Ökosoziale Steuerreform: Wer gewinnt und wer verliert?

11. Mai 2021

Mit der ökosozialen Steuerreform will die Bundesregierung CO2 höher bepreisen und die Mehrkosten durch eine Rückerstattung der Einnahmen abfedern. Eine neue Studie des Inequality Instituts der WU Wien hat sich angesehen, wer in so einem Modell gewinnt und wer verliert. Ergebnis: Die Verteilungseffekte hängen stark von der Art der Rückerstattung ab. Aus Sicht der AK ist ein Ökobonus plus die beste Lösung.

Wer zahlt den CO2-Preis?

Die INEQ-Studie zeigt, dass durch eine CO2-Bepreisung kleine und mittlere Einkommen stärker belastet werden als BesserverdienerInnen-Haushalte. Das deshalb, weil die Klein- und MittelverdienerInnen relativ zum Einkommen mehr für fossile Energieträger ausgeben. Bei einem CO2-Preis von 50 Euro macht der Kostenanstieg fürs Autofahren und Heizen im einkommensschwächsten Zehntel der Haushalte 1,3 Prozent des verfügbaren Einkommens aus, im einkommensstärksten Zehntel mit 0,33 Prozent ein Viertel davon.

Dekoratives Bild © A&W Blog
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Eine vierköpfige Familie ist im Durchschnitt mit 300 bis 400 Euro jährlich betroffen. Es gibt aber auch Fälle, in denen die Kosten praktisch bei null liegen oder aber 1.000 Euro und mehr betragen. Die Effekte hängen stark an den jeweiligen Verhältnissen. Wer mit Öl und Gas heizt, ist deutlich stärker belastet als jemand, der an die Fernwärme angeschlossen ist – unabhängig vom Einkommen. Auch das Stadt-Land-Gefälle z. B. beim Zugang zum öffentlichen Verkehr spielt eine große Rolle.

Zu den direkten Kosten kommen die indirekten Kosten, weil die Unternehmen den CO2-Preis an die KonsumentInnen überwälzen. Eine IHS-Studie schätzt, dass sich die direkten Kosten der privaten Haushalte dadurch noch mal um bis zu 30 Prozent erhöhen könnten.

Ausgestaltung der Rückverteilung entscheidend

Der spannendste Teil der INEQ-Studie ist die Analyse der Rückverteilungsoptionen einer CO2-Bepreisung. Es wird deutlich, dass die Verteilungswirkung der ökosozialen Steuerreform letztlich davon abhängt, wie die Einnahmen an die Haushalte rückerstattet werden.

Eine Senkung der Krankenversicherungsbeiträge beispielsweise (hier um 0,8 Prozentpunkte für alle Versichertengruppen) würde zu großen Verlusten bei kleinen und mittleren Einkommen führen, weil die Entlastung durch die Beitragssenkung die Mehrkosten durch die CO2-Bepreisung in vielen Fällen nicht kompensieren kann. Im untersten Einkommenszehntel der Haushalte verlieren fast 70 Prozent der Haushalte. Bis zur Mitte der Verteilung sind es knapp 50 Prozent. Auch deshalb, weil nicht Erwerbstätige wie z. B. Arbeitslose von einer Senkung der Krankenversicherungsbeiträge überhaupt nicht profitieren. Mit steigendem Einkommen geht der VerliererInnenanteil dann immer weiter zurück, bis er im obersten Einkommenszehntel ein Minimum von 17 Prozent erreicht.

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Die Kompensation der CO2-Bepreisung durch eine Senkung der Krankenversicherungsbeiträge wäre eine Umverteilung von unten nach oben, die die Ungleichheit im Land weiter erhöhen würde. Daneben bringt sie auch sozialpolitische Probleme, weil sie dem Gesundheitssystem mitten in der Pandemie wichtige Finanzmittel entzieht. Ein Kostenersatz aus dem Bundesbudget würde praktisch nicht funktionieren, weil die Kosten der Beitragssenkung jährlich mit der Lohnsumme ansteigen, während die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung lenkungsbedingt zurückgehen. Auch die immer wieder ins Treffen geführten positiven Beschäftigungseffekte einer Senkung der Lohnnebenkosten sind überbewertet. Gerade im Kontext der Corona-Krise ist davon auszugehen, dass die Arbeitsnachfrage deutlich stärker von der effektiven Nachfrage als von den Arbeitskosten abhängt.

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Wesentlich bessere Verteilungseffekte zeigen sich beim Ökobonus, einer Pro-Kopf-Pauschale für alle Erwachsenen mit Kinderzuschlag. Hier gewinnen (relativ zum verfügbaren Einkommen) die Klein- und MittelverdienerInnen stärker, was die Ungleichheit im Land sogar leicht reduzieren könnte. Eine frühere Studie des Budgetdiensts kommt zu einem ähnlichen Ergebnis.

