Für die längst fällige Mobilitätswende muss der Güterverkehr einerseits reduziert, aber auch vermehrt auf die Bahn verlagert werden. Denn in ökologischer Hinsicht ist die Güterbahn dem Lkw-Verkehr weit überlegen: Sie ist sicherer, sauberer und energieeffizienter. So betragen deren Treibhaus-Emissionen in Österreich – im Vergleich zum Lkw – gerade einmal ein Zwanzigstel. Der Schienengüterverkehr müsste also ausgebaut werden, wurde aber durch die Eisenbahnliberalisierung geschwächt. Es wäre daher höchste Zeit, aus den Fehlern zu lernen und bei der Liberalisierung den Rückwärtsgang einzulegen.
Nationale integrierte (Infrastruktur, Personen- und Güterverkehr in einer Hand) Staatsbahnen dominierten für viele Jahrzehnte das europäische Eisenbahnwesen. Es hatte historische und militärische Gründe, dass dessen technische Systeme stark fragmentiert waren bzw. sind: unterschiedliche Spurweiten, verschiedene Stromsysteme (Gleich- und Wechselstrom in mehreren Spannungshöhen), national unterschiedliche Gesetze, unterschiedliche Sicherungs- und Signalsysteme usw. Die Europäische Kommission bemühte daher den Vergleich mit dem Lkw-Verkehr, wo ein Fahrzeug von „Helsinki bis Palermo“ unter identen Rahmenbedingungen unterwegs sein kann. Geschickt verbindet sie dabei die positiven Ansätze einer technischen Harmonisierung mit ihrem ideologischen Anliegen der Liberalisierung.
Befürworter von Liberalisierungen argumentieren gerne damit, dass Wettbewerb alles besser und billiger machen würde. Der tatsächliche Grund ist aber, Dienstleistungen der Daseinsvorsorge zu einem gewinnbringenden Geschäft zu machen. Betreibt nämlich die öffentliche Hand Krankenhäuser, Wasserversorgung, Eisenbahnen, Schulen usw. gibt es kein Geschäftsmodell für Private; und den öffentlichen Betreibern reicht oft eine schwarze Null. Erst durch Liberalisierung und Wettbewerb kommen Profitinteressen hinzu. Aus einem Service für alle wird dadurch ein gutes Geschäft für wenige.
Eine Frage der Sicherheit
Die Eisenbahn ist ein sehr sicheres Verkehrsmittel und soll es auch bleiben. Die Liberalisierung hat aber zum „Unbundling“ (= Entflechtung) von integrierten Eisenbahnunternehmen geführt; so kümmert sich die „ÖBB Infra“ um die Schienenstrecken, die dann von den Schwesterunternehmen ÖBB Personenverkehr und Rail Cargo Austria befahren werden. Aber auch andere Eisenbahnen sind auf diesem Streckennetz unterwegs. Dies führt zu Schnittstellenproblemen und hat negative Auswirkungen auf die Gesamteffizienz sowie auf die Sicherheit. Ein objektiver (Un)-Sicherheitsindikator ist das Überfahren von Haltesignalen. Wie Daten aus Deutschland und Tschechien zeigen, haben diese Zwischenfälle in den vergangenen Jahren signifikant zugenommen (siehe Grafik). Dies liegt an der mangelnden Koordination oder schlechter Kommunikation zwischen den verschiedenen Unternehmen, aber auch am zunehmenden Stress sowie mangelhafter Ausbildung bei den Beschäftigten.