Der Roboter als Kollege: Beschäftigung in der „Bank 2025“

04. Juni 2019

Der österreichische Bankensektor gerät durch die zunehmende Digitalisierung und wachsende Konkurrenz durch innovative Finanzdienstleister wie FinTechs oder RegTechs immer mehr unter Veränderungsdruck: Der vermehrte Einsatz digitaler Technik wirkt sich tiefgreifend auf die Organisationsformen der Arbeit aus. Neben den wachsenden Anforderungen an die Beschäftigten – mehrheitlich Frauen – erhöht sukzessiver Personalabbau die Belastung auf die verbliebene Belegschaft. Für einen nachhaltigen und fairen Wandel im Bankensektor braucht es gezielte Maßnahmen, um Beschäftigungsfähigkeit sicherzustellen, sowie strategische Um- und Aufbauqualifikation, die gleichstellungsfördernde Aspekte berücksichtigt.

„Die Automatisierung ersetzte die Handarbeit durch Automaten, die Digitalisierung ersetzt nun Hirn und Hand“, so kommentiert eine Betriebsrätin aus dem Bankensektor die gegenwärtigen Entwicklungen. Gerade im Finanzbereich schreitet die Digitalisierung stark voran, und der Druck auf die Beschäftigten nimmt zu. Dieser gravierende Strukturwandel war Anlass dafür, die Frage zu stellen, wie Beschäftigung in einer „Bank 2025“ aussehen wird – und zwar mit dem Ziel, frühzeitig arbeitsplatzsichernde und qualifikationsfördernde Maßnahmen zu setzen. Auf Initiative von BankbetriebsrätInnen haben die Gewerkschaft der Privatangestellten, Druck, Journalismus, Papier (GPA-djp) und die AK Wien das Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsunternehmen KPMG mit dieser Fragestellung beauftragt. Die daraus entstandene Erhebung (2018) „Digitalisierung in Banken – wie wirkt sich die Digitalisierung auf die Beschäftigten aus“ zeigt unterschiedliche Szenarien auf, wie Geschäfts- und Betriebsmodelle im Kreditsektor künftig aussehen könnten und welche Qualifikationen in einer Bank der Zukunft gefragt sein werden.

Arbeiten in der Bank der Zukunft

Wie die KPMG-Studie zeigt, sind es insbesondere vier technologische Trends, die die Wertschöpfungskette der Banken beeinflussen und Auswirkungen auf die Organisationsformen der Arbeit haben: Artificial Intelligence, biometrische Daten, die Blockchain bzw. Distributed-Ledger-Technologie und die Cloud. So bietet zum Beispiel die Cloud die Möglichkeit der zeit- und ortsunabhängigen Arbeit und lässt neue Arbeitsformen wie Crowd und Remote Working entstehen. Mithilfe von künstlicher Intelligenz ist es wiederum möglich, viele Tätigkeiten zu automatisieren. Einfache Routinetätigkeiten werden zunehmend nicht mehr von Menschen durchgeführt. Robots und künstliche Intelligenz sind die neuen Kollegen und reduzieren Beschäftigung insbesondere im Zahlungsverkehr. So arbeiten viele der früheren KassierInnen schon jetzt in der Beratung und im Verkauf. Eine Betriebsrätin aus der Branche dazu: „Ich trauere anders als andere dem Kassierjob aber nicht nach. Das war vor vielen Jahren zwar eine der höchstbezahlten Positionen, die wir in einer Bankfiliale hatten. Dann ist diese Arbeit zu einem der geringstqualifizierten Abwicklungsjobs geworden. Wenn was anderes, wie Kundenberatung, stattdessen entsteht, ist das natürlich ein viel spannenderer Job.“ Wobei die Befragte einräumt, dass diese Veränderung nicht jedermanns Sache sei: „Man muss natürlich auch der Typ dafür sein. Es gibt ja Menschen, die waren über ihre sehr klar umrissene Tätigkeit froh.“

Beratung über „digitale Dienstmägde“?

