Laut Regierungsprogramm soll die Pension von Eltern künftig partnerschaftlich bis zum zehnten Lebensjahr des Kindes aufgeteilt werden und zwar von Gesetzes wegen, ohne dass dafür – wie bisher – ein eigener Antrag erforderlich wäre. Die türkis-grüne Regierung sieht in diesem sogenannten „automatischen Pensionssplitting“ eine wirksame Maßnahme zur Verhinderung von Altersarmut bei Frauen. Schein oder Sein? Dieser Frage wird im folgenden Artikel nachgegangen.
Derzeitige Rechtslage
Ab 1.1.1955 Geborene sammeln seit 2005 pro Jahr 1,78 Prozent desJahresentgelts als sogenannte Teilpensionsgutschrift auf dem individuellen (virtuellen)Pensionskonto. Die Summe dieser jährlichen – mit der durchschnittlichenEinkommensentwicklung aufgewerteten – Teilgutschriften bildet in der Folge diezukünftige Pension. Im Rahmen des freiwilligen Pensionssplittings ist es fürden (überwiegend) erwerbstätigen Elternteil möglich, vom Jahr der Geburt desleiblichen Kindes bis zu dem Jahr, in dem es sieben Jahre alt wird, einenProzentsatz (Höchstgrenze: 50 Prozent) dieser jährlich erworbenen Teilpensionsgutschriftdem überwiegend mit der Kindererziehung betrauten Elternteil zu übertragen. Hatdas Elternpaar mehrere Kinder, können insgesamt bis zu 14 (Jahres-)Teilpensionsgutschriftengesplittet werden.
Folgendes Beispiel soll die derzeitige Rechtslage zum Pensionssplittingveranschaulichen:
Anton arbeitet Vollzeit, seineLebensgefährtin Berta ist Teilzeit beschäftigt. Die beiden haben einengemeinsamen Sohn, der am 30.11.2013 geboren wurde. Anton könnte ab dem Jahr 2013bis zum Jahr 2020 (30.11.2020: 7. Geburtstag des Kindes) Berta bis zu 50Prozent seiner jährlich erworbenen Teilpensionsgutschriften auf ihrPensionskonto übertragen. Nachdem bei Berta die ersten 48 Monate nach Geburt ihresKindes (also bis 2017) durch den Erwerb der sogenannten Kindererziehungszeitenpensionsrechtlich abgesichert sind, könnten sich die beiden dafür entscheiden,die Pension von Anton erst ab dem Jahr 2018 zu splitten. Die Wahl desProzentsatzes steht den beiden frei und ist nur mit der Hälfte der Gutschriftbeschränkt: Anton könnte Berta im Jahr 2018 z. B. 30 Prozent seiner indiesem Jahr erworbenen Teilpensionsgutschrift übertragen, im Jahr 2019 20Prozent und im Jahr 2020 10 Prozent. Ab dem Jahr 2021 wäre einPensionssplitting nach derzeitiger Rechtslage für die beiden nicht mehrmöglich.
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Einkommen 2018: | € 4.000,00 | € 1.000,00 |
Derzeitige Rechtslage Teilpensionsgutschrift aus 2018 | € 996,80 | € 249,20 |
Pension pro Monat aus 2018 | € 71,20 | € 17,80 |
Teilpensionsgutschrift aus 2018 nach dem Pensionssplitting von 30% | € 697,76 | € 548,24 |
Pension pro Monat nach dem Pensionssplitting | € 49,84 | € 39,16 |
(Vereinfachte Darstellung ohne Berücksichtigung desjährlichen Aufwertungsfaktors.) Anton hat im Jahr 2018 eine jährliche Teilpensionsgutschriftin Höhe von € 996,80 (Jahreseinkommen: € 4.000,00 x 14 = € 56.000,00; davon1,78% ergeben € 996,80) gesammelt. Im Rahmen des Pensionssplittings hat er 30%an Berta übertragen, somit einen Betrag von € 299,04. Gemeinsam mit ihreraus ihrer Beschäftigung erworbenen Pensionsgutschrift ergibt dies ein Guthabenvon € 548,24 (= € 249,20 + € 299,04) für das Jahr 2018. Für die Berechnung derkünftigen monatlichen Pension muss die jährliche Teilpensionsgutschrift nochdurch 14 dividiert werden, € 548,24 : 14 = € 39,16. Ihr Guthaben für diezukünftige monatliche Pension aus dem Jahr 2018 erhöht sich durch dasfreiwillige Pensionssplitting damit auf € 39,16.
