Ein Sommer zum Leben, bloß so

03. August 2022

Sommer – die Zeit, in der die Füße baumeln und die Seele in der Hängematte entspannt. Unbeschwerte Augenblicke gefüllt mit Lachen, Erlebnissen mit Freund:innen und Abenteuern. Einfach mal nichts tun, Freiheit und Unbeschwertheit spüren und dabei gleichzeitig so viel erleben. Bloß so. Einen solchen Sommer wünschen wir jedem jungen Menschen. Denn genau dies ist für die Entwicklung so wichtig. Die letzten beiden Sommer standen im Zeichen von Corona und anderen Krisen und haben es den jungen Menschen verunmöglicht, wichtige Erfahrungen zu machen. Um diesen Verlusten etwas entgegenzuhalten, richtet WIENXTRA vielfache Angebote an Kinder und Jugendliche, unter anderem auch in Kooperation mit dem Programm „Summer in the City“ der AK Wien.

Panikattacken, Depression und Schlafstörungen

Gerade in unseren herausfordernden Zeiten gilt es besonders aufmerksam auf die Bedürfnisse von jungen Menschen zu achten. In der WIENXTRA Jugendinfo bemerken wir einen Anstieg der Anfragen zum Thema Gesundheit. Allein im ersten Halbjahr 2022 gab es fast so viele Fragen zum Thema wie im ganzen Jahr 2019. Birgit Satke von „Rat auf Draht“ berichtet, dass es 2022 deutlich mehr Anrufe zum Thema Panikattacken und Depression gegeben hat. Auch Anrufe zu Schlafstörungen oder Angst haben stark zugenommen.

Psychische Krankheitsbilder nehmen durch die Pandemie zu und werden schwerer. Diese Tendenz unterstreicht eine Studie von Christoph Pieh und Paul Plener (2021). Von 3.000 befragten Jugendlichen leiden 56 Prozent an Depressionen und 50 Prozent geben an, Ängste zu haben. Jugendliche verbringen mit durchschnittlich fünf Stunden am Tag zu viel Zeit mit dem Smartphone. Zudem ist eine deutliche Abnahme von körperlicher Bewegung sowie die Zunahme von Essstörungen zu beobachten. Das sind besorgniserregende Alarmzeichen, die zum Handeln auffordern.

Als wesentliche Ursache für die Zunahme von psychischen Symptomen bei Jugendlichen lassen sich die fehlenden sozialen Kontakte identifizieren. Sich nicht spontan zum Abhängen treffen zu können und nicht neue Freund:innen kennenlernen zu können hat bei jungen Menschen Spuren hinterlassen. Gerade in einer Phase, in der soziale Interaktion zum wesentlichen Bestandteil der Entwicklung gehört.

Andererseits nehmen wir auch steigende Zukunftsängste von jungen Menschen wahr. Die Unsicherheit über die Zukunft und das eigene Leben beunruhigt und belastet. Nach der Pandemie folgt nun die nächste Krise, ausgelöst durch den Krieg in der Ukraine. Zur sich abzeichnenden Wirtschaftskrise kommt die Klimakrise hinzu. Eine Zukunftsperspektive, die zum Verzweifeln bringen kann.

Aufstehen, Krone richten und weitergehen

Dass die Jungen aber den Kopf nicht in den Sand stecken, merken wir bei WIENXTRA an der Nachfrage unserer Angebote für junge Menschen. Bei der Ehrenamtswoche engagierten sich rund 3.000 Kinder und Jugendliche, um etwas für die Gemeinschaft zu tun. Junge Musiker:innen nutzen die Auftrittsmöglichkeiten der WIENXTRA Soundbase. Ein buntes Stadtprogramm, das durch die jungen Teilnehmer:innen zum Leben erweckt wird. Auch Beate Großegger vom Institut für Jugendkulturforschung bestätigt diese Entwicklung mit einer Studie. Junge Menschen finden konstruktive Wege, um in der aktuellen Situation nicht aus dem Tritt zu kommen. Viele junge Menschen nutzen beispielsweise Sport und Bewegung zum effektiven Selbstmanagement (37 Prozent der 16- bis 19-Jährigen). Kreative Aktivitäten (19 Prozent) wurden als Ausgleich gesucht, und Erholung in der Natur wurde von rund einem Viertel als Entlastungsstrategie genannt (Großegger 2022). Aber auch Freizeitkultur ist wieder stark gefragt. So wird in der WIENXTRA Jugendinfo verstärkt nach kostengünstigen bzw. kostenfreien Angeboten angefragt. Eine Lücke, die auch die Veranstaltungsreihe „Summer in the City“ schließen möchte mit einem dichten Programm an kostenfreien Workshops, Grätzelfesten, Musik und Sport. Das Interesse an Festivals, Konzerten und Großevents ist wieder riesig.

