Ökosteuern – Jolly Joker oder soziale Achillesferse der Klimapolitik?

18. Februar 2022

Wenn ein wirtschaftspolitisches Instrument als „Die Lösung“ angepriesen wird, gibt es gute Gründe, kritisch zu bleiben. In der Klimakrise sollen CO2-Steuern das Verhalten der Menschen dahingehend ändern, dass der CO2-Ausstoß damit nachhaltig verringert werden soll – frei nach dem Motto „incentives matter“! Die österreichische Bundesregierung hat eine Erhöhung der CO2-Steuern auf fossile Energieträger beschlossen, die im Juli 2022 in Kraft tritt. Ob die verhaltensökonomische Rechnung aufgeht, bleibt fraglich.

Verhaltensökonomische Politikansätze sind en vogue. Ökonomische Anreize funktionieren in vielen Bereichen, in denen Menschen zu einem „besseren“ Verhalten „überredet“ werden sollen. Gerade jedoch in der Grund- und Daseinsvorsorge ist das persönliche Verhalten als Variable systemimmanent kaum veränderbar, sei es beim erzwungenen Verkehr von Pendlern/-innen, sei es bei der Art der Heizungsanlage im Mehrparteienwohnhaus. Oft fehlen leistbare oder verfügbare Alternativen zur fossilen Energie, es gibt keine Entscheidungsautonomie des Individuums. Und daher ist die Verhaltensökonomie hier nicht das geeignete Heilmittel.

Werden trotzdem Preisanreize eingeführt, gilt es darauf zu achten, dass bestehende verteilungspolitische Schieflagen nicht weiter verschärft werden, etwa durch Rückvergütungsmechanismen. Dennoch, eine wirksamere und vor allem sozialere Strategie gegen den Klimawandel wäre die Vorgabe eines ordnungspolitischen Handlungsspielraumes im Übergang zur dekarbonisierten Wirtschaft, die Förderung von Technologieentwicklung, finanzielle Unterstützungen von privaten Haushalten und staatliche Investitionen. Denn nur ein Drehen an den großen Rädern kann auch große Effekte für das Klima erzielen und dafür sorgen, dass Arbeitnehmer/-innen nicht auf der Strecke bleiben.

Ökosteuern in Österreich – verteilungspolitische Aspekte

Ökosteuern sind in der Regel Massensteuern ohne soziale Differenzierung. Ökostromabgaben, Energiesteuer, Mineralölsteuer, Normverbrauchsabgabe, motorbezogene Versicherungssteuer und ähnliche Steuern sind allen ein Begriff. Seit 1995 hat sich das Ökosteuer-Aufkommen in Österreich von knapp vier auf rund zehn Milliarden Euro erhöht (siehe Abbildung 1).

Steuern auf fossile Energieträger sind in Österreich an sich nichts Neues. Die Mineralölsteuer gibt es hierzulande schon sehr lange. Bei Benzin beträgt sie derzeit etwa 37 Prozent des Preises an der Zapfsäule, bei Diesel 32 Prozent (Mineralölsteuer | ÖAMTC (oeamtc.at)). Unzählige Male wurde die Mineralölsteuer in Österreich angehoben, jeweils um bis zu fünf Cent pro Liter. Ein Rückgang des Verkehrs, also eine wesentliche Verhaltensänderung, wurde dadurch nicht erreicht – im Gegenteil.

In Österreich und vergleichbaren EU-Staaten verursacht das oberste Einkommenszehntel pro Kopf rund 4,3-mal so viele CO2-Emissionen wie die untersten 40 Prozent. Das wird in der Klimadebatte interessanterweise kaum beachtet, vor allem, wenn es um die zentrale Frage geht, wer für die Kosten der Klimamaßnahmen aufkommen sollen. Bestehende Ungerechtigkeiten im Steuersystem dürfen jedenfalls durch die Klimapolitik nicht noch weiter verschärft werden.

