Der Familienbonus Plus – (k)ein Gleichstellungsinstrument?

01. März 2023

Die Einführung des Familienbonus Plus im Jahr 2019 wurde unter anderem mit der Förderung einer gleichmäßigeren Verteilung der Erwerbsarbeit begründet. Letztes Jahr wurde der Familienbonus sogar um ein Drittel erhöht. Diese enorme Erhöhung bietet Anlass, den Familienbonus Plus in seiner bisherigen Performance etwas genauer unter die Lupe zu nehmen.

Familienbonus Plus soll faire Verteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit vorantreiben

Im Begutachtungsentwurf zum Familienbonus Plus vom März 2018 ist zu lesen, dass das Vorhaben zum Wirkungsziel, „gleichmäßigere Verteilung der Erwerbsarbeit wie auch der unbezahlten Arbeit zwischen Frauen und Männern wird durch das Abgabensystem unterstützt“, beiträgt. „Gerade jene Eltern, die neben der Erziehung ihrer Kinder gleichzeitig berufstätig sind, sollen eine höhere Anerkennung erfahren. Dies soll entgegen der bisherigen Förderungslogik nicht durch eine neue staatliche Geldleistung, sondern mit Hilfe einer substanziellen Steuerentlastung erreicht werden.“

Dass Maßnahmen zur Förderung einer gleichmäßigeren Verteilung der Erwerbsarbeit und der unbezahlten Arbeit zwischen Männern und Frauen dringend nötig sind, zeigt die Zeitverwendungsstudie der Statistik Austria aus dem Jahr 2009. In Österreich werden jährlich 9,7 Mrd. Stunden für Hausarbeit, Kinderbetreuung, Pflege von Kranken oder Gebrechlichen oder ehrenamtliche Mitarbeit geleistet. Zwei Drittel dieser Stunden leisten Frauen. Umgekehrt verrichten zwei Drittel der bezahlten Arbeitszeit Männer.

Rund die Hälfte der Arbeitnehmerinnen in Österreich arbeitet Teilzeit, überwiegend wegen Kinderbetreuungspflichten.

Würde der Familienbonus Plus also die beiden Ziele erfüllen, jenen Anerkennung zukommen zu lassen, die neben der Erziehung der Kinder berufstätig sind, und bezahlte und unbezahlte Arbeit gleichmäßiger zu verteilen, so müsste sich die Verteilung des Bezuges von Familienbonus Plus in Richtung 50:50 zwischen Männern und Frauen entwickeln.

Nur 19 Prozent des Familienbonus Plus gehen an Frauen

Ein Blick in die von der Statistik Austria erstellten Lohnsteuerstatistiken der Jahre 2019–2021 zeigt, dass der Familienbonus Plus diese beiden Aufgaben nicht erfüllt. Betrachtet man die Verteilung des Familienbonus Plus, so zeigt sich seit seiner Einführung eine Entwicklung zugunsten der Männer.

Waren anfänglich noch rund 30 Prozent der Bezieher*innen des Familienbonus Plus Frauen, so waren es 2021 nur mehr 27 Prozent. Noch stärker ist der Unterschied, wenn man nicht die Personen betrachtet, sondern einen Blick auf die ausbezahlten Beträge wirft.

So bekamen Frauen im Jahr 2019 von den rund 700 Mio. Euro gerade mal knappe 22 Prozent ausgezahlt. Im Jahr 2021 sind es pro ausbezahlten Euro Familienbonus Plus gerade mal 19 Cent.

Dekoratives Bild © A&W Blog
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Ein Drittel der Arbeitnehmerinnen verdient zu wenig für den halben Familienbonus Plus

Der Familienbonus Plus ist ein Steuerabsetzbetrag. Wie viel Familienbonus Plus man tatsächlich bekommt, ist daher von der Höhe der zu leistenden Lohn- oder Einkommensteuer und somit von der Höhe des Einkommens abhängig. Wie schon erwähnt, arbeitet rund die Hälfte der österreichischen Arbeitnehmerinnen Teilzeit. Aufgrund der Höhe ihres Einkommens zahlen sie wenig bis keine Lohnsteuer.

Betrachtet man die Lohnsteuerstatistik nach Bruttobezugsstufen, so zeigt sich, dass rund 51 Prozent der Frauen eine (durchschnittliche) anrechenbare Lohnsteuer von unter 2.000 Euro haben und somit, selbst wenn sie sonst keine Frei- oder Absetzbeträge geltend machen können, nicht genügend Lohnsteuer bezahlt haben, um den – nun erhöhten – Familienbonus Plus in voller Höhe beziehen zu können. Auch ohne die Erhöhung geht es sich für rund 40 Prozent nicht aus. Bei den Männern trifft dies gerade mal auf 15 Prozent zu. Bei rund einem Drittel (bzw. vor der Erhöhung einem Viertel) der Frauen geht sich nicht einmal der halbe Familienbonus Plus aus.

