© A&W Blog
Bei der Erstellung einer solchen Vermögensbilanz spielen Erhebungs- und Bewertungsfragen eine wichtige Rolle. Im Gegensatz zum Bund und der Mehrheit der anderen Bundesländer wurden in der Wiener Eröffnungsbilanz beispielsweise noch zukünftige Pensionszahlungen mit einem – bedingt durch das niedrige Zinsniveau – sehr hohen Barwert aufgenommen, nicht jedoch künftige Einnahmen. Konzeptionell ist es jedoch umstritten, künftige langfristige Leistungsanrechte nur selektiv zu bilanzieren; vor allem dann, wenn diese das Ergebnis maßgeblich verzerren: Anstelle eines positiven Nettovermögens von gut 20 Mrd. Euro ergibt sich inkl. Pensionsrückstellungen ein theoretischer Wert von -17,6 Mrd. Euro.
Auch für die Aktivseite der Bilanz spielen Überlegungen zur Bewertung (z. B. welcher Quadratmeter-Wert wird für Immobilienvermögen angesetzt?) und Erhebung (z. B. was kann erhoben werden, was wird miteingerechnet?) eine wichtige Rolle. Vor allem zwei Gründe sprechen dafür, dass das tatsächliche städtische Vermögen in der Eröffnungsbilanz noch deutlich unterschätzt wird: Erstens scheint das Milliardenvermögen von Wiener Wohnen, Wiener Gesundheitsverbund und Wien Kanal nicht in der Eröffnungsbilanz auf, und zweitens sind riesige Grundflächen (etwa im Zusammenhang mit der Wasserversorgung), Kulturgüter etc. nicht bewertet.
Öffentliches Vermögen ermöglicht Gestaltung …
Dieses öffentliche Vermögen bildet die Grundlage für eine lebenswerte Stadt, da es der Stadtpolitik Gestaltungsmöglichkeiten eröffnet. Denn im Gegensatz zu privaten Unternehmen verfolgt der öffentliche Bereich auch gesamtgesellschaftliche Ziele, etwa gewisse Güter und Dienstleistungen kostenlos oder zu leistbaren Preisen bereitzustellen.
Das wiederum schafft individuelle Spielräume: Wer z. B. eine Jahreskarte für den öffentlichen Verkehr besitzt, ist nicht darauf angewiesen, sich ein Auto anzuschaffen, um mobil zu sein; wer in einer Gemeinde- oder Genossenschaftswohnung wohnt, benötigt keinen Kredit für eine teure Eigentumswohnung. Aber auch scheinbar banale Dinge wie der freie Zugang zur Donau, niedrige Eintrittspreise in städtische Bäder oder die große Zahl an öffentlichen Parks und Grünflächen spielen für die Lebensqualität eine Rolle.
Der hohe Mehrwert des öffentlichen Vermögens kommt oft erst dann zum Vorschein, wenn Kommunen diese Steuerungsmöglichkeiten aufgeben – beispielsweise durch Privatisierungen – und die entsprechenden Leistungen zu deutlich höheren Preisen von Privatunternehmen erbracht werden. Auch andere gesellschaftlich erwünschte Ziele, wie stetige Investitionstätigkeiten, eine aktive Beschäftigungspolitik oder die Durchsetzung von Arbeits- und Umweltstandards, können beim öffentlichen Eigentum demokratisch verhandelt und aktiv gestaltet werden.
… reduziert Ungleichheit
Im Gegensatz zum Privatvermögen, das sich auf nur wenige Haushalte konzentriert, gehört das öffentliche Vermögen allen Einwohnerinnen und Einwohnern, weshalb insbesondere jene mit keinem oder nur sehr geringem Privatvermögen davon profitieren. Eine Studie der WU-Wien hat gezeigt, dass durch die Wiener Gemeinde- und Genossenschaftsbauten die ungleiche Verteilung des Privatvermögens merkbar reduziert werden kann und insbesondere Frauen davon profitieren. Ursache dafür sind die deutlich geringeren Mietkosten im sozialen Wohnbau im Vergleich zum privaten Mietmarkt. Hinzu kommt, dass bei Unternehmen im öffentlichen Eigentum die erwirtschafteten Gewinne zurück an die Gemeinschaft fließen können, während sie bei Privatunternehmen in der Regel an einen kleinen Kreis von InvestorInnen oder ManagerInnen gehen, was wiederum die Konzentration von Einkommen und Vermögen verstärkt.
… und erhöht Wachstum und Beschäftigung
Investitionen in den öffentlichen Kapitalstock wirken sich darüber hinaus stark positiv auf Wirtschaftswachstum und Beschäftigung aus und setzen private Investitionsketten in Gang. Der Bau einer neuen U-Bahn-Linie bspw. generiert unmittelbar Nachfrage und Einkommen, wodurch die Anfangsinvestitionen eine multiplikative Wirkung entfalten. Die ausgelösten Effekte sind in Zeiten wirtschaftlicher Krisen besonders hoch und ein wirksamer Hebel gegen die derzeit massive Arbeitslosigkeit. Langfristig sind öffentliche Investitionen in der Lage, das Produktionspotenzial einer Volkswirtschaft zu heben. Bereiche wie das öffentliche Verkehrsnetz, die Gesundheits- oder Bildungsinfrastruktur oder Erholungseinrichtungen ermöglichen unternehmerische Produktivitätssteigerungen, die etwa von geringeren Transportkosten oder gesunden und gut ausgebildeten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern profitieren.
Ausbau für künftige Generationen
Mit fast 2 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern ist Wien die fünftgrößte Stadt innerhalb der EU und rangiert unter den Städten mit dem höchsten Bevölkerungswachstum. Um die damit verbundenen zukünftigen Herausforderungen bewältigen zu können und den kommenden Generationen eine ebenso lebenswerte Stadt zu ermöglichen, ist ein weiterer Ausbau der städtischen Infrastruktur notwendig.
Das scheint gerade vor dem Hintergrund der aktuellen Wirtschaftskrise, hoher Arbeitslosigkeit sowie eines historisch niedrigen Zinsumfelds sinnvoll, da die Kosten des Nicht-Handelns als besonders hoch eingeschätzt werden können. Dazu sind gemeinsame Investitionsanstrengungen durch Bund, Länder und Gemeinden gefordert, die zielgerichtet in den Ausbau etwa des öffentlichen Verkehrs, der Schulen und Kindergärten, des sozialen Wohnbaus, der Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen oder in den Klimaschutz investieren. Den Investitionen stünden dann konkrete öffentliche Vermögenswerte gegenüber, die gesellschaftlich wie ökonomisch sinnvoll und die Grundlage für den Wohlstand zukünftiger Generationen wären.
Creative-Commons-Lizenz CC BY-SA 4.0: Dieser Beitrag ist
unter einer Creative-Commons-Lizenz vom Typ Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
International zugänglich. Um eine Kopie dieser Lizenz einzusehen, konsultieren Sie http://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/.
Weitere Informationen https://awblog.at/ueberdiesenblog/open-access-zielsetzung-und-verwendung