Die Digitalisierung stellt bereits jetzt das traditionelle Bankgeschäft auf den Kopf, mittlerweile können selbst Kredite online abgeschlossen werden: „Das ist nicht Science-Fiction, das gibt es schon“, betont eine Betriebsrätin aus dem Finanzsektor. Seit Jänner 2017 ist es rechtlich und bei einigen Banken in Österreich bereits praktisch möglich via Videoidentifizierung von Ausweis und Gesicht, ein Konto zu eröffnen, ohne auch nur einen Fuß in eine Bankfiliale zu setzen. Generell zeichnet sich in der Beratung der Trend zu Chat und Video ab. So hat die Schweizer Großbank Credit Suisse schon 2017 eine virtuelle Assistentin namens Amelia lanciert, dieser Chatbot unterstützt BankkundInnen insbesondere bei Support-Fragen.

Aber auch in österreichischen Banken wird an digitalen Innovationen gearbeitet: Als eine der Vorreiterinnen in diesem Feld gilt beispielsweise die Erste Group AG mit ihrer digitalen Banking-Plattform George. Ein weiteres aktuelles Beispiel ist die UniCredit Bank Austria AG, die im Herbst 2018 ihr Digitalisierungspaket und damit den ersten Alexa Banken-Skill in Österreich vorgestellt hat. Es handelt sich dabei um eine digitale Sprachassistentin für nicht personalisierte Services, wie Öffnungszeiten, Bank- und Filialfinder oder Finanznews. Eine Frage, die sich – gerade angesichts einer vorwiegend weiblich dominierten Branche – stellt, ist, ob nicht der Einsatz künstlicher Intelligenz vielmehr gängige (Geschlechter-)Stereotypen zementiert, statt für mehr Diversität zu sorgen. Gegenwärtig sieht es, zumindest was „das Geschlecht“ der virtuellen Assistenten (wie Amelia, Alexa, Cortana, Siri) betrifft, eher nach Fortschreibung von Stereotypen aus, denn: Warum sind alle Assistenzsysteme weiblich, sie könnten doch auch Hubert, Bernhard oder Yossi heißen?

Neue Geschäftsmodelle, Auswirkung auf Belegschaftsstruktur

„Es ist nicht nur so, dass wir auf die Digitalisierung reagieren müssen. Im Gegenteil, wir müssen sie vorantreiben, sonst sind wir als Bank nicht dabei, und es gibt uns nicht mehr“, argumentiert eine Betriebsrätin den rasanten Strukturwandel. Challenger-Banken und Technologieanbieter haben mittlerweile oft das attraktivere Angebot und zwingen klassische Banken verstärkt dazu, neue Geschäftsmodelle zu entwickeln. Beispiele dafür sind etwa die „Plattformbank“, die „Bank als Datenschützer“ (d. h. die Bank verwahrt digital die persönlichen Daten ihrer Kunden), die „unsichtbare Bank“ (d. h. mithilfe von Technologie erfolgen Finanzdienstleistungen automatisch im Hintergrund) und die „Bank als Ökosystem“ (d. h. die Plattformarbeit wird z. B. mit den Vorteilen aus der Aufbewahrung von Daten verbunden). Diese neuen Geschäftsmodelle ziehen Veränderungen in Organisation, Strukturen und Prozessen nach sich, was wiederum Auswirkungen auf Anforderungsprofile der MitarbeiterInnen und letztlich auf die Beschäftigtenstruktur selbst hat. Bedingt durch diese Veränderungsprozesse, beobachtet eine Arbeitnehmervertreterin verstärkt die Tendenz, dass das Qualifikationsniveau der Belegschaft im Kreditinstitut zunehmend einem U entspricht: Das bedeutet, es finden sich immer mehr niedrige und sehr hoch qualifizierte MitarbeiterInnen, während im mittleren Bereich, in dem viele Frauen beschäftigt sind, Arbeit wegzubrechen droht. Die Betriebsrätin hält dazu fest: „Früher war es so, dass du in einer Bank ohne Studium auch eine schöne Karriere machen konntest. Was mir Sorgen macht, ist, dass mit der Automatisierung schon einfache Jobprofile verloren gegangen sind. Nun trifft die Digitalisierung auch qualifizierte Jobprofile.“

