Operationstechnische Assistenz: ein neuer Gesundheitsberuf auf dem Prüfstand

01. Juli 2022

Mit 1. Juli 2022 gibt es einen neuen Gesundheitsberuf in Österreich – die Operationstechnische Assistenz. Fehlendes Personal in der OP-Pflege, internationale Erfahrungswerte und vor allem der Druck mancher Träger haben dazu geführt, dass ab dem heurigen Sommer ein neues Berufsbild den OP-Bereich im Krankenhaus ergänzt. Klarerweise ist das Interesse aller Betroffenen groß. Was können und dürfen Angehörige dieses Berufs? Welche Chancen haben Kolleg*innen, die diesen Beruf ergreifen, und ist dieser Beruf tatsächlich ein Beitrag zur Lösung der Personalsituation im OP-Bereich? Eine aktuelle Kurzanalyse aus Sicht des Berufsrechts und der Arbeitsbedingungen.

Die lange Geschichte der Gesundheits- und Krankenpflege

Ursprünglich waren die Berufsrechte der Gesundheits- bzw. Pflegeberufe in einem einheitlichen Gesetz, dem KrankenpflegeG geregelt. Da diese gesetzliche Grundlage, welche mitunter die Berufsrechte von bis zu 22 Gesundheitsberufen enthielt, ihren vielfältigen Anforderungen bereits seit längerer Zeit nicht mehr gerecht werden konnte, wurde sie beginnend in den 1990-er Jahren auf verschiedene Spezialnormen aufgesplittet. Nach und nach wurden für die einzelnen Gesundheits- bzw. Pflegeberufe eigene Gesetze erlassen. Das Berufsrecht der Angehörigen des gehobenen Dienstes für Gesundheits- und Krankenpflege findet sich etwa seit 1997 im Gesundheits- und Krankenpflegegesetz GuKG. Als letzte berufsrechtliche Grundlage wurde 2012 das MABG (Medizinische Assistenzberufe-Gesetz) für die Angehörigen der medizinischen Assistenzberufe erlassen.

Die Anforderungen an die Pflegeberufe unterliegen ständigen Veränderungen. Diese wirken sich etwa auf die Arbeitsbedingungen und die Gestaltung des arbeitsteiligen Zusammenwirkens aus. Deshalb ist jedenfalls erforderlich, immer auch die entsprechenden rechtlichen Grundlagen an die geänderten Anforderungen anzugleichen und zu novellieren. Größere Änderungen im Pflege- und Gesundheitsbereich wurden etwa im Zuge der GuKG-Novelle 2016 vorgenommen. Eingeführt wurde im Rahmen dieser Gesetzesänderung der neue Beruf der zweijährigen Pflegefachassistenz, und die Pflegehilfe wurde mit kleineren Kompetenzerweiterungen in die Pflegeassistenz übergeführt. Der Gehobene Dienst der Gesundheits- und Krankenpflege wurde als generalistisches Berufsbild eingeführt, zudem wurde eine durchgehende Akademisierung des Gehobenen Dienstes bis Ende 2023 angestrebt, die dreijährige Ausbildung an Gesundheits- und Krankenpflegeschulen soll – vorbehaltlich der laufenden Evaluierungauslaufen. Für Angehörige des Gehobenen Dienstes der Gesundheits- und Krankenpflege wurde die Möglichkeit geschaffen, sich nach einer einheitlichen Grundausbildung in bestimmten Bereichen zu spezialisieren. Österreich schließt mit der Akademisierung des Gehobenen Dienstes an international erprobte Standards an.

Im Rahmen der am 12. Mai präsentierten Pflegereform sind auch Veränderungen für die Berufe der Gesundheits- und Krankenpflege geplant. Hauptziel ist es, Kompetenzen zu den Pflegeassistenzberufen zu verschieben. Die Stellungnahmen zu den geplanten Änderungen fielen – insbesondere vonseiten der Arbeitnehmer*innenvertretung – kritisch aus. Mit Spannung bleibt nun zu erwarten, inwieweit diese Kritik nunmehr Einfluss nimmt und allenfalls zu entsprechenden Änderungen der Gesetzesvorlage führt.