Dekoratives Bild © A&W Blog
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Am Beispiel des Strompreises zeigen sich bestehende Ungleichgewichte besonders deutlich. Bei den Endverbrauchspreisen für Strom bzw. deren Zusammensetzung (Abbildung 2) sieht man, dass Unternehmen nicht nur in absoluten Zahlen weniger für die Kilowattstunde bezahlen als Privathaushalte. Im Durchschnitt zahlen Haushalte für den Endverbrauch 22,2 Cent pro kWh, Unternehmen bloß 14,7 Cent. Bei Gewerbestrom sind die Preisanteile für Ökostromabgaben und Netznutzung niedriger als beim Haushaltsstrom.

Bei der derzeitigen Finanzierungsstruktur von erneuerbarem Strom durch die Ökostromförderung tragen die Haushalte 41 Prozent der Produktionskosten, verbrauchen jedoch lediglich 25 Prozent des Ökostromvolumens. Eine Diskussion zur faireren Kostenteilung zwischen Haushalten und Unternehmen ist daher vonnöten, insbesondere auch aufgrund langfristig preistreibender Tendenzen beim (nachhaltigen) Strom als Hauptenergieträger der Transformationsbemühungen (Elektrifizierung der Industrie, E-Mobilität).

Insgesamt wird die Klimakrise nicht durch Massensteuern, sondern vorrangig durch massive öffentliche und private Investitionen sowie staatliche Regulierungen zu bewältigen sein. Dafür braucht es eine solide Finanzbasis, an der sich auch die Reichsten beteiligen müssen.

Dekoratives Bild © A&W Blog
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CO2-Steuer ohne Rückvergütung verschärft Ungleichheit

Die Erhöhung von CO2-Steuern würde die ungleiche Verteilung der Steuerlasten zwischen Haushalten und Unternehmen nur noch weiter verschärfen. Um diese verteilungspolitische Schieflage zu beheben, müssen daher Rückvergütungsmechanismen vorgesehen werden.

Geplante CO2-Bepreisung in Österreich:

Mit 1. Juli 2022 soll eine nationale Bepreisung der Treibhausgasemissionen bestimmter fossiler Energieträger (Benzin, Diesel, Erdgas, Heizöl, Kohle) eingeführt werden.

Der EU-Emissionshandel (EMS) ist davon ausgenommen. Es ist anzunehmen, dass die von der Bepreisung betroffenen Unternehmen diese zusätzlichen Kosten auf ihre Produktpreise aufschlagen. Deshalb wird die CO2-Bepreisung in Form des geplanten nationalen EMS im Inland vorwiegend die privaten Endverbraucher/-innen in den Bereichen Raumwärme und Verkehr treffen. Bis 2025 gilt ein Fixpreissystem mit folgenden Stufen (netto je Tonne CO2):

2022: 30 Euro    2023: 35 Euro

2024: 45 Euro    2025: 55 Euro

Das Ausmaß der jährlichen Preissteigerung hängt allerdings von der Entwicklung eines speziellen fossilen Energiepreisindexes für Privathaushalte ab. Steigen die Energiepreise im Vergleich zum vorherigen Kalenderjahr um mehr als 12,5 Prozent, wird der Erhöhungsbetrag im Folgejahr halbiert. Sinkt der Index jedoch um mehr als 12,5 Prozent, so steigt der Erhöhungsbetrag um 50 Prozent.

Ab 1. Jänner 2026 soll der Preis am Markt gebildet werden und das nationale in ein EU-weites EMS überführt bzw. mit diesem abgestimmt werden. Derartige, rein marktwirtschaftlicher Logik folgende Bepreisungssysteme auf Güter der Daseinsvorsorge wie Heizen oder Mobilität sind sozialpolitisch problematisch, weil sie die Verantwortung für die Klimaziele faktisch an die Konsumenten/-innen auslagern. Zudem benachteiligen sie die Bezieher/-innen niedriger und mittlerer Einkommen, die sich die hohen Anschaffungskosten beim Umstieg auf alternative Technologien oft nicht leisten können.

Außerdem hängt die Lenkungswirkung einer CO2-Bepreisung stark von den ökologischen Alternativen und angebotenen Preisen für die betroffenen Haushalte ab. Daher muss einerseits massiv in den öffentlichen Verkehr investiert und andererseits armutsgefährdeten Haushalten umfangreiche finanzielle Unterstützung für den Umstieg angeboten werden. In Mehrparteienhäusern sollen Sanierungs- und Umstiegsprogramme die hohen Kosten von Heizungstausch und anderen Anpassungsinvestitionen bezuschussen.

