Junge Stadt

14. Februar 2018

Junge Menschen werden gerne als einheitliche Gruppe unter dem Begriff der Jugend versammelt. Tatsächlich befinden sich junge Menschen aber in sehr unterschiedlichen Lebensverhältnissen – sie kommen nicht mit denselben Chancen zur Welt.

Aufregende Zeiten – Wien wird älter und jünger

Während früher meist die Vierzehn- bis Neunzehnjährigen als jung bezeichnet wurden, wird heute mit der Phase der Jugend oft das 14. bis 29. Lebensjahr beschrieben. In Wien gibt es im Vergleich zum Rest von Österreich eine interessante Dynamik: Die Bevölkerung der Stadt wächst und wird dabei gleichzeitig älter – und jünger.

Dekoratives Bild © A&W Blog
© A&W Blog
Quelle: https://www.wien.gv.at/statistik/bevoelkerung/prognose/index.html

Die Altersspanne der Jugendjahre beinhaltet dabei eine ganze Reihe von Umbrüchen. Kaum eine andere Zeit im Leben ist von so vielen Veränderungen geprägt: das Ende der Schulpflicht, der Wechsel von der Ausbildung ins Berufsleben, die Gründung eines eigenen Haushaltes oder gar einer eigenen Familie.

Freizeit in der Stadt

Das Lebensalter beeinflusst auch die Freizeitaktivitäten. So haben junge Menschen von vierzehn bis sechzehn Jahren häufig andere Aktivitätsmuster als ältere.

Aber auch die (Vollzeit-)Berufstätigkeit wirkt sich auf die Freizeitgestaltung aus. Bei 14- bis 19-Jährigen, die eine Schule besuchen, spielen das Treffen von FreundInnen, sportliche Aktivitäten und Ausgehen eine wichtige Rolle. Mit dem Eintritt in die (Vollzeit-)Erwerbstätigkeit ändert sich das jedoch häufig. Die verfügbaren Zeitressourcen werden geringer und die Auswahl der Freizeitaktivitäten wird stärker vom direkten Wohnumfeld bestimmt.

Dekoratives Bild © A&W Blog
Zusammenspiel von Orten, Aktivitäten und Kapitalnotwendigkeit der Freizeitgestaltung (Quelle: Darstellung Claudia Palienko-Friesinger aus der Untersuchung „Junges Stadterleben. Wien zwischen Jugendarbeitslosigkeit, Paradies und steigenden Mieten“) © A&W Blog
Zusammenspiel von Orten, Aktivitäten und Kapitalnotwendigkeit der Freizeitgestaltung (Quelle: Darstellung Claudia Palienko-Friesinger aus der Untersuchung „Junges Stadterleben. Wien zwischen Jugendarbeitslosigkeit, Paradies und steigenden Mieten“)

Öffentliche Räume

Junge Menschen schätzen öffentliche Räume zum Aufenthalt ganz besonders und nutzen diese auch verstärkt für ihre Freizeitgestaltung. Wichtige Faktoren sind dabei die gute öffentliche Erreichbarkeit, vielfältige Nutzungs- und Gestaltungsmöglichkeiten und dass nichts konsumiert werden muss. Die Plätze, an denen man sich trifft, reichen von Parks über Fußballkäfige bis hin zu Stiegenauf- und Hauseingängen. Besonders in dicht verbauten Gebieten ist der Platz jedoch häufig begrenzt. Kleinere Parks oder Freiflächen werden daher intensiv genutzt: von Kindern und Jugendlichen, von Personen, die sich im öffentlichen Raum ausruhen wollen und von vielleicht auch wohnungslosen Menschen. So kommt es zu hohem Druck und manchmal auch zu Konflikten.

