Internetgiganten wie Google, Facebook oder Amazon sind allgegenwärtig im täglichen Leben und auch in den Schlagzeilen. Sie werden als Motor von technologischen Entwicklungen mit großer Reichweite (Gamechanger) gesehen. Gleichzeitig wird ihnen vorgeworfen, BAAD (big, anti-competitive, addictive and destructive to democracy), also schlecht, weil groß, wettbewerbsverhindernd, süchtig machend und demokratiezerstörend zu sein. Welche Regulierung braucht es, damit der versprochene Nutzen für alle wirklich entsteht?
Von der Euphorie zur Kritik
In den 1990ern und frühen 2000ern wurde das Internet als Treiber der Dezentralisierung, insbesondere durch kollaborative Produktions- und Innovationsprozesse, welche im Vordergrund der internetbasierten Aktivitäten standen, wahrgenommen. Die damit einhergehende Euphorie über technische Entwicklungen und die Begeisterung über die Verheißungen und Versprechungen der Vorstände treibender Tech-Unternehmen (zur Verbesserung der Welt durch technische Innovationen) sind mit den Anfängen der 2010er-Jahre abgeklungen. Marktwirtschaftliche Anreize beeinflussen auch die Entwicklungen der Digitalwirtschaft und der Verkauf digitaler Güter und Dienstleistungen alleine macht die Welt zu keinem besseren Ort. Der Applaus wurde zunehmend verhalten, kritische Stimmen hingegen immer deutlicher. Seit der Finanzkrise 2008 gewinnt auch die Debatte rund um das Verhältnis zwischen moderner Marktwirtschaft und der Rolle des Staates neue Brisanz. Die Debatte betrifft immer deutlicher grundlegende Probleme der Marktwirtschaft und reicht von Formen der Ungleichheit, Einkommen und Vermögen über die sich abzeichnende Reduktion ökonomischer Mobilität und Chancen bis zum Neu- und Wiederaufstieg konzentrierter privater Macht in Form von Too-big-to-fail-Finanzkonzernen („zu groß, um zu scheitern“) und Quasi- Monopolen der Internetwirtschaft.
Demokratische Kontrolle
Zusätzlich angeheizt wird die Debatte durch die Unsicherheit rund um die gewünschte und zielführende Rolle des Staates. Dabei geht es auch um ein Unbehagen im Zusammenhang mit staatlicher Autorität, die Herausforderungen der Verantwortlichkeit politisch Handelnder und die Reaktionsfähigkeit politischer Prozesse und Institutionen im Zusammenhang mit den dynamischen Innovationen und technischen Entwicklungen der vergangenen Jahre. Vor diesem Spannungsfeld zeichnet sich also vermehrt die Frage ab, wie überbordende private Macht kontrolliert und wie ihr begegnet werden kann, ohne unkontrollierter und überbordender staatlicher Macht zum Opfer zu fallen. Es gilt also einen Weg zwischen der staatlichen Übermacht in China und der privaten Übermacht in den USA zu finden. Dabei muss es gelingen, demokratische Strukturen zu stärken und politische Handlungsspielräume auszuweiten.
Private Macht ist dann kritisch, wenn Unternehmen wie Staaten auftreten und Verhandlungsmacht und gesellschaftlichen Gestaltungsspielraum weit über die Unternehmensgrenze hinaus entwickeln, ohne dabei demokratischen Kontrollmechanismen zu unterliegen. Steigende Marktkonzentration, abnehmende Markteintritte und langfristige überdurchschnittliche Gewinne können einen beschäftigungs- und innovationshemmenden Privatierskapitalismus bei hohen Preisen und sinkender Produktivität zur Folge haben. Aus der Kritik rund um private Macht, wie sie im Progressiven Zeitalter (1880 – 1920) unter anderem von Denkern wie Louis Brandeis oder John Dewey vorgebracht wurde, haben sich drei komplementäre Ansätze herausgebildet. Die prominenteste Form davon ist wohl die Entwicklung des Wettbewerbsrechts (Kartelle, Marktmissbrauch, Fusionskontrolle), welche eine relativ effiziente Nutzung staatlicher Macht zur Regulierung privater Macht darstellt. Eines der bekannteren Beispiele dazu ist die Zerschlagung von Standard Oil im Jahr 1911, mit dem Ziel der Wiederherstellung des Wettbewerbs im Ölgeschäft. Eine weitere Form ist jene der Corporate Governance, welche durch die Trennung zwischen Unternehmensführung und Unternehmenseigentum, besonders im Falle börsennotierter Unternehmen, notwendig wurde. Hinter diesem Konzept verbergen sich Bestrebungen, die Interessen des Managements und der Firmeneigentümer (Shareholder) durch Formen der Kontrolle, Anreizgestaltung und Aufsicht in Einklang zu bringen (zum Beispiel Aufsichtsrat). Die dritte Form betrifft das Konzept der Gemeinnützigkeit bzw. öffentlichen Infrastruktur. Wird also eine Infrastruktur als essentiell für das gesellschaftliche Leben eingeordnet, kann sie einer Regulierung unterzogen werden, die sicherstellt, dass grundlegende Dinge, wie zum Beispiel ein diskriminierungsfreier Zugang, gewährleistet werden. Dieses Konzept kann überall dort angewandt werden, wo eine gewisse Konsolidierung – aufgrund von Skaleneffekten oder der sozialen Wichtigkeit der betroffenen Güter und Dienstleistungen – notwendig und damit eine Zerschlagung ausgeschlossen ist. Eben diese Konsolidierung und die daraus resultierende Größe und Marktmacht sowie die soziale Wichtigkeit und die daraus abgeleitete Notwendigkeit fürs alltägliche Leben können eine stringente Regulierung begründen.
