Väterkarenz, Sorgearbeit und strukturelle Diskriminierung

17. Dezember 2019

Bei allen Fortschritten in Sachen Gleichstellung: Väter, die in Karenz gehen, sind in Österreich noch immer eine Seltenheit. Die Gründe dafür sind unterschiedlich, die Nachteile für Mütter jedoch sehr ähnlich.

„Ich warte eigentlich auf Paul, den Papa“, sagt Johanna, die mit ihrem Kind im Park ist, zu einer älteren Frau, „der ist in Karenz.“ Deren Mundwinkel hoben sich, ein Strahlen zog sich über ihr Gesicht. „Was für einen außergewöhnlichen, ja selbstlosen Freund du hast“, sagte die Frau, „wie ungewöhnlich, ungewöhnlich positiv.“

Es ist diese eine Begegnung, die wir im Buch „Wen kümmert’s? Die (un-)sichtbare Sorgearbeit in der Gesellschaft“ beschreiben, die bei allen hängen bleibt. Warum? Weil sie so oder so ähnlich wohl schon den meisten Müttern passiert ist. Sie werden für ihre Sorgearbeit nicht gelobt oder gar vergütet, schließlich wird sie als selbstverständlich gesehen. Bei Vätern hingegen wird die Betreuung ihrer eigenen Kinder als „außergewöhnliche“ und „aufopfernde“ Handlung wahrgenommen. Schließlich ist unbezahlte Sorgearbeit gesellschaftlich gesehen „unter ihrer Würde“ – der Würde der Privilegierte(re)n. Wenig verwunderlich ist daher auch die Statistik: Nur drei Prozent der Väter in Partnerschaften gehen länger als drei Monate in Karenz. Frauen kriegen diese Folgen auf dem Arbeitsmarkt zu spüren. In Form prekärer und informeller Beschäftigung im sogenannten Mommy Track.

Lorbeeren für die einen, Nachteile für die anderen: Bei kaum einem anderen Thema wie Karenzzeiten zeigt sich so deutlich, wie verfestigt traditionelle Geschlechterrollen noch in unser aller Alltag sind. Auch Johanna, unser Fallbeispiel, kennt das nur zu gut – während ihr Partner für die Karenz gelobt wird, wurde sie stattdessen gefragt, ob sie ihr Studium abbrechen oder wie lange sie es denn pausieren werde.

Väterkarenz ist nicht gleich „Papamonat“

Und doch: Ein bisschen etwas tut sich. Der „Papamonat“, den seit 1. September alle nutzen können, ist mittlerweile gesellschaftlich angenommen. Die „kurze Auszeit“ ist plötzlich cool; und die Väter, die sie nehmen, gelten als Vorbilder. Einzig strukturell ändert dieser Monat wenig. Um Nachteile für die Mütter beim Wiedereinstieg zu verringern, sei eine längere Väterkarenz enorm wichtig, wie kürzlich auch die Ergebnisse des vierten Wiedereinstiegsmonitorings der Arbeiterkammer zeigen. Längere Väterkarenzen haben demnach mit Abstand den größten Einfluss auf die Wahrscheinlichkeit, dass Frauen in den Berufsalltag zurückkehren. Geht der Vater mehr als sechs Monate in Karenz, ist die Chance auf einen Wiedereinstieg rund zweieinhalbmal größer als im Durchschnitt.

Das kommt wenig überraschend, schließlich plädieren ExpertInnen seit jeher für eine ausgewogene Aufteilung der Karenzzeiten, und nordische Länder zeigen, welche institutionellen Rahmenbedingungen es dafür braucht.

Weiblichkeit als Wettbewerbsnachteil

Der „Papamonat“ ist Symptom einer Gesellschaft, die durch strukturelle Diskriminierung gekennzeichnet ist. Das zeigt sich in Österreich am Rückgang der Väter in Karenz: Bezogen im Dezember 2016 4,2 Prozent der Väter diese Familienleistung, waren es im Dezember 2017 nur mehr 3,8 Prozent. In absoluten Zahlen waren Ende 2017 119.476 Frauen und 4.773 Männer in Karenz. Die Gründe dafür sind vielfältig. In männerdominierten Branchen wie Bau, Produktion, Verkehr und Informations- und Kommunikationstechnologie sind eine förderliche Unternehmenskultur und Vereinbarkeitslösungen die Ausnahme.

Die von Vätern befürchteten beruflichen Nachteile in Form von Einkommensverlusten, Arbeitsintensivierung, Karrierestagnation und sozialen Sanktionen kennzeichnen seit jeher die Lebens- und Arbeitsrealität von Müttern. Aufgrund der geschlechtsspezifischen Zuweisung und Bewertung von Arbeit werden Müttern berufliche Ambitionen abgesprochen und unbezahlte, unsichtbare Haus-, Erziehungs- und Sorgetätigkeiten zugewiesen. Dies führt dazu, dass zwei Drittel der unbezahlten Arbeit in Österreich nach wie vor von Frauen geleistet wird, die Teilzeitquote von Frauen bei 47,5 Prozent liegt und Weiblichkeit am Erwerbsarbeitsmarkt ein Wettbewerbsnachteil ist. Eine aktuelle Studie zeigt, dass Frauen zehn Jahre nach der Geburt des ersten Kindes durchschnittlich 51 Prozent weniger als im Jahr vor der Geburt verdienen und ihre Aufstiegschancen sinken.

Was machen andere Länder besser?

Die nordischen Länder werden immer wieder gerne herangezogen, wenn es darum geht, Vorzeigebeispiele für Gleichstellungspolitik zu finden. Das gilt auch für das Beispiel Väterkarenz. Dänemark, Finnland, Island, Norwegen und Schweden führten „Papawochen“ mit Rechtsanspruch und Väterquoten ein. Seit 2002 gibt es zum Beispiel in Schweden eine Väterquote von zwei Monaten, neun von zehn Vätern gehen mittlerweile in Karenz. In Island, wo die Karenzdauer zu je einem Drittel der Mutter, einem Drittel dem Vater und dem restlichen Drittel der neun Monate beiden zusteht – das heißt, frei aufteilbar ist –, gehen 80 Prozent der Väter in Karenz; die durchschnittliche Karenzdauer beträgt 81,4 Tage. Was auch maßgeblich dazu beiträgt: ein hoher Einkommensersatz und leistbare sowie verfügbare Kinderbetreuungseinrichtungen. Unter solchen Bedingungen gelten Väter in Karenz weder als „außergewöhnlich“ noch als „selbstlos“. Sie sorgen sich ganz einfach um ihre Kinder.

Kurzum: Eine hohe Väterbeteiligung ist möglich – sie muss jedoch strukturell erst ermöglicht werden.