Nachdem die Gespräche zur Einführung einer Digitalsteuer Anfang 2019 vorerst gescheitert sind, bekommt die EU jetzt eine zweite Chance zur Steuerrevolution: Die G20 verhandeln über einen effektiven Mindeststeuersatz für Unternehmensgewinne. Der Prozess ist in der Endphase. Er wird nicht alle zufriedenstellen, für die EU-28 aber birgt er enorme Chancen.
Nach dem Scheitern der EU-weiten Verhandlungen über die Einführung einer Digitalsteuer Anfang 2018 haben sich die Debatten zur Besteuerung der Internetkonzerne stärker auf die OECD-Ebene verlagert. Die zentralen Themen dort sind die Neuaufteilung der Konzerngewinne (Pillar 1) sowie ein globaler Mindeststeuersatz für Unternehmensgewinne (Pillar 2). Der große Vorteil der OECD- gegenüber der EU-Ebene ist die Einbindung von USA, China & Co über die G20 und das mittlerweile 134 Staaten umfassende „Inclusive Framework“. Am 9. Oktober wird die OECD einen Kompromissvorschlag für Pillar 1 vorgelegen (den sogenannten Unified Approach) und die globale Öffentlichkeit zu einer letzten Konsultation einladen. Die abschließenden politischen Entscheidungen über das Gesamtpaket werden für 2020 erwartet.
Die Neuaufteilung der Gewinne: kaum Veränderungen
Im Zentrum der Debatte steht die Neuaufteilung der Konzerngewinne (Pillar 1). Bei jedem multinationalen Konzern stellt sich die Frage, welcher Teil des Gesamtgewinns in welchem Land besteuert werden darf. Bislang war (vereinfacht gesprochen) der Ort der Produktion maßgeblich, künftig soll der Ort des Konsums wichtiger werden. Alle Länder machen freilich Vorschläge, von denen sie vor allem selbst profitieren. Großbritannien fordert eine Digitalsteuer und damit mehr Steuern von US-Internetkonzernen im Vereinigten Königreich. Die USA wiederum fordern eine stärkere Besteuerung der Marketingaktivitäten und damit mehr Steuern von den europäischen Autobauern in den USA. Auch die Entwicklungs- und Schwellenländer – die im jetzigen System tendenziell benachteiligt werden – fordern mehr Steuersubstrat für sich. Mit dem Unified Approach versucht die OECD alle Interessen unter einen Hut zu bekommen. Im Effekt würden Google & Co künftig mehr Gewinnsteuern in Österreich zahlen (auch ohne physische Präsenz), gleichzeitig aber könnte Steuersubstrat bei der Industrie verloren gehen. Die Nettoeffekte sind extrem schwer abzuschätzen. Es gibt zwar erste Berechnungen auf Ebene der OECD und der EU-Kommission, aber die sind 1) (noch) geheim und 2) mit hoher Unsicherheit behaftet. Insgesamt wäre es aber verwunderlich, wenn die im Konsens entscheidenden G20 allzu große Verschiebungen akzeptieren würden. Übrig bliebe eine weitere Verkomplizierung des Regelwerks, ohne erkennbaren Mehrwert. Kritische Stimmen sehen den OECD-Prozess daher schon als gescheitert an und fordern einen völligen Neustart auf Ebene der Vereinten Nationen. Aus Sicht der EU ist diese Kritik aber zu einseitig, weil sie Pillar 2 vernachlässigt, wo mit dem Mindeststeuersatz die Chance auf eine echte Revolution besteht.
Trump als Vorbild: Wie könnte ein globaler Mindeststeuersatz funktionieren?
Basis der Überlegungen für den globalen Mindeststeuersatz ist ein System, das Donald Trump mit seiner Steuerreform 2018 eingeführt hat, um die Gewinne der US-Internetkonzerne stärker zu besteuern. Eine solche Mindestbesteuerung würde – umgelegt auf die EU – auf zwei Säulen aufbauen (siehe Grafik):