Konsumfreier öffentlicher Raum für junge Menschen

Wir sehen also eine Gruppe von Jugendlichen, die mit zum Teil schweren Belastungen in diesen Sommer geht, und eine andere Gruppe mit dem Grundsatz „Des mach ma scho“. Ein Zugang, der mit einer positiven Grundstimmung ausgestattet ist und Freiräume braucht, damit sich dieser positive Pragmatismus entfalten kann. Auf jeden Fall brauchen beide Gruppen für eine gesunde Entwicklung Erfahrungen mit Gleichaltrigen. Sie brauchen die Interaktion, um sich zu entwickeln. Und das im realen Leben und nicht in sozialen Medien. Sie brauchen konsumfreie öffentliche Räume, in denen sie sich ausleben können. Das ist wichtig, um Positives zu erleben, Belastungen einmal auf die Seite zu schieben und Kraft zu tanken. Mit anderen jungen Menschen die Stadt und auch sich selbst entdecken – das sollte wieder das Normalste sein für alle jungen Menschen. Gebraucht werden also Angebote, die leicht zugänglich sind. Vor allem braucht es Angebote, die gratis bzw. leistbar sind. 23 Prozent der jungen Menschen unter 18 in Österreich sind ausgrenzungs- oder armutsgefährdet. Das belegen aktuelle Zahlen des EU-SILC 2021, die von der Volkshilfe zusammengefasst wurden. Freizeitaktivitäten, die mit Kosten verbunden sind, können sich 7 Prozent der jungen Menschen unter 16 Jahren nicht leisten. 15 Prozent der Kinder ohne österreichische Staatsbürgerschaft stehen vor verschlossenen Türen. Jugendlichen stehen im Vergleich zu Erwachsenen weniger private Räume zur Verfügung. Der öffentliche Raum ist ihre Lebenswelt. Von größter Wichtigkeit sind daher konsumfreie Räume, die von den jungen Menschen selbst belebt werden können, ohne dass Erwachsene kontrollieren oder regulieren. Sie brauchen Plätze, Grünflächen und Parks, um ihre Jugend in konsumfreien Räumen zu erleben.

Junge Menschen fordern Freiräume

Der Bedarf an nicht kommerziellen Flächen im öffentlichen Raum wird immer wieder in Studien bestätigt. Junge Menschen wollen laut AK-Jugendstudie mehr Grün (45 Prozent), Aufenthaltsflächen, die nichts kosten (40 Prozent), oder mehr Sportflächen für Bewegung (36 Prozent), ohne bei einem Verein sein zu müssen (AK Wien 2015). Es braucht Treffpunkte, die nicht an Konsum gebunden sind. Diese Forderungen waren 2019 auch bei der „Werkstadt junges Wien“, bei der über 22.000 junge Wiener:innen teilnahmen, ein wichtiges Thema. Gefordert wird, dass in Wien konsumfreie Räume in der unmittelbaren Wohnumgebung erhalten bleiben und geschaffen werden. Straßen sollen zunehmend als Aufenthalts-, Grün-, Spiel- und Bewegungsraum für junge Menschen nutzbar gemacht werden. Junge Menschen fordern Grill- und Picknickplätze. Freizeit- und Kulturangebote sollen selbstbestimmt genutzt werden können. So steht es in der 1. Wiener Kinder- und Jugendstrategie, die vom Wiener Gemeinderat im Juni 2020 beschlossen wurde. Sie dient als Leitlinie und Auftrag für die Akteur:innen der Stadt, um den öffentlichen Raum so zu gestalten, dass (junge) Menschen diesen aktiv nutzen können.

Auftrag an die Jugendarbeit

In einer wachsenden Stadt, in der der öffentliche Raum immer dichter und auch von verschiedenen Nutzer:innen umkämpfter wird, braucht es Räume, die junge Menschen für sich vereinnahmen können. Es geht darum, ihnen die Chance zu geben, sie selbst zu sein, egal was andere von ihnen denken. Geben wir ihnen die Möglichkeiten, sich einzubringen, zu sich zu stehen und sich auszuprobieren. Dafür braucht es kostengünstige Angebote, um Musik zu machen, Filme zu drehen, Games auszuprobieren oder die Stadt zu erkunden. Orte zum Verweilen und um Spaß zu haben mit Freund:innen und neue Leute kennenzulernen. Es braucht leistbare interessante Workshops, Sportveranstaltungen, kulturelle Highlights, Musik, Medien, Film und Tipps zur abenteuerlichen Stadteroberung, worauf auch die „Summer in the City“-Events der Arbeiterkammer abzielen. Damit junge Menschen in Wien unbeschwerte Augenblicke mit Lachen, Freund:innen und Abenteuern in diesem Sommer haben. Bloß so.

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