Pädagogische Hochschulen: Stiefkind des Hochschulsektors

07. Juli 2023

Um Schüler:innen bestmöglich auf das spätere (Berufs)leben vorzubereiten, Schulen weiterzuentwickeln und auf aktuelle Herausforderungen reagieren zu können, braucht es ausreichend und gut ausgebildete Pädagog:innen. Diese werden vor allem an Pädagogischen Hochschulen (PH) aus- und weitergebildet. PHs nehmen deshalb auch eine zentrale Rolle in der Bewältigung des Lehrer:innenmangels ein. In den nächsten Jahren werden jährlich 5.500 Lehrer:innenstellen frei, die nachbesetzt werden müssen – vor allem im Bereich der Volksschulen und in naturwissenschaftlichen Fächern. Darum hat das Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung (BMBWF) im österreichischen Hochschulplan festgelegt, dass die PHs die Anzahl ihrer Absolvent:innen von gegenwärtig rund 2.600 auf 4.000 bis 5.400 bis 2030 erhöhen sollen. Gleichzeitig soll die Betreuungsrelation, also die Anzahl von Studierenden pro Lehrenden, verbessert werden. Das sind sehr ambitionierte Ziele. Doch: Wie realistisch sind diese Zielvorhaben und haben die Pädagogischen Hochschulen die notwendigen Ressourcen, um sie umzusetzen?

Pädagogische Hochschulen: Zentrale Einrichtungen für die Aus- und Weiterbildung von Pädagog:innen

Die Ausbildung von Lehrer:innen für das Lehramt Primarstufe übernehmen in Österreich die Pädagogischen Hochschulen, für die Sekundarstufe funktioniert die Ausbildung in sogenannten „Ausbildungsverbünden“ in Zusammenarbeit mit den Universitäten. Während die Universitäten autonome Einrichtungen sind, werden die PHs als Dienststellen des BMBWF geführt und sind ihm direkt untergeordnet. In Österreich gibt es zurzeit 14 PHs, davon neun öffentliche und fünf private Einrichtungen, Letztere überwiegend in der Führung von Religionsgemeinschaften. Gemessen an der Zahl der Studierenden, zählen die PH Wien, die private PH Wien-Krems und die PH Steiermark zu den größten Pädagogischen Hochschulen des Landes.

Die PHs bilden Pädagog:innen aller pädagogischen Berufsfelder aus und weiter. Sie bieten Lehramtsstudien für die Primarstufe und für die Sekundarstufe (Allgemeinbildung und Berufsbildung) an. Hinzu kommen Bachelorstudien in anderen pädagogischen Bereichen (z. B. Elementarpädagogik). Die Zahl der Lehramtsstudierenden an PHs ist nach einem kurzen Rückgang nach der Einführung der „Pädagog:innenbildung Neu“ seit 2017/18 stetig gestiegen (vgl. Grafik). Im Jahr 2021/22 studierten rund 20.000 Studierende an den PHs in Österreich.

Dekoratives Bild © A&W Blog
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Neben der Ausbildung finden an PHs Fort- und Weiterbildung für alle Pädagog:innen statt. Laut PH-Entwicklungsplan werden an den PHs durchschnittlich 16.000 Studierende weitergebildet. Hinzu kommt die Fortbildung von rund 120.000 Pädagog:innen (Lehrer:innen und Elementarpädagog:innen) im Rahmen von Einzelveranstaltungen und Veranstaltungsreihen sowie schulinterner oder schulübergreifender Maßnahmen.

Finanzierung der PHs: Budgetentwicklung seit 2015

Zur Gewährleistung der umfassenden Aus- und Weiterbildung von Pädagog:innen braucht es ausreichend budgetäre Ressourcen an den PHs. Der Großteil der Auszahlungen umfasst die Bedeckung des Personalaufwandes, welcher aktuell 1.415 (Hochschul-)Lehrpersonen beträgt. Das Budget für Pädagogische Hochschulen betrug im selben Jahr (2021) rund 238 Mio. Euro (letzte verfügbare Zahlen). Seit 2015 sind die Auszahlungen real um 35,3 Mio. Euro (+17,3 Prozent) gestiegen. Der Bundesvoranschlag (BVA) für das Jahr 2022 sieht eine weitere kleinere Steigerung von rund 10 Mio. Euro auf insgesamt 248,5 Mio. Euro vor. Werden die Auszahlungen für PHs allerdings inflationsbereinigt dargestellt (zu Preisen von 2015), dann ergibt sich ein verändertes Bild: Seit 2015 ist das Budget nur geringfügig gestiegen (siehe Grafik 2). Die Auszahlungen für PHs im Jahr 2021 lagen trotz gestiegener Studierenden-, Weiterbildungs- und Personalzahlen nur 5 Prozent über dem Jahr 2015.

Auch im Vergleich mit den Universitäten zeigen sich quantitative Unterschiede. Während die durchschnittlichen Ausgaben pro ordentlichen Studierenden im Jahr 2021 an den Universitäten 15.618 Euro betrugen, lag dieser Wert für PH-Studierende bei 11.868 Euro. Pro PH-Studierenden steht somit etwa ein Viertel weniger Budget zur Verfügung.