Wenig Anreiz für Mütter, bezahlte Arbeitsstunden aufzustocken

Die Möglichkeit, den Familienbonus Plus zu teilen, stellt keinen tatsächlichen Anreiz dar, die bezahlte und unbezahlte Arbeit innerhalb einer Familie fairer zu verteilen. Da eine Teilung des Familienbonus Plus – im Gegensatz zum abgeschafften Kinderfreibetrag – keinen zusätzlichen Benefit bringt, liegt der einzige Anreiz zur Teilung darin, dass beide Elternteile nicht genug verdienen, um den ganzen Familienbonus Plus zu beanspruchen.

Geht vom Familienbonus Plus nun der Anreiz aus, mehr Arbeitsstunden zu leisten, um die Steuergutschrift in voller Höhe beziehen zu können, so wird dieses Unterfangen schneller gelingen, wenn der Elternteil mit dem höheren Einkommen mehr Stunden leistet. Denn aufgrund des Einkommensteuertarifes zahlt man, je mehr man verdient, für zusätzliches Einkommen mehr Steuer.

Das bedeutet: Jemand mit einem niedrigen Einkommen müsste seine Arbeitsstunden wesentlich stärker erhöhen als jemand mit einem hohen Einkommen, um das nötige Ausmaß an anrechenbarer Lohnsteuer zu erlangen.

Da für den Bezug des Familienbonus Plus auch keine Kinderbetreuungskosten vorzuweisen sind, unterstützt dieser Absetzbetrag kurzsichtige haushaltsökonomische Entscheidungen, die in einem starken Gegensatz zur langfristigen individuellen ökonomischen Absicherung der Frau stehen: Die schlechter bezahlten und niedrig besteuerten zusätzlichen Erwerbsarbeitsstunden der Frau werden direkt mit den entstehenden Kinderbetreuungskosten und den besser bezahlten Überstunden des Mannes verglichen.

Bezahlung in frauendominierten Branchen erschwert Bezug von Familienbonus Plus

Frauen arbeiten immer noch häufiger in schlechter bezahlten Branchen. Eine zusätzliche Arbeitsstunde bringt daher weniger Einkommenssteigerung und auch weniger anrechenbare Lohnsteuer als jene in besser bezahlten Berufen.

Ein erneuter Blick in die Lohnsteuerstatistik 2021 nach Bruttobezugsstufen zeigt, dass mehr als ein Viertel der Frauen eine (durchschnittliche) Bemessungsgrundlage von unter 11.693 Euro haben. Ein gutes Drittel erreicht einen Grenzsteuersatz von 20 Prozent. Den Grenzsteuersatz von 41 Prozent oder mehr erreichen gerade einmal rund 20 Prozent der Frauen, hingegen rund 45 Prozent der Männer.

Der Weg zu genügend anrechenbarer Lohnsteuer, um den Familienbonus Plus für ein oder gar zwei Kinder in voller Höhe beanspruchen zu können, kann also für Frauen durchaus ein langer sein.

Höherer Familienbonus Plus bedeutet mehr Steuergutschrift für Väter

Auch die Erhöhung des Familienbonus Plus auf 2.000 Euro pro Jahr und Kind wird kaum einen Anreiz zur gerechteren Verteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit setzen. Die gut bezahlten Überstunden des einkommensstärkeren Elternteils werden noch stärker für die Steuergutschrift in voller Höhe benötigt werden. Die Verteilung des Bezuges von Familienbonus Plus zwischen Männern und Frauen wird sich so noch stärker zugunsten der Männer verschieben.

Als Gleichstellungsinstrument braucht der Familienbonus Plus „Hilfe“ von außerhalb

Damit der Familienbonus Plus überhaupt einen Beitrag zur faireren Verteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit leisten kann, ist es notwendig, dass beide Elternteile bezüglich ihrer Steuerleistung auf Augenhöhe „verhandeln“ können. Dazu kann das Steuersystem aber nur sehr eingeschränkt beitragen. Die Lösungsansätze liegen wohl eher in einer besseren Bezahlung frauendominierter Branchen und in Modellen, die – so wie das Familienarbeitszeitmodell von AK und ÖGB – eine fairere Verteilung von Arbeit direkt unterstützen.

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