Großbaustelle OP-Pflege

Was sich schon vor Covid-19 abgezeichnet hat, hat sich während der Pandemie noch in einem verstärkten Ausmaß gezeigt: Im OP-Bereich fehlen zahlreiche OP-Pfleger*innen. Neben erschwerten und wenig attraktiven Arbeitsbedingungen wird von Trägern oft die jahrelange Ausbildung als Begründung für die prekäre Personalsituation angeführt. Bis zur Einführung des neuen Berufes der Operationstechnischen Assistenz arbeiteten im OP-Bereich neben Ärzt*innen und Angehörigen der Medizinischen Assistenzberufe, Angehörige des Gehobenen Dienstes mit Sonderausbildung/Spezialisierung OP-Pflege.

Damit Angehörige des gehobenen Dienstes im OP-Bereich tätig werden können, müssen sie sich nach Absolvierung der Grundausbildung im OP-Bereich spezialisieren. Die Grundausbildung im gehobenen Dienst dauert drei Jahre und umfasst mindestens 4.600 Stunden. Nach abgeschlossener Grundausbildung besteht für Berufsangehörige die Möglichkeit, sich u. a. im OP-Bereich zu spezialisieren. Hierbei ist zu beachten, dass die Spezialisierung innerhalb von fünf Jahren ab Tätigkeitsaufnahme erfolgreich absolviert werden muss, wobei es zu einer Fristhemmung während der aktuellen Covid-Pandemie kommt. Die Ausbildung der Operationsassistent*innen umfasst aktuell hingegen nur mindestens 1.100 Stunden.

Anstelle der dreijährigen Grundausbildung und daran aufbauender einjähriger OP-Sonderausbildung mit 1.000 Stunden kann der neu geschaffene Beruf der OTA nunmehr in insgesamt „nur“ drei Jahren erlernt werden.

Dekoratives Bild © A&W Blog
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Exkurs: Bereits bisher war es möglich, im Ausland – etwa in Deutschland oder der Schweiz – erworbene Ausbildungen zur Operationstechnischen Assistenz partiell anerkennen zu lassen und in diesem Berufsfeld zu arbeiten. Die Kolleg*innen haben dann bei der Registrierung einen Sondervermerk im Register. Bisher haben nur ca. 25 Personen diese Chance ergriffen und sich registrieren lassen. Österreichweit wurden bis zum 21. Oktober 2021 insgesamt 58 partielle Anerkennungen erteilt. Schon lange vor der Einführung der OTA wurde über den Bedarf nach einem neuen Gesundheitsberuf im OP-Bereich diskutiert. Es dauerte jedoch einige Jahre, bis schließlich die Gesundheit Österreich – angelehnt an die deutsche/schweizerische Rechtslage – ein Konzept zur Schaffung der rechtlichen Grundlagen erarbeitete.

Unterschiedliche Einschätzung des neuen Berufes

Die Einführung des neuen Gesundheitsberufs wurde bereits im Entstehungsprozess sehr kontrovers diskutiert. Kritisiert wird u. a. von der GÖD-Gesundheitsgewerkschaft und der younion, dass die Angehörigen des gehobenen Dienstes durch die Schaffung der OTA aus dem OP-Bereich verdrängt werden. Außerdem ist es für den Österreichischen Gesundheits- und Krankenpflegeverband (ÖGKV) unverständlich, warum unterschiedliche Ausbildungsniveaus zur selben Berufsberechtigung im Operationsbereich führen. Überdies erscheint die Einbeziehung der OTA in das MABG wenig nachvollziehbar, da die umfassende Ausbildung der OTA nicht mit jener der im MABG angesiedelten Assistenzberufe gleichgestellt werden kann.

Der Österreichische Berufsverband der medizinischen Assistenzberufe hingegen begrüßt die Etablierung des neuen Gesundheitsberufes, da dieser die OTA nicht als Ersatz, sondern als Bereicherung für den OP-Bereich sieht. Des Weiteren wurde u. a. von der GÖD-Gesundheitsgewerkschaft und younion positiv hervorgehoben, dass die Durchlässigkeit der Operationsassistenz in den Beruf der OTA berücksichtigt wurde. In diesem Zusammenhang kritisieren die GÖD und younion, dass für Berufsangehörige der OTA eine derartige Durchlässigkeit zu anderen Berufen aufgrund ihrer speziellen Ausbildung nicht besteht.

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Einführung des neuen Gesundheitsberufs durchwegs kritisch aufgenommen wurde und im Begutachtungsverfahren etliche Verbesserungsvorschläge eingebracht wurden.