Künftige Beschäftigungsentwicklung

Der Kreditsektor ist einer der größten Arbeitgeber des Landes: Ende des Jahres 2018 beschäftigten Geldinstitute in Österreich insgesamt 73.508 Personen, diese weisen laut OeNB vergleichsweise längere Beschäftigungsdauern auf, sind älter und überdurchschnittlich gut ausgebildet. Die Belegschaft setzt sich zu mehr als der Hälfte aus Frauen zusammen. Die Mehrheit der beschäftigten Frauen arbeitet nach wie vor Vollzeit, wobei die Teilzeitquote in den vergangenen zehn Jahren signifikant von 31,5 Prozent auf mittlerweile 47,1 Prozent im Jahr 2018 gestiegen ist. Das ist ein überproportionaler Anstieg um 15,6 Prozentpunkte, während die Teilzeitquote von Frauen in Österreich insgesamt von 2008 auf 2017 um 6,2 Prozentpunkte auf 48,3 Prozent zugenommen hat. Für die künftige Entwicklung zeigen die vorliegenden KPMG-Schätzungen folgende Trends in den unterschiedlichen Segmenten:

  • Zum Rückgang der Beschäftigung dürfte es in den Bereichen Kundenbetreuung Retail, Kundenservice Retail, Zahlungsverkehr, Marktfolge aktiv, Marktfolge passiv/WP und Treasury kommen. Kundenbetreuung und Kundenservice Retail sind darüber hinaus Bereiche, in denen die Veränderungsintensität voraussichtlich hoch ausfallen dürfte.
  • Im Gegensatz dazu wird in den Bereichen IT, Datenmanagement, Customer Care, Produktspezialisten und Produktmanagement Beschäftigung entstehen.
  • Viele Segmente, wie z. B. das Kreditrisikomanagement oder die Vertriebssteuerung und Omnikanal-Management, werden eine umfassende Transformation durchlaufen.

Die KPMG-Prognose zeigt, dass Banken neben der Rekrutierung insbesondere den Weg der Qualifizierung beschreiten müssen. Sektorübergreifende Gespräche zum Thema „Recht auf und Zeit für Qualifizierung“, wie sie im Rahmen der Kollektivvertragsverhandlungen 2019 zwischen der GPA-djp und den Arbeitgebern im Finanzsektor vereinbart wurden, sind ein erster wichtiger Schritt.

