Vorstandsvergütung: Belohnen, was gesellschaftlichen Mehrwert schafft

13. August 2021

Für das Gros der Bevölkerung geht 2020 wohl als „annus horribilis“ in die Geschichte ein, für die Vorstände der großen Börsenkonzerne des Landes war es jedoch ein weiteres „annus mirabilis“, zumindest was das Einkommen betrifft. Die Gehälter der Vorstände in den ATX-Unternehmen haben sich – bedingt durch „Nebengeräusche“ wie Beendigungszahlungen – im Schnitt auf 1,9 Millionen Euro gesteigert. Das ist das 57-fache eines mittleren Einkommens in Österreich. Damit die Schere nicht weiter aufgeht, muss der Gesetzgeber handeln: Zum einen sind Maßnahmen für mehr Transparenz und Angemessenheit zu setzen, zum anderen sind Vorstände verbindlich daran zu messen, wie erfolgreich sie sich im Kampf gegen den Klimawandel und die soziale Ungleichheit schlagen.

Goldene Gehälter

Im Durchschnitt haben die Vorstände in den Unternehmen des Leitindex ATX (Austrian Traded Index) der Wiener Börse im Corona-Krisenjahr 1,9 Millionen Euro verdient (+ 4 Prozent zu 2019). Wie die AK-Erhebung vom Juni 2021 dazu zeigt, ist dies auf eine kräftige Zunahme der sonstigen Gehaltsbestandteile (wie Abfindungen und Nebenleistungen) zurückzuführen. Ein wesentlicher Treiber ist dabei der Vorstandswechsel bei der Mayr-Melnhof AG: Dort hat es sowohl hoch dotierte Beendigungszahlungen für den langjährigen CEO als auch ein lukratives Einstandspaket für seinen Nachfolger gegeben. Insgesamt ist zu beobachten, dass die erfolgsabhängigen Boni zwar zurückgegangen sind (– 20 Prozent), doch bei Weitem nicht so stark wie die Gewinne (– 40 Prozent). Gerade in Krisenzeiten sollte sich eine „erfolgsbasierte“ Vergütung nicht dermaßen vom wirtschaftlichen Erfolg entkoppeln, wie es 2020 der Fall war. So finden sich im Jahr 2020 unter den zehn Spitzenverdienern fünf Vorstände der BAWAG Group AG, obwohl der Gewinn um mehr als ein Drittel gesunken ist. Wo das Geld hinfließt und wo eingespart wird, machen strategische Entscheidungen des Bankkonzerns in den letzten Monaten recht anschaulich: Während weiter Personal abgebaut wurde und die verbliebenen Beschäftigten mit weniger Büroraum auskommen müssen, wurde der Smart Boys Vorstand erweitert – und zwar um einen sechsten Mann. Zudem stehen die AktionärInnen und Aktionäre in hoher Gunst: Nach Aufhebung der Dividendenstopp-Empfehlung der EZB hat der Bankkonzern umgehend angekündigt, noch 2021 insgesamt 420 Mio. Euro an Dividende zur Auszahlung zu bringen.

Nachhaltiges Defizit

Obwohl der Gesetzgeber vorsieht, dass die Vergütungspolitik für Vorstände die nachhaltige Entwicklung des Unternehmens fördern soll, ist die dafür notwendige Koppelung an die europäischen Klima- und Energieziele oder an die Sustainable Development Goals (SDGs) kaum bis gar nicht nachweisbar: Der aktuellen AK-Erhebung zufolge geben 43 Prozent der Konzerne ihren Vorständen kein einziges konkretes Ziel vor, das die ökologische oder soziale Verantwortung bzw. die Governance des Unternehmens abbildet. Etwas Bewegung in die überholten Vergütungsstrategien hat zuletzt der Druck der Aktionärinnen und Aktionäre gebracht, die erstmalig 2020 über die Gestaltung der Managergagen abgestimmt haben. Zwar haben die Vergütungspolitiken die notwendige Mehrheit von über 50 Prozent erreicht, dennoch ist festzuhalten, dass ein Drittel der Unternehmen am bzw. unter dem anzustrebenden Zielwert einer Zustimmungsrate von mindestens 75 Prozent liegt. Die sprichwörtliche Rute im Fenster zeigte Wirkung, wenn man die Reaktion der Aufsichtsräte jener Unternehmen heranzieht, die von der Hauptversammlung „angezählt“ wurden: Bei kritischen Punkten wie Nachhaltigkeit, Sonderboni oder Long-Term-Incentive-Programmen wurde nämlich nachgebessert. Folgerichtig sind die revidierten Vergütungspolitiken in den Hauptversammlungen 2021 auch entsprechend gewürdigt worden. So hat sich die Akzeptanz bei der Andritz AG von 68,9 auf 96,7 Prozent gesteigert, nachdem die neue Vergütungspolitik nunmehr die Aufnahme nichtfinanzieller Ziele vorsieht und gänzlich auf Sondergratifikationen verzichtet.