Das Problem der Marktabgrenzung
Die Marktabgrenzung ist relevant in der Fusionskontrolle und beim Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung. Im Gegensatz zur klassischen Sachgüterindustrie stehen die Wettbewerbsbehörden jedoch bei der Marktabgrenzung der digitalen Wirtschaft noch vor Herausforderungen. Hierbei ist letztlich auch zu berücksichtigen, dass die Modelle der „Preise“ nun durch Modelle der „Daten“ abgelöst werden.
In zweiseitigen Märkten gilt es immer zwei Seiten zu berücksichtigen, weshalb eine Marktabgrenzung zusätzlich erschwert wird. Google kann zwar rund 80 % der globalen Suchanfragen für sich verbuchen, befindet sich aber im digitalen Werbeanzeigenmarkt – welcher wiederum nur einen Teil des gesamten Werbemarktes ausmacht, für Googles Einkünfte aber entscheidend ist – in heftigem Konkurrenzkampf zu Facebook. Amazon wiederum dominiert den Online-Einzelhandel-Markt mit weltweit 43 % Marktanteil , dieser wiederum ist jedoch nur ein Teilmarkt des bedeutend größeren und durchaus von lebhaftem Wettbewerb gekennzeichneten Einzelhandels. Darüber hinaus hat Amazon auch noch Zugang zu den wesentlichen Geschäftsmodellen seiner Mitbewerber, die auf der Amazon-Plattform „Marketplace“ ihre Produkte anbieten.
Ohne auf die internetbasierte Wirtschaft angepasste Marktabgrenzung lässt sich also keine kartellrechtlich relevante marktbeherrschende Stellung herleiten und damit kein wettbewerbsrechtlicher Eingriff. Obwohl also Internetgiganten wie Google (Alphabet), Facebook und Amazon entscheidende ökonomische, infrastrukturelle und Regeln erlassende Macht ergriffen haben, scheint der Umgang damit vorerst noch schwer zu gelingen. Wie politisch die Entwicklung rund um wettbewerbsrechtliche Entscheide ist, zeigt die Rekordstrafe der EU-Kommission gegen Google in Höhe von EUR 4,3 Mrd. Der Zeitpunkt (Juli 2018) dieser enormen Strafe steht wohl auch in einem Zusammenhang mit dem Handelskonflikt zwischen EU und USA. Wie sehr die Entwicklung auch einfach Zeit braucht, jedoch zunehmend an Fahrt gewinnt, beweist wiederum das deutsche Bundeskartellamt, welches die Auseinandersetzung mit Facebook, insbesondere rund um Datenmacht und Datenmissbrauch, nicht mehr scheut.
Immer wieder wird auch der Hinweis zur Schnelllebigkeit solcher Machtstellungen mit Verweis auf Altavista, Yahoo, MySpace und andere Internetgrößen der frühen 2000er-Jahre gebracht. Der Hinweis, dass Google, Facebook oder Amazon in kürzester Zeit von einem Start-Up aus dem Spiel genommen werden könnten, verliert mit steigender Datenkonzentration, hohen Markteintrittsbarrieren und enormen Finanzreserven der Technologieriesen an Überzeugungskraft.
Internetkonzerne vs öffentliche Infrastruktur
Zweifellos ist das Internet zu einer grundlegenden Infrastruktur geworden, dessen Zugang aber nicht nur von Telekommunikationsanbietern, sondern auch von GAFA (Google, Apple, Facebook, Amazon) oder im Sinne „neuer Medien“ FANG (Facebook, Amazon, Netflix, Google), aber auch auf chinesischer Seite von BAT (Baidu, Alibaba und Tencent) maßgeblich dominiert und entscheidend geregelt und kontrolliert wird. Google kontrolliert via Suchmaschine den Zugang zu im Internet befindlichen Inhalten, Amazon wiederum hat diese in seiner Cloudinfrastruktur gespeichert (33 % Marktanteil weltweit, verfolgt von Microsoft mit abgeschlagenen 13 %) und Facebook wiederum dominiert die soziale Interaktion und Kommunikation, die im Internet stattfindet. Herausgefordert werden sie dabei in einzelnen Teilbereichen nur unter sich und von den „Superhelden“ aus China.
Nicht im engen ökonomischen Sinne von nicht rivalisierend und nicht ausschließbar, aber in einem breiteren sozialen Sinn „produzieren“ Amazon, Google und Facebook also essenzielle, öffentliche Güter, welche die Basis unserer modernen Gesellschaft bilden.