Qualifizierung fördern, Gleichstellung stärken

Die Arbeit von (immer weniger) BankmitarbeiterInnen erfordert (immer mehr) technische, beraterische, kommunikative und konfliktlöserische Fähigkeiten. Dafür braucht es Zeit und ein Recht auf Qualifizierung. Und es braucht proaktive Personalentwicklungsmaßnahmen, um Beschäftigungsfähigkeit sicherzustellen. Oberste Priorität sollte dabei die strategische Um- und Aufbauqualifikation jener Beschäftigten haben, deren Arbeitsplätze wegzufallen drohen bzw. deren Tätigkeitsprofile sich massiv verändern. Gerade im Bankensektor – mit seiner hohen Frauenbeschäftigung und den männlich dominierten Führungsebenen – ist bei der Umsetzung von Digitalisierungs- und Qualifizierungsprojekten darauf zu achten, dass sich weder Geschlechterungerechtigkeit verfestigt, noch Polarisierung (von Einkommen, Zugängen, Qualifizierung etc.) zunimmt. Gerade jetzt braucht es betriebliche Gleichstellungsmaßnahmen, um weibliche Beschäftigte im Kreditsektor aktiv für qualifizierte (zukünftige) Beschäftigungsbereiche (wie z. B. Datenschutz, Cybersecurity, Datenmanagement, User Experience, IT Architecture, Machine Learning und Artificial Intelligence sowie Robotics) weiterzuqualifizieren und aktiv Frauen für Lehr- oder Berufsausbildungen in MINT-Fächern zu motivieren. Zudem ist insbesondere im Rekrutierungsprozess auf Gleichstellung zu achten, und es sind Anforderungsprofile so zu formulieren, dass sich auch Frauen angesprochen fühlen. Good-Practice-Beispiele aus dem Bankenbereich sind z. B. fachspezifische Ausbildungen speziell für Frauen (insbesondere in männerdominierten hoch qualifizierten Bereichen), die Festlegung eines ambitionierten Zieles zum Frauenanteil in Führungspositionen und begleitende Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie, die sich zugleich an Frauen und Männer richten.

Erfolgsfaktor Mitbestimmung

Die zündende Idee, wie ein neues Narrativ im Bankensektor aussehen soll, sehen wir noch nicht“, so kommentiert GPA-djp-Vorsitzende Barbara Teiber die Entwicklungen im Kreditsektor. Bis jetzt werde vor allem gespart und zwar am meisten bei den MitarbeiterInnen, kritisiert die Gewerkschaft: Von 80.293 Beschäftigten im Jahr 2008 hat sich der Personalstand um mehr als 6.785 (–8,5 %) auf zuletzt 73.508 Beschäftigte (2018) reduziert. Laut Erfahrungsberichten von BetriebsrätInnen dürften es sogar noch weniger sein, da in dieser Statistik auch Beschäftigte „mitgezählt“ werden, die aufgrund von Sozialplanvereinbarungen nicht mehr im Arbeitsalltag zur Verfügung stehen. Deutlich weniger Personal muss demnach eine Unzahl neuer Anforderungen stemmen. Ein nachhaltiges Geschäftsmodell sieht anders aus: Dafür braucht es eine mittelfristig ausgerichtete Personalplanung, die Anforderungen an fachliche, technische, organisatorische und persönliche Fähigkeiten entwickelt. Der Einsatz von Robot-BeraterInnen sollte nur unter der Maßgabe erfolgen, dass dadurch ein sinnvolles Nebeneinander von Digital und Analog gefördert wird – die Letztverantwortung muss dabei jedoch immer beim Menschen liegen (human in command). Außerdem bedarf es verbindlicher Regelungen von Haftungsfragen in der Mensch-Maschine-Kommunikation bzw. beim Einsatz von Algorithmen zur Entscheidungsfindung. Um einen fairen und letztlich erfolgreichen Veränderungsprozess zu gewährleisten, ist die Einbindung der Beschäftigten sowie der betrieblichen und überbetrieblichen Interessenvertretungen entscheidend. Impulse für einen „fairen Wandel“ setzt auch die AK Wien: Seit Jahresbeginn 2019 wird zum einen die Qualifizierung der Beschäftigten im Zusammenhang mit Digitalisierung gefördert, und zum anderen unterstützt der Digitalisierungsfonds Arbeit 4.0 Projekte, die den digitalen Wandel im Sinne der ArbeitnehmerInnen mitgestalten.

Nähere Informationen finden Sie in Kürze im „Bericht zu den Auswirkungen der Digitalisierung auf Beschäftigte in ausgewählten Branchen mit hoher Frauenbeschäftigung“ (Arbeitstitel), dessen Veröffentlichung in Vorbereitung ist.

Heute findet zudem die Veranstaltung „Wege zur mitbestimmten Digitalisierung: Gestaltungsoptionen für Betriebsräte“ in der GPA-djp statt. Nähere Informationen dazu finden Sie hier.