Hintergrund der Regierungspläne
Bis dato wurde von der Möglichkeit des Pensionssplittings kaum Gebrauch gemacht: Zwischen 2005 – dem Jahr der Einführung – und 2018 waren es knapp 1.300 Paare, und in fast einem Drittel der Fälle wurde die Teilung der Pension zugunsten des Vaters durchgeführt. Die Zahlen verwundern: In diesem Zeitraum wurden jährlich im Durchschnitt über 80.000 Kinder lebend geboren. Die Teilzeitquote von Müttern im Alter zwischen 25 und 49 Jahren mit Kindern unter 15 Jahren liegt inzwischen bei 73 Prozent, von Vätern hingegen bei 6,4 Prozent. Die Teilzeitperioden von Frauen dauern im Durchschnitt zehn Jahre.
Neue Regierung will Altersarmut vonFrauen mittels automatischen Pensionssplittings verhindern
Die neue Regierung plant nun, das Pensionssplitting automatisch zuvollziehen und zwar bis zum zehnten Lebensjahr des Kindes, mit einereinmaligen, zeitlich befristeten Opt-out-Möglichkeit. In dieser neuen Form solldas Jahreseinkommen beider Elternteile zusammengerechnet werden und die darauserrechnete Teilpensionsgutschrift in Höhe von 1,78 Prozent jeweils zu 50 Prozentauf die Pensionskonten von Vater und Mutter aufgeteilt werden.Kindererziehungszeiten sollen vom Pensionssplitting „ausgenommen sein“. Ob dieRegierung damit meint, dass die ersten 48 Monate des Kindes vomPensionssplitting ausgenommen sind oder ob die Kindererziehungszeiten demüberwiegend mit der Kindererziehung betrauten Elternteil zusätzlich gebühren,ist nicht ganz klar, es ist aber wohl eher von Ersterem auszugehen. Interessantwird auch die rechtliche Umsetzung, wenn eine Frau mehrere Kinder vonunterschiedlichen Vätern hat und diese allein großzieht.
Am vorherigen Beispiel soll versucht werden, die geplante Neuregelung des automatischen Pensionssplittings darzustellen:
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Einkommen 2021: | € 4.000,00 | € 1.000,00 |
Jährliche Teilpensionsgutschrift | € 996,80 | € 249,20 |
Pension pro Monat aus 2021 | € 71,20 | € 17,80 |
Automatisches Pensionssplitting | € 623,00 | € 623,00 |
Pension pro Monat aus 2021 | € 44,50 | € 44,50 |
(Vereinfachte Darstellung ohne Berücksichtigung des jährlichenAufwertungsfaktors.) Anton verdient im Jahr 2021 monatlich € 4.000,00, Berta €1.000,00. Gemeinsam haben sie ein Jahreseinkommen von € 70.000,00 (€ 4.000,00 x14 + € 1.000,00 x 14 = € 70.000,00). Sie sammeln im Jahr 2021 eineGesamtjahres-Pensionsgutschrift in Höhe von € 1.246,00 (1,78% von € 70.000,00),diese wird jeweils zu 50% geteilt. Somit erwirbt jeder Elternteil im Jahr 2021eine Teilpensionsgutschrift von € 623,00. Für die Berechnung der künftigenmonatlichen Pension muss dieser Betrag noch durch 14 dividiert werden: Beidesammeln jeweils € 44,50 im Jahr 2021 für ihre zukünftige monatliche Pension.
In Anbetracht des beträchtlichen Pension-Gaps zwischen Männern und Frauen wäre dem Gedanken eines automatischen Pensionssplittings durchaus etwas abzugewinnen. Allerdings bleiben Zweifel, ob das Ziel einer „wirksamen Bekämpfung von Altersarmut von Frauen“ tatsächlich damit erreicht werden kann:
Problemstellung 1 – nurPensionsgutschriften aus Erwerbstätigkeit teilbar
Nach der bisherigen Rechtslage können ausschließlich Teilpensionsgutschriften ausErwerbstätigkeit gesplittet werden. Wenn die Regierung an diesem Prinzipfesthalten will, geht sie offenbar von gesunden, gut verdienenden Vätern mitsicheren Arbeitsplätzen aus. Was ist aber mit den Familien, bei denen einsoziales Risiko wie Krankheit, Arbeitslosigkeit oder Pension und damitgeminderte Arbeitsfähigkeit eingetreten ist? Wenn der bisher überwiegenderwerbstätige Partner in den Arbeitslosengeldbezug rutscht, sind dieVoraussetzungen für das Pensionssplitting nicht mehr gegeben. Dasselbe gilt fürPensionsgutschriften aus dem Krankengeldbezug. Bekommt der Vater des leiblichenKindes Sozialhilfe, ist er während dieser Zeit nicht einmal pensionsversichert.