Wohnen ist ein zentrales Thema

Ein zentrales Thema für junge Menschen ist zudem die Wohnsituation. Die wenigsten erben in Wien eine Eigentumswohnung; man ist daher auf den kommunalen Wohnbau oder den privaten Markt angewiesen. Ab dem 18. Lebensjahr beginnen junge Menschen vermehrt, in einen eigenen Haushalt zu ziehen. In Wien Geborene wohnen länger bei den Eltern, da die Auszugsnotwendigkeit aufgrund der städtischen Wohnmöglichkeit geringer ist. Die Suche nach einer eigenen Wohnung kann zudem schwierig werden; Eigentumswohnungen, aber auch Genossenschaftswohnungen sind häufig zu teuer. Der Zugang zu geförderten Wohnungen ist begrenzt. So ist meist der private Markt das Feld, in dem man sich bewegen muss. Ein Problem stellen hier wiederum befristete Mietverträge dar, bei den Neuvermietungen aus dem Jahr 2011 sind 54 Prozent der Verträge befristet. Diese Entwicklung trifft junge Menschen besonders hart, denn sie kommen neu auf den Wohnungsmarkt und sind dadurch besonders betroffen. Viele junge Menschen fühlen sich der Problematik hoher Mieten, anfallender Vermittlungsgebühren und befristeter Verträge ausgeliefert. Obwohl es sich um eine kollektive Problemlage handelt, werden als Ausweg meist nur individuelle Handlungsstrategien gesehen. Diese materiell bedingten Schwierigkeiten, in einem unabhängigen Leben Fuß zu fassen, führen mitunter zu Unsicherheiten und Zukunftsängsten.

Ungleiche Verhältnisse

Die jungen Bevölkerungsgruppen unterscheiden sich aber nicht nur durch ihr Alter und die spezifische Brüchigkeit dieser Lebensphase von älteren. Die Lebenssituationen junger Menschen sind von Geburt an unterschiedlich; Gleichaltrige kommen nicht mit denselben Chancen zur Welt. Der Geburtsort, die Ressourcenausstattung der Familie und die Absicherung durch den Staat beeinflussen unseren Lebenslauf maßgeblich. Zunehmende gesellschaftliche Pluralisierung und wachsende soziale Ungleichheit prägen auch junge Lebenswelten. Die Studie „Junge Menschen in Wien“ zeigt, dass es auch in Wien junge Menschen gibt, die von schwierigen Lebenslagen betroffen sind, die sich häufig gegenseitig verstärken. So kann es vorkommen, dass man teilzeitbeschäftig ist, in einer zu kleinen Wohnung mit befristetem Mietvertrag lebt und von Armut betroffen ist.

Was die junge Stadt braucht:

  • Chancengerechtigkeit schaffen: Junge Menschen haben unterschiedliche Lebensvoraussetzungen. Diese gilt es mit ausgleichender Politik möglichst abzufedern. So braucht es aktive Maßnahmen gegen Kinder- und Jugendarmut und ein faires Bildungssystem, das alle gleichermaßen fördert. Einen gut ausgebauten Sozialstaat, der Absicherung bietet und ungleiche Chancenverteilung ausgleicht.
  • Leistbares Wohnen sichern: Die eigenen vier Wände sind wichtige Rückzugs- und Erholungsorte. Qualitativ hochwertiges, leistbares Wohnen muss auch für junge Menschen möglich sein. Dafür braucht es mehr geförderte Wohnungen, Mietzinsobergrenzen, die Abschaffung des Lagezuschlags und die Eindämmung befristeter Mietverhältnisse.
  • Freie Räume ermöglichen: Eine lebendige Stadt braucht öffentliche Plätze, die ohne Geld ausgeben zu müssen gut nutzbar sind. Öffentliche Räume dürfen nicht überreguliert werden, sondern sollten Gestaltungsfreiraum bieten. Es sollte Plätze geben, die vielfältige, offene Nutzungen ermöglichen. Neben Fußball- braucht es Basketball- und Volleyballplätze, Skate-Möglichkeiten, Longboard-Strecken und Radwege, Möglichkeiten zum Laufen und Kletterwände. Eintritt in Schwimm- und Hallenbäder sollte für junge Menschen kostenfrei sein. Auch Schulsportplätze und -hallen sollten nach dem Unterricht zur freien Nutzung zur Verfügung stehen.
  • Jugendliche aktiv fördern: Junge Menschen brauchen die Möglichkeit, ihre Fähigkeiten zu entwickeln und Orte, die sie unabhängig von Geldverfügung nutzen können. Es braucht Jugendzentren, Parkbetreuung, aber auch Räumlichkeiten für Gratiskino, jugendgerechtes Theater und Auftritte von lokalen Bands. Ebenso braucht es mehr Lernplätze in Büchereien mit kostenlosem Zugang zu PC und Internet. Spezielle Förderung sollte zudem jenen jungen Menschen zugutekommen, die weniger Ressourcen zur Verfügung haben.