Die INEQ-Studie zeigt aber auch, dass 30 bis 40 Prozent der Klein- und MittelverdienerInnen trotz Ökobonus verlieren würden. Für 200.000 bis 300.000 Haushalte mit kleinen und mittleren Einkommen wären bei einem CO2-Preis von 50 Euro auch deutliche Verluste von 250 Euro oder mehr zu erwarten. Daran zeigt sich, dass die sozialen Probleme der ökosozialen Steuerreform vor allem am Schnittpunkt von horizontalen und vertikalen Verteilungseffekten liegen, also dort, wo ein geringes Einkommen mit hohen Emissionen zusammenfällt.

Verschärfend kommt hinzu, dass sich die sozialen Probleme der CO2-Bepreisung über die Zeit nicht verringern, sondern vergrößern könnten. Vor allem deshalb, weil sich die kleinen und mittleren Einkommen die Investitionen in die nachhaltigen Technologien schlechter leisten können. Teilweise haben sie überhaupt keine Gestaltungsmöglichkeiten wie z. B. die Mieterinnen und Mieter.

Die sozial ausgewogenste Lösung: Ökobonus plus

Wenn die Bundesregierung besonders betroffene Gruppen wie energiearme Haushalte oder PendlerInnen mit kleinen und mittleren Einkommen nicht zu den VerliererInnen der ökosozialen Steuerreform machen will, dann muss sie vom Prinzip der Aufkommensneutralität abrücken und zusätzliches Geld für die Abfederung der CO2-Bepreisung bereitstellen.

Deutschland hat vorgemacht, wie es NICHT geht. Dort wurden die Einnahmen der CO2-Bepreisung teilweise für eine Art Ökobonus verwendet, teilweise für Klimaschutzinvestitionen und teilweise für spezifische Entlastungsmaßnahmen für besonders betroffene Gruppen. Im Ergebnis war für keinen der genannten Bereiche genug Geld da, und die Reform ging zulasten der kleinen und mittleren Einkommen.

Die einzig (halbwegs) soziale Lösung für die ökosoziale Steuerreform der Bundesregierung sieht die AK in einem Ökobonus plus, der einen Ökobonus mit Kinderzuschlag um zusätzliche Mittel für besonders betroffene Gruppen ergänzt. Während der Ökobonus den privaten Haushalten die vollen direkten und indirekten Kosten durch die CO2-Bepreisung rückerstattet, stocken die Plus-Elemente die Unterstützung für besonders betroffene Gruppen zusätzlich auf.

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Für energiearme Haushalte braucht es einen bundesweiten Heizkostenzuschuss, der über die bestehenden Landesförderungen verteilt werden könnte. Mit einem Energiehilfsfonds könnte zudem sichergestellt werden, dass die einkommensschwachen Haushalte beim Heizungstausch oder anderen Energieeffizienzthemen bessere finanzielle und technisch/administrative Unterstützung erhalten.

Für PendlerInnen braucht es eine Reform des Pendlerpauschales, das PendlerInnen mit kleinen und mittleren Einkommen effektiv entlastet und den Werbungskostenabzug einfacher, sozialer und ökologischer gestaltet. Das zentrale Element der Reform wäre die Umstellung des bestehenden Freibetrags in einen Pendlerabsetzbetrag, damit die BesserverdienerInnen nicht mehr gegenüber kleinen und mittleren Einkommen bevorzugt werden.

Zusätzlich notwendig sind investive Begleitmaßnahmen, wo die Bundesregierung mit dem Bahnausbau oder dem 1-2-3-Ticket schon Akzente gesetzt hat, aber noch viel mehr zu tun ist. Die Arbeiterkammer hat im Rahmen der #initiativeinvestieren auch hier Vorschläge gemacht.

Die Verteilungsfrage im Zentrum

Auch wenn manche ÖkonomInnen die sozialen Probleme der CO2-Bepreisung gerne unter den Teppich kehren wollen, die Bundesregierung ist gut beraten, die Verteilungsfrage ins Zentrum der ökosozialen Steuerreform zu rücken. Nicht nur wegen der tatsächlichen Verteilungsprobleme, sondern auch weil die Bevölkerung ein berechtigtes Bedürfnis nach Steuer- und Verteilungsgerechtigkeit hat. Eine ökosoziale Steuerreform, die in Zeiten der Krise von unten nach oben umverteilt und die Ungleichheit im Land noch weiter erhöht, wird als ungerecht wahrgenommen werden und kann daher schon politisch nicht funktionieren. Das wäre nicht nur für die Bundesregierung ein Problem, sondern für uns alle, weil sie die Akzeptanz für die notwendige sozial-ökologische Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft nachhaltig beschädigen könnte.

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