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Vision 2030: Steigerung der Absolvent:innen bei gleichzeitiger Verbesserung der Betreuungsrelation

Wie sollen sich Pädagogische Hochschulen im Kontext des anhaltenden Pädagog:innenmangels weiterentwickeln? Die Grundlagen für die Entwicklung der Hochschulsektoren werden im österreichischen Hochschulentwicklungsplan (HoP) des BMBWF festgelegt. Neben qualitativen Entwicklungslinien gibt der HoP auch konkrete Zielwerte für ausgewählte quantitative Indikatoren vor. Im Mittelpunkt steht vor allem (1) die Steigerung der Zahl der Studienabschlüsse und (2) die Verbesserung der Betreuungsrelation. Die festgelegte Zielvorstellung für die Zahl der Absolvent:innen an PHs beträgt für das Jahr 2030 rund 4.000 bis 5.400 Studienabschlüsse, was in etwa einer Verdoppelung der PH-Absolvent:innen von 2019/20 entspricht (siehe Grafik 1). Um die Zahl der frei werdenden Lehrer:innenstellen im gleichen Zeitraum abzudecken, erscheint die Obergrenze von rund 5.400 Studienabschlüssen als ambitioniertes und zugleich notwendiges Ziel. Gleichzeitig soll sich laut Hochschulentwicklungsplan die Betreuungsrelation und damit die Qualität der Lehre verbessern. Im Jahr 2019/20 kamen auf eine Lehrkraft zwölf Studierende (1:12), wobei sich die Betreuungsrelation lediglich auf Studierende bezieht und Weiterbildungskurse sowie die Vielzahl an Lehrgangsstudierenden nicht mit einbezieht. Bis zum Jahr 2030 soll diese Betreuungsrelation an Pädagogischen Hochschulen in Österreich auf 1:11 gesenkt werden.

Mismatch: Zielvorhaben und verfügbare Ressourcen

Wie ambitioniert diese Zielvorhaben sind, zeigt ein einfaches Rechenbeispiel: Wenn bis zum Jahr 2030 durchschnittlich 5.000 Absolvent:innen erreicht werden sollen, muss die Zahl der jährlichen Studienanfänger:innen schon 2026 fast 6.000 Personen betragen (bleibt die gegenwärtige Drop-out-Rate von 19 Prozent konstant). Bis 2030 müsste damit die Zahl der Lehramtsstudierenden an den PHs auf rund 38.500 steigen. Dies entspricht einer Verdopplung der Studierendenzahl des Jahres 2020/21. Um das Ziel einer Steigerung der Absolvent:innen zu erreichen, bedarf es folglich einer massiven Aufstockung des Lehrpersonals sowie eines infrastrukturellen Ausbaus der PHs. Die angestrebte Verbesserung der Betreuungsrelation oder der Ausbau der Angebote für die Weiterbildung von Pädagog:innen (z. B. im Bereich Digitalisierung) sind in diesem Beispiel noch gar nicht berücksichtigt. Ohne eine substanzielle Aufstockung des Bundesbudgets für PHs, welches in den letzten Jahren ohnehin kaum gestiegen ist, können die Zielvorhaben folglich bis 2030 kaum bewältigt werden.

Resümee: PHs stehen vor multiplen Herausforderungen

In der öffentlichen Debatte um den Lehrer:innenmangel wird die Situation der Pädagogischen Hochschulen kaum berücksichtigt. Sie nehmen jedoch eine maßgebliche Rolle bei der Bewältigung dieses Problems ein und stehen gegenwärtig vor großen Herausforderungen:

  • Sie sind aufgefordert, viele Studierende zu rekrutieren und auszubilden, um der hohen Nachfrage nach Lehrkräften in den Schulen Rechnung zu tragen.
  • Um die Zielvorgabe einer Steigerung der Absolvent:innen bis 2030 zu erreichen, brauchen sie dringend mehr Budget und Personal.
  • Mehr Personal wird zudem benötigt, um die zweite quantitative Zielvorgabe (Verbesserung der Betreuungsrelation) zu erreichen.
  • Eine Erhöhung der Zahl der Studierenden und Lehrenden zieht natürlich auch eine gestiegene Nachfrage nach räumlichen Ressourcen nach sich.
  • Weitere Herausforderungen stellen, neben dem Ausbau der bereits heute von PHs erfüllten Aufgaben (wie Weiterbildungsangebote für Lehrer:innen und Elementarpädagog:innen), die in Zukunft wahrscheinlich hinzukommenden Aufgaben dar (z. B. die Ausbildung der gegenwärtig diskutierten Assistenzpädagog:innen).
  • Auch die derzeit diskutierte Verkürzung der Ausbildungsdauer des Lehramtsstudiums würde in der Umsetzung für die PHs großen organisatorischen Aufwand bedeuten, um die Qualitätsstandards im Studium zu halten.
  • Nicht zuletzt: Die PHs nehmen ebenso eine tragende Rolle in der Begleitung der vielfältigen schulischen Entwicklungsprojekte ein.

Neben den oben beschriebenen quantitativen Zielen müssen PHs auch weiterhin eine Vielzahl an qualitativen Zielen erfüllen, auf welche hier noch nicht eingegangen wurde. Es zeigt sich klar: Um die Mammutaufgaben der Erhöhung der Anzahl an Lehrer:innen als auch der Modernisierung der Aus- und Weiterbildung zu bewältigen, benötigen die Pädagogischen Hochschulen ausreichend Ressourcen. Eine Erhöhung des Budgets, das sich ohnehin in den letzten Jahren kaum entwickelt hat, ist daher dringend notwendig.

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