Rote Linie

Eine wesentliche Determinante der Angemessenheit stellt das Verhältnis zwischen dem Vorstandsgehalt und dem übrigen Lohn- und Gehaltsgefüge im Unternehmen („Manager to Worker Pay Ratio“) dar. Der Aufsichtsrat sollte ein angemessenes Maximalverhältnis dafür definieren, was in der Praxis nur in Ausnahmefällen passiert. Während die überwiegende Mehrheit der ATX-Konzerne nicht einmal erläutert, ob bzw. wie die Einkommen der Beschäftigten in die Bemessung der Vorstandsgagen eingeflossen sind, legen immerhin zwei Unternehmen (EVN AG, S-Immo AG) eine erste „rote Linie“ fest. So definiert die EVN AG bezogen auf das monatliche Grundgehalt, dass jenes eines Vorstands nicht mehr als das 20-fache der in Österreich tätigen Vollzeitbeschäftigten des Konzerns betragen soll. Laut Aktiengesetz muss im Vergütungsbericht lediglich die jährliche Veränderung der Gesamtvergütung des Vorstands sowie der durchschnittlichen Entlohnung der Beschäftigten angeführt werden. Diese Gesetzeslücke gilt es zu schließen bzw. zumindest nach deutschem Vorbild zu konkretisieren. So empfiehlt der Deutsche Corporate Governance Kodex zur Beurteilung des „vertikalen Vergleichs“, eine Relation zwischen Vorstandsvergütung und Vergütung der Führungskräfte sowie der Belegschaft festzulegen. Zur Orientierung: Aktuell liegt die Spanne zwischen den Vorstandsgehältern in den ATX-Unternehmen und dem mittleren Einkommen in Österreich bei 1:57, im Vergleich zum Krisenjahr 2009 ist die Einkommensspreizung mit 1:37 geradezu moderat ausgefallen. 

Dekoratives Bild © A&W Blog
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Fazit

Angesprochen auf diese enorme Kluft, meinte der Ökonom Tony Atkinson: „Wenn ein elitärer Kreis im Jahr so viel verdient wie andere in ihrem ganzen Berufsleben, hat das Auswirkungen auf die Natur einer Gesellschaft.“ Dem weiteren Auseinanderdriften der Einkommen wirkt die verpflichtende Festlegung einer angemessenen, festen „Manager to Worker Pay Ratio“ (z. B. maximale Spreizung von 1:20) entscheidend entgegen. Damit die Transformation zu einer nachhaltigeren Wirtschaft gelingt, ist es nur konsequent, das Management verstärkt an seiner Nachhaltigkeitsleistung zu messen. Derzeit sind Vergütungsanreize mit sozialen und ökologischen Gesichtspunkten – wenn überhaupt – viel zu gering gewichtet. Hier muss der Gesetzgeber ansetzen und ein verpflichtendes Mindestmaß vorsehen: Sowohl bei den kurzfristigen als auch bei den langfristigen variablen Vergütungslinien müssen Nachhaltigkeitsziele mehr Bedeutung erhalten, indem diese jeweils zu mindestens einem Drittel verbindlich zu berücksichtigen sind. Selbst wenn aufgrund der fortschreitenden Klimakrise ökologische Ziele für die Unternehmenssteuerung höchste Priorität haben, dürfen soziale und Governance-Aspekte nicht vernachlässigt werden. Eine „Verengung“ von Nachhaltigkeit auf grüne Ziele wäre angesichts der zunehmenden sozialen Ungleichheit, die durch die Corona-Krise verschärft wurde, ein gesellschaftspolitischer Stressfaktor. Gerade in der Phase der Krisenbewältigung ist es erforderlich, beschäftigungsrelevante Ziele stärker zu akzentuieren. Dazu zählen die Sicherung von Arbeitsplätzen und die Gestaltung der Arbeitsbedingungen unter besonderer Berücksichtigung von Gesundheits- und Sicherheitsfragen, Aus- und Weiterbildung und Diversität in Belegschaft und Führung.

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