Österreichs Automobilsektor – ein potenzielles Opfer der Klimaziele?

20. November 2020

Österreich weist einen bedeutenden Automobilsektor auf. Im Zuge der Dekarbonisierungsmaßnahmen zur Erreichung der Klimaziele werden konventionelle Kfz von zwei Seiten bedrängt: Sowohl ihre Herstellung wie auch ihr Betrieb sind mit beträchtlichen Emissionen verbunden. Alternative Antriebe könnten die Gesamtemissionen von Fahrzeugen senken helfen.

Eine aktuelle WIFO-Studie geht der Frage nach, ob Österreich das Potenzial hat, auch bei alternativen Antriebssystemen eine Rolle zu spielen – und welche Probleme bei einem Technologiewechsel auftreten könnten.

EU und Klimaziele

Die Europäische Union – und damit auch Österreich – hat sich zu ambitionierten Klimazielen verpflichtet: Der CO2-Ausstoß soll EU-weit bis 2030 um (mindestens) 40 Prozent im Vergleich zu 1990 gesenkt werden. Für 2050 werden Netto-Treibhausgasemissionen von null angestrebt.

Betroffen von den verschärften Emissionsvorgaben sind alle Bereiche: Verkehr, Bautätigkeit und Produktion. Vorliegendes Projekt beschäftigt sich mit dem drittgenannten Bereich, der Produktion von Gütern (und Dienstleistungen). Ziel ist, die direkte und indirekte „Betroffenheit“ des österreichischen Gewerbes abzuschätzen, indem auf möglichst detaillierter Ebene, sowohl in der regionalen als auch in der sektoralen Dimension, eine Bestandsaufnahme der Emissionsintensität und damit der Exposition gegenüber den Klimazielen durchgeführt wird. Je nach Unternehmen und Branche sind dadurch Beschäftigte und Regionen in unterschiedlicher Richtung und in unterschiedlichem Ausmaß betroffen.

Für solche Analysen wurde vom WIFO mit dem Modell BERIO ein Instrument entwickelt, um ebendiese regionalen Auswirkungen abzuschätzen. BERIO ist ein auf Bezirksebene definiertes Input-Output-Modell mit Basisjahr 2017, das insgesamt 159 Sektoren und Güter unterscheidet. Damit soll die kleinräumige regionale Verortung von Stufen in den Wertschöpfungsketten ermöglicht werden, nicht nur in Hinblick auf Wertschöpfung und Beschäftigung, sondern auch auf die dabei anfallenden Emissionen. Untersucht werden dabei alle drei „Richtungen“ der Wertschöpfungskette: Zentral sind die direkten Emissionen, also jene, die bei den Unternehmen selbst anfallen. Es sollen aber auch Unternehmen bzw. Branchen identifiziert werden, die auf emissionsintensiven Vorleistungen (heimisch oder importiert) aufbauen, sowie jene, die selbst als Vorleister für emissionsintensive Unternehmen indirekt exponiert sein werden.

Regionale Produktionsmuster – die traditionelle Kfz-Herstellung

Die Anwendung dieses Modells und der dahinterliegenden Datenbasis auf die „traditionelle“ (also auf dem Verbrennungsmotor aufbauende) Kfz-Herstellung (NACE-Sektor C29), einen Sektor, der durch die Dekarbonisierungsmaßnahmen in mehrfacher Hinsicht betroffen ist (als direkter und indirekter Verbraucher von Energie im Produktionsprozess sowie – eventuell noch merklich stärker – als Hersteller eines Produkts, dessen Energiebedarf in der Verwendung einen großen Anteil der Emissionen eines typischen Haushalts verursacht).

Die regionale Verortung der Wertschöpfungskette des Sektors C29 (Kfz-Herstellung) zeigt folgendes Bild:

Dekoratives Bild © A&W Blog
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Es zeigt sich eine deutliche regionale Konzentration der traditionellen Kfz-Branche in Oberösterreich (in und um die Bezirke Wels, Linz-Land und Steyr), in der Steiermark (in den Bezirken um Graz) sowie in Wien; direkt beschäftigt dieser Sektor rund 32.000 Personen. Die Zulieferer zum eigentlichen Kfz-Sektor sind regional (und sektoral) breiter gestreut, aber mit ähnlichem Regionsmuster. Werden diese indirekten (Vorleistungs-)Beziehungen mit eingerechnet, sind es mehr als 50.000 Beschäftigte, die in Österreich mit der Herstellung und Ausstattung von Kfz befasst sind.

Völlig unterschiedliche Regionsmuster entlang der Wertschöpfungskette ergeben sich hingegen bei Betrachtung der bei der Produktion anfallenden Emissionen (und dabei handelt es sich nur um heimische Emissionen, nicht um die weltweit anfallenden!).

Dekoratives Bild © A&W Blog
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Sowohl Größenordnung wie regionale Verteilung stellen sich nun völlig unterschiedlich dar – die Gesamtemissionen der gesamten Wertschöpfungskette sind um einen Faktor 10 höher als die direkten Emissionen im Kfz-Sektor und streuen regional wesentlich stärker aus als die Wertschöpfung; eine deutliche Erinnerung daran, dass bei der Beurteilung der Betroffenheit durch Dekarbonisierungsmaßnahmen nicht nur die in einem Sektor direkt anfallenden Emissionen betrachtet werden müssen, sondern die gesamte (potenziell globale) Wertschöpfungskette!

Regionale Produktionsmuster von potenziellen Zulieferern zu E-Mobilität

Die Branchen, die potenziell von einer Umstellung auf E-Mobilität am stärksten profitieren könnten, sind die Herstellung von Elektromotoren sowie Batterien und Akkumulatoren (C27.11 bzw. C27.2); aktuell beschäftigen diese beiden Branchen immerhin rund 14.400 Personen (nur 1000 davon in der Herstellung von Batterien und Akkus), bzw. etwa 23.000 unter Berücksichtigung der vorgelagerten heimischen Wertschöpfungskette.

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Ein Vergleich der regionalen Produktionsmuster der traditionellen wie der (potenziellen) E-Fahrzeughersteller zeigt eine doch merklich unterschiedliche regionale Struktur der potenziellen sektoralen „Gewinner“ einer solchen Transition (der Hersteller von E-Motoren und Getrieben sowie von Akkus).

Fazit und Caveat

Österreich hat zumindest das industrielle Potenzial, auch in den (noch auszudifferenzierenden) Wertschöpfungsketten für E-Mobilität eine starke Rolle zu spielen – die Ausgangssituation weist aber einen regionalen Mismatch auf, derzeit sind die potenziellen „Gewinner“ regional anders verteilt als die „Verlierer“, was einen reibungslosen Übergang zumindest erschwert. Das Modell BERIO kann durch solche Befunde damit helfen, durch frühzeitige Identifikation solcher Reibungspunkte gezielt darauf zu reagieren (etwa durch Umschulungen bzw. neue Ausbildungsschienen).

Eine letzte Bemerkung: Bei alldem ist zu berücksichtigen, dass es sich um eine reine Betrachtung der Produktionsverflechtungen handelt – die Endnachfrage ist dabei noch nicht berücksichtigt. Insbesondere die Reaktion der Haushalte auf geänderte Konsummöglichkeiten (aus Produktion, aber z. B. auch aus verringerten Erdölimporten, die sich bei einer Abkehr vom traditionellen Verbrennungsmotor ergeben würden) könnte die gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen doch deutlich verändern – sie verstärken, aber auch abschwächen.

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