Regionaler Klimabonus:

Zum Ausgleich der finanziellen Mehrbelastungen für die privaten Haushalte sieht der Regierungsvorschlag einen regional differenzierten, einkommensteuerbefreiten Klimabonus vor. Er besteht aus einem Sockelbetrag, der für das Jahr 2022 mit 100 Euro festgelegt wurde, und einem Regionalausgleich, der Aufschläge von 0, 33, 66 oder 100 Prozent des Sockelbetrages vorsieht. Der Regionalausgleich hängt von der Qualität der Anbindung des Hauptwohnsitzes an das öffentliche Verkehrsnetz und der lokal vorhandenen technischen und sozialen Infrastruktur ab. Der maximale Klimabonus für heuer beträgt also 200 Euro pro Person. Für Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre im selben Haushalt steht jeweils der halbe Klimabonus zu. Sockelbetrag und Regionalausgleich sollen regelmäßig angepasst werden.

Eine Studie des Forschungsinstitutes Economics of Inequality (INEQ) an der Wirtschaftsuniversität Wien (Wirtschaftsuniversität Wien: Ökosoziale Steuerreform – Projekte – Forschung (wu.ac.at)) zeigt, durch die regionale Staffelung entlastet der Klimabonus höhere Einkommen absolut stärker als kleine und mittlere Einkommen. Auch im Gesamteffekt profitieren höhere Einkommen von der Steuerreform 2022 besonders stark. Nachbesserungsbedarf gibt es insbesondere bei Pendlern/-innen ohne zumutbaren öffentlichen Verkehr und bei Mietern/-innen mit einer Öl- und Gasheizung.

Bei den Pendlern/-innen erscheint die Umwandlung des Pendlerpauschales in einen kilometerabhängigen Absetzbetrag kombiniert mit einem deutlichen Ausbau des öffentlichen Verkehrs sinnvoll. In Mehrparteienhäusern dürfen die zusätzlichen CO2-Kosten für fossile Energieträger nicht an den Mietern/-innen hängen bleiben. Die zusätzliche CO2-Steuer sollte zwischen Mietern/-innen und Hauseigentümern/-innen aufgeteilt werden, auch damit die Vermieter/-innen einen Anreiz haben, das Heizsystem umzustellen.

Es braucht sozial gerechte Maßnahmen in der Klimapolitik

Arbeitnehmer/-innen bekommen die Klimapolitik sowohl durch drohenden Wegfall von hochqualifizierten Industriearbeitsplätzen am Wohnort als auch durch die zusätzliche CO2-Steuer auf wichtige Güter der Daseinsvorsorge besonders stark zu spüren. Der Staat ist aufgerufen, hier gestaltend einzugreifen:

  • Ökosteuern, insbesondere CO2-Steuern, dürfen nicht auf Kosten von Bezieherinnen und Beziehern niedriger und mittlerer Einkommen gehen. Wo keine Lenkungseffekte zu erwarten sind, sind CO2-Steuern unangebracht.
  • Strom als Hauptenergieform in der Energiewende muss leistbar bleiben. Um langfristigen Preissteigerungen vorzubeugen, muss das Angebot an erneuerbarem Strom stark ausgebaut werden. Die Preisstruktur von Strom, insbesondere der Anteil von Steuern und Abgaben, sind zu überdenken.
  • Nachbesserungen beim Klimabonus:
    • Kostenbeteiligung am CO2-Preis für Vermieter/-innen von Wohnungen mit Öl- oder Gasheizung.
    • Umwandlung des Pendlerpauschales in einen kilometerabhängigen Absetzbetrag samt Ausbau des öffentlichen Verkehrs und positiven Anreizen zum Umstieg auf klimafreundliche Mobilität.
  • „Hauptsache teurer“ ist noch keine durchdachte Klimapolitik. Es braucht eine sozial verträgliche Klimapolitik, schwerpunktmäßig über Investitionen, Umstiegshilfen, ordnungspolitische Eingriffe und die Förderung von Innovation und neuen Technologien. Alle Bevölkerungsgruppen müssen einen Zugang zu attraktiven ökologischen und leistbaren Alternativen erhalten.
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