Inwiefern kann eine Maßnahme aber als wirksam bezeichnet werden, wenneine Vielzahl von Frauen von ihr gar nicht profitieren wird können?
Anhand eines Beispiels soll diese Problemstellung veranschaulichtwerden:
Anton erkrankt im Jahr 2020 an Krebs. Im Jahr 2021bezieht er ausschließlich Krankengeld. Ein automatisches Pensionssplitting wäreim Jahr 2021 ausgeschlossen.
Problemstellung 2 – fehlendebilaterale Abkommen
Es gibt viele Länder, mit denen Österreich kein bilaterales Abkommen imBereich der sozialen Sicherheit abgeschlossen hat. Wenn ein Vater – aus welchemGrund auch immer – in einen solchen Staat auswandert, würden seinepensionsrechtlichen Versicherungszeiten, die er dort sammelt, in Österreichnicht anerkannt werden. Eine Übertragung mittels Pensionssplitting wäre damitebenfalls ausgeschlossen. Haben die betroffenen Mütter in diesen Fällen einfachPech gehabt?
Anhand eines Beispiels soll diese Problemstellung veranschaulichtwerden:
Anton bekommt ein lukratives Angebot von einemjapanischen Geschäftspartner. Er trennt sich von Berta und geht nach Tokio.Selbst wenn er in Tokio umgerechnet € 10.000,00 monatlich verdient, wäre fürBertas Pensionskonto nichts gewonnen, da es kein bilaterales Abkommen zwischenÖsterreich und Japan im Bereich der sozialen Sicherheit gibt.
Problemstellung 3 – Pensionbleibt unter Ausgleichszulagenrichtsatz
Wenn die künftige Pension der Frau trotz automatischenPensionssplittings unter dem Ausgleichszulagenrichtsatz bleibt, wäre für sieunter Umständen nichts gewonnen, der Mann würde aber trotzdem eine geringerePension erhalten. Haben in diesen Fällen einfach beide Pech gehabt?
Anhand eines Beispiels soll diese Problemlage veranschaulicht werden:
Berta ist 60 Jahre alt, geschieden und hat einenAnspruch auf Alterspension in der Höhe von € 750,00 brutto. Im Rahmen derScheidung hat sie auf Unterhalt verzichtet. Sie würde nach der derzeitigenRechtslage eine Ausgleichszulage zu ihrer Pension erhalten, da ihre Pensionunter dem Ausgleichszulagenrichtsatz (im Jahr 2020: € 966,65 brutto) liegt.Wenn sich ihre Pension aufgrund des Pensionssplittings auf € 950,00 belaufenwürde, würde sie trotzdem denselben Betrag (im Jahr 2020: € 966,65 brutto)ausbezahlt bekommen, da sich die durch das Pensionssplitting erhöhte Pension inHöhe von € 950,00 ebenfalls unter dem Ausgleichszulagenrichtsatz bewegt.
Keine wirksame Maßnahme gegenAltersarmut von Frauen
Auch im Jahr 2020 geht die Aufteilung von bezahlter Erwerbsarbeit und Kinderbetreuung zwischen den Elternteilen eindeutig zulasten der Mütter. Die Gründe dafür sind vielschichtig. Die Einführung eines automatischen Pensionssplittings würde zu einer fairen Aufteilung von Pensionsgutschriften zwischen den Elternteilen bis zum 10. Lebensjahr des Kindes führen. Allerdings könnten viele Mütter von dieser Maßnahme gar nicht profitieren. Eine wirksame Bekämpfung von Altersarmut von Frauen sollte aber alle Mütter im Fokus haben, insbesondere diejenigen, die bereits jetzt von Armut betroffen sind. Weiters führt ein Pensionssplitting auch dazu, dass Zeiten für die Kindererziehung unterschiedlich bewertet werden – je nach Einkommen des überwiegend erwerbstätigen Elternteils. Die Wahl des Partners wird unter diesem Aspekt wichtiger denn je. Aber machen wir damit nicht einen Rückschritt in vorige Jahrhunderte?