Vertrag zwischen Universität und BMBWF. In den LVs werden Zielsetzungen in den Bereichen Lehre, Forschung und Gesellschaft vereinbart.

Die „Universitätsfinanzierung NEU“, die in der Periode 2019-2021 zum ersten Mal zum Einsatz kam, stellt somit ein konkretes, „evidenzbasiertes“ Steuerungsinstrument dar, das zwischen Basis- und Wettbewerbsindikatoren in drei Säulen (Lehre, Forschung/Entwicklung und Erschließung der Künste, Infrastruktur) unterscheidet.

Während Basisindikatoren sich an grundsätzlichen Parametern orientieren, stehen Universitäten in direktem Wettbewerb um mehr Finanzierung im Rahmen der Wettbewerbsindikatoren. Als Basisindikator gilt die Anzahl der aktiven Studierenden, die pro Studienjahr mehr als 16 ECTS absolvieren. Als zusätzliche Wettbewerbsindikatoren gelten in der Lehre sowohl die Anzahl der Studienabschlüsse an einer Universität sowie die Anzahl an Studierenden, die pro Jahr mindestens 40 ECTS absolviert haben.

Dekoratives Bild © A&W Blog
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In der Säule „Forschung & EEK“ wird die Forschungsbasisleistung nach eingesetzten Mitarbeiter:innen (in Vollzeitäquivalenten) berechnet. Im Bereich Forschung zählen im Wettbewerb mit anderen Universitäten die Höhe an Drittmitteleinwerbungen (z.B. in Form von Geldern für Forschungsprojekte) sowie die Anzahl der strukturierten Doktoratsprogramme.

Diese Säulen haben das Ziel, für die Wissensproduktion an österreichischen Universitäten eine Finanzierungsbasis zu geben und parallel dazu auch Steuerungseffekte zu erzielen. Nach den ersten Erfahrungen mit diesem Modell zeigt sich, dass das Modell problematische Aspekte für die Arbeit an der Universität innehat.

Welche Lücke tut sich auf?

Studien zeigen, dass es im akademischen Umfeld viele Risikofaktoren gibt, wie z.B. unsichere Beschäftigung, ein hohes Maß an Mobbing und nicht funktionierende Führung. Der Fokus des Wissenschaftssystems in Österreich, im Sinne der Steuerung durch das Ministerium, und international liegt auf Veröffentlichungen und der Sicherung von Fördermitteln und akademischen Mitteln. Die derzeit noch immer dominierenden „publish or perish“ Formate bringen mit sich, dass enormer Zeitdruck entsteht und damit z.B. die Wiederholung von Experimenten oder auch die substanzielle Entwicklung neuer Methoden nicht gefördert werden.

Die derzeitigen, sehr eingeschränkten Karriereperspektiven führen dazu, dass viele junge Wissenschafter:innen – insbesondere Frauen – nach dem Erwerb des Doktorats nicht mehr weiter das ständig erlebte Risiko tragen wollen. Außerdem ist in den letzten Jahren eine zunehmende Anzahl an Ausstiegen aus dem Berufsfeld zu beobachten. Die Zahlen sind hier schon so bedenklich, dass sich auch schon Wissenschaftsverbände entsprechend zu Wort gemeldet haben.

Hier wären andere Formen von Finanzierung für wissenschaftliche Leistungen und auch eine andere Zugänglichkeit wichtig. Das würde aber auch bedeuten, dass wir die derzeitigen Indikatoren für gute Leistungen neu aufsetzen müssten. Andere, neue Leistungsindikatoren wären eine Chance, um auch mitzuberücksichtigen, dass viele Fragestellungen nicht mehr allein zu bewältigen sind, sondern der Austausch in Teams ein absolutes Asset ist. Mittel- und langfristige Forschungsteams aufzubauen, ist unerlässlich – und doch ist es angesichts der Anstellungsformen an österreichischen Universitäten kaum umsetzbar.

Drei Ansätze für gute Forschung an Österreichs Universitäten?

Eine generelle Erhöhung der staatlichen Basisfinanzierung würde dazu beitragen, die strukturelle Unterfinanzierung vieler öffentlicher Forschungseinrichtungen abzubauen, unter der sie seit Jahren leiden. Dadurch können Bedingungen an den Universitäten hergestellt werden, in denen Wissenschafter:innen ihrer Neugierde wieder uneingeschränkt nachgehen können.

Außerdem braucht es eine Erweiterung des Budgets der zuschussbasierten Finanzierung und eine punktuelle Überarbeitung dessen Strukturen. Viele aktuelle Zuschussfinanzierungsprogramme decken keine Gemeinkosten ab und Kosten der Overhead-Budgets sind sehr oft zu gering. Eine Erhöhung des Anteils an Overhead-Finanzierung und – entscheidend – einschließlich langfristiger Finanzierung für dauerhafte Forschungsstellen in diesem Overhead-Budget könnten den Weg zur nachhaltigen Gestaltung der zuwendungsbasierten Forschungsförderung verändern.

Die Basisfinanzierungen für Universitäten soll gesetzlich verankert an die Inflationsraten angepasst werden. Ohne eine Valorisierung der Basisabgeltung ist bei einer Inflationsrate von 10,9% (Februar 2023) die Funktionstüchtigkeit so wichtiger Institutionen in Gefahr. Die Universitäten sind jetzt vor dem Abschluss der erneuten dreijährigen Leistungsvereinbarungen in die Rolle von Bittstellerinnen gedrängt. Dadurch wird die für das Ansehen dieser Institutionen wichtige Unabhängigkeit gefährdet und es leidet die Attraktivität des gesamten Wissenschaftsbereiches. Es braucht eine gesetzliche Verankerung der jährlichen Anpassung der Basisfinanzierung an die Inflationsrate, damit die Universitäten ihrem gesetzlichen Auftrag in vollem Umfang nachkommen können.

Zusammenfassend plädieren wir dafür, Regelungen für Arbeitsbedingungen in der Wissenschaft zu gestalten, die echten Forschungsfortschritt und hohe Qualität fördern und nicht behindern.