Sind also (1) Skaleneffekte und damit die Tendenz zur Marktkonzentration, (2) die Ermöglichung nachgelagerter Aktivitäten und (3) die Benachteiligung, Unterdrückung oder Verletzbarkeit unter eingeschränktem oder ausgeschlossenem Zugang gegeben, kann nach Rahman von Infrastrukturgütern ausgegangen werden.
Denkbare Regulierungsmaßnahmen
- Fusionskontrolle:
Ziel der Fusionskontrolle ist es, das Entstehen marktbeherrschender Konzerne durch den Zusammenschluss von zum Beispiel ehemaligen Konkurrenten zu verhindern. Bisher wurde dieses Instrument immer dann genutzt, wenn zwei besonders große (umsatzstarke) Unternehmen einen Zusammenschluss angehen wollten. In Zukunft sollen eingehendere Prüfungen von Firmenübernahmen auch bei kleineren Fusionen ermöglicht werden, insbesondere auch dann, wenn langfristige Nachteile zu erwarten sind. So hätte beispielsweise der Kauf von Instagram durch Facebook oder von Waze (Navigationssoftware) durch Google verhindert werden können, womit es heute attraktive Konkurrenten zu Facebook und Google Maps gäbe.
Bei einer Prüfung muss auch die Datenkonzentration berücksichtigt werden, denn diese entwickelt sich immer mehr zu einem entscheidenden Wettbewerbsfaktor und zu einer Hürde für Markteintritte, was wiederum innovationshemmend wirkt. Analog zu der Entwicklung starker und potenter Intellectual-Property-Rechte (IP-Rechte) im 19. Jahrhundert gilt es heute Eigentum und Austausch von Daten zu regeln und dabei Individuen/UserInnen starke Rechte zuzugestehen. Stärkere Kontrolle über die eigenen Daten könnte dazu führen, dass Plattformen angewiesen werden könnten, was sie mit den Daten machen dürfen, welchen Konkurrenten sie diese weitergeben müssen oder ob sie diese zu löschen haben. Dies entspricht auch dem Konzept der Firewall. Darunter wird die Restrukturierung von Anbietern sozialer und infrastruktureller Güter und Dienstleistungen mit dem Ziel der Trennung verknüpfter Güter und Dienstleistungen verstanden. Zum Beispiel: Retail von Investment-Banking (eine Quasi-Renaissance des Glass-Steagall-Akts), Suchmaschine (zum Beispiel Google) von Inhalten (zum Beispiel YouTube) oder Betriebssystem von Apps usw. So kann die Bevorzugung eigener Produkte auf der bereitgestellten Infrastruktur verhindert werden.
Darüber hinaus könnten Internet-Plattformen als Infrastrukturen des 21. Jahrhunderts, als öffentliche Versorgungsbetriebe betrachtet und die Regulierung dementsprechend angepasst werden. Was die Regulierung von Plattformen als essenzielle/öffentliche Infrastrukturen anbelangt, könnten analog zu den Vorschlägen Rahmans zusätzlich zu wettbewerbsrechtlichen „Firewalls“ auch staatliche, Sektor-spezifische Regulierungseingriffe oder öffentliche Alternativen Ansätze zur Beschränkung privater Macht sein:
- Staatliche, Sektor-spezifische Regulierungseingriffe:
Dies bezieht sich auf die Vorgabe und Einhaltungsüberwachung von im öffentlichen Interesse stehenden Anliegen, wie der Sicherstellung eines diskriminierungsfreien Zugangs, Stichwort: Netzneutralität.
- Öffentliche Alternativen:
Dies bezeichnet die Schaffung eines öffentlichen Infrastrukturanbieters entweder als exklusiven Anbieter oder als Konkurrenten zu privaten Anbietern im Markt. Zum Beispiel: kommunales Glasfasernetz, nichtkommerzielle, gemeinwohlorientierte und selbstverwaltete Projekte wie etwa Plattformkooperativen.
Regulierung, die eine gesellschaftliche Einbettung beinhaltet
Analog zu der Marktkritik des Progressiven Zeitalters ist es hilfreich, Probleme des Marktes nicht als Effizienz- oder Allokationsprobleme, sondern als solche der Machtkonzentration und Herrschaft zu begreifen. Wenn im Zusammenhang mit dem Markt (oder Plattform) nicht mehr von einem Naturgesetz oder einer neutralen Technologie, sondern einem sozialen und politischen Konstrukt, basierend auf Eigentums- und Vertragsrecht, ausgegangen wird, wird klar, dass das Problem der privaten Machtkonzentration keines ist, welches sich auf Monopole alleine beschränkt. Der häufig auf der Ausnutzung einer solchen marktbeherrschenden Stellung aufbauende kartellrechtliche Zugang zur gegenwärtigen Kontrolle privater Macht ist daher zu eng und muss um Strategien des Datenschutzes, der Medienvielfalt und eines öffentlichen Infrastrukturkonzeptes erweitert werden.