Die Operationstechnische Assistenz im Überblick

Mit 1. Juli 2022 wird der neue Gesundheitsberuf mit der Bezeichnung „Operationstechnische Assistenz (OTA)“ eingeführt. Am 28. Februar 2022 wurde hierzu das OTA-Gesetz im Nationalrat beschlossen. Ausbildungen hierzu sollen teils ab Herbst 2022 starten. Absolvent*innen sind berechtigt, die Berufsbezeichnung „Diplomierte/-r Operationstechnische/-r Assistent/-in“ oder kurz „OTA“ zu tragen. Um zur Berufsausübung befugt zu sein, muss vor Berufsaufnahme die Eintragung in das Gesundheitsberuferegister erfolgen. OTA können nur im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses arbeiten. Für die Praxis von großer Bedeutung ist, dass die Berufsangehörigen auch im Rahmen einer Arbeitskräfteüberlassung tätig werden dürfen. Dies erlaubt den Arbeitgebern einen entsprechend flexiblen Einsatz.

Operationstechnische Assistenz: Was kann und darf sie?

Ziel des Gesetzgebers war es, die Aufgaben der Operationstechnischen Assistenz mit Diplomierten Gesundheits- und Krankenpfleger*innen mit der Spezialisierung in der OP-Pflege gleichzustellen. Die OTA werden vorwiegend für den OP-Bereich ausgebildet, können aber auch in anderen Bereichen eingesetzt werden. Hauptaufgabe ist – nach entsprechender ärztlicher Anordnung – die Assistenz der Ärzt*innen bei operativen Eingriffen. Überdies sind sie für die perioperative Betreuung der Patient*innen zuständig, welche sie eigenverantwortlich wahrnehmen können. Darunter versteht man die Patient*innenversorgung vor, während und nach der Operation. In § 26a Abs 2 MABG sind die Kernaufgaben der OTA aufgelistet. Hierzu zählen u. a. die OP-Dokumentation oder das Vorbereiten erforderlicher OP-Instrumente bzw. Materialien. In folgenden weiteren Bereichen können die OTA eingesetzt werden: in der Notfallambulanz, im Schockraum, in der Endoskopie und in der Aufbereitungseinheit für Medizinprodukte. Hierbei handelt es sich um keine Erweiterung des Tätigkeitbereichs, da die OTA auch in diesen Bereichen nur jene Tätigkeiten ausüben dürfen, die ihnen ohnehin zustehen.

Operationstechnische Assistenz – eine erste Analyse

Mit 1. Juli 2022 wird in Österreich ein neuer Gesundheitsberuf geschaffen, der neue Arbeitsfelder ermöglichen und die angespannte Personalsituation in den Operationssälen lindern soll. Aus heutiger Sicht lässt sich schwer einschätzen, wie viele Menschen sich für diese Berufsausbildung interessieren werden. Noch nicht überall ist geklärt, wann konkret die Ausbildungen in welcher Form starten. Völlig offen ist, ob die angestrebte Durchlässigkeit in der Praxis auch gelebt wird und ob der Beruf der OTA bis zur Pension tragfähig ist oder eine Sackgasse in den Gesundheitsberufen. In der Praxis gilt es meist noch zu klären, wie die OTA-Kolleg*innen im Gehaltsschema eingestuft sind. Unklar ist, wie sich die kürzere Ausbildungsdauer und das eingeschränkte Tätigkeitsfeld auf die Arbeitsqualität aber auch die Behandlungsqualität im OP-Bereich auswirkt. Die Praxis wird zeigen, wie ein Miteinander der unterschiedlichen Berufsgruppen im OP gelingen kann und wie sich OP-Pflege und OTA gemeinsam bewähren.

Unklar bleibt weiter, ob mit der Einführung eines neuen Berufsbildes ein weiterer Schritt der Taylorisierung – mit Downgrades der Tätigkeiten und Einstufungen – verbunden ist mit dem Fokus einer vermehrten Ökonomisierung im gesamten Gesundheitsbereich. Zum heutigen Zeitpunkt stellen sich mehr Fragen als Antworten. Empfohlen wird eine Evaluierung des Berufsbildes innerhalb der nächsten fünf Jahre.

Klar ist auch: Ohne eine echte Verbesserung der Arbeitsbedingungen inkl. neuer Formen der Personalberechnung wird langfristig keine Attraktivierung der Arbeit im OP, wie im Krankenhaus generell, gelingen. Hier sind Bund und Länder gefordert, rasche Reformen herbeizuführen. Die aktuelle Pflegereform kann hier nur als erster kleiner Schritt gesehen werden.

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