Ihre Personalhoheit könnten Universitäten verantwortungsbewusst für faire Beschäftigungsbedingungen nutzen. Stattdessen führte Flexibilität zu fast ausschließlich prekären Beschäftigungsverhältnissen in Lehre und Forschung. Wir fordern Dauerstellen als Regelbeschäftigung, faire Beschäftigungsbedingungen, verlässliche Karrierewege und gleiche Chancen für alle.
Zunehmend unattraktiv und unfair: Der Arbeitsplatz Universität
Die Rektor:innen nehmen ihre Verantwortung für das Personal nur unzureichend wahr. Das Ministerium zögert, aktiv in die Personalplanung einzugreifen. Der Traumjob Wissenschaft verkommt dabei zunehmend zur Schimäre: Arbeitsverträge sind oft nur befristet, viele Jungwissenschafter:innen stehen vor langen und steinigen Karrierewegen und viele kämpfen damit, Familie und wissenschaftliche Qualifizierung unter einen Hut zu bringen. Dazu kommt, dass Frauen sowie Menschen mit Migrationshintergrund, Behinderung oder chronischer Erkrankung oft mit zusätzlichen Hindernissen konfrontiert sind. Vor allem die Gewerkschaften machen seit Jahren auf die Probleme aufmerksam und legen Konzepte mit Lösungsvorschlägen vor, z. B. im von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft in Deutschland vorgelegten Herrschinger Kodex 2012 oder in der Position der Universitätengewerkschaft in der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst (GÖD) 2019.
Die Problemlagen der universitären Berufsgruppen sind heterogen. Was aber fast allen gemeinsam ist: Es geht um Karriereperspektiven für die Beschäftigten und darum, unbefristete Arbeitsverträge zu vergeben. Die Einführung des Tenure-Track-Modells (neue Laufbahnstellen) verführte zu berechtigter Hoffnung, aber diese Stellen sind viel zu spärlich gesät. Zudem kommt hier vielfach nicht der wissenschaftliche und künstlerische Nachwuchs zum Zug, sondern viel häufiger bereits im Wissenschaftssystem Arrivierte, die regelmäßig anderswo Vorleistungen erbracht haben. Deshalb werden unbefristete Arbeitsverträge bei Senior Scientists, Senior Lecturers oder Lektor:innen viel zu wenig eingesetzt. Es greift damit eine weitere Fehlentwicklung Platz, und die Schere zulasten der prekär Beschäftigten geht noch weiter auf.
Es führt (noch) kein Weg hin zum unbefristeten Arbeitsvertrag
Kritiker:innen der Entfristung sagen, es bestünde eine sehr verzerrte Wahrnehmung über Karrieremöglichkeiten. So sei es in vielen Disziplinen keine empfehlenswerte Strategie, eine „Kaminkarriere“ innerhalb einer Universität anzustreben, und für eine weitere Qualifizierung sei es unerlässlich, Erfahrungen auch in anderen Institutionen zu sammeln. In der Praxis kann man jedoch an die Empfehlung zur Diversifizierung des eigenen Erfahrungsprofils nicht mehr glauben, denn bei der Rückkehr von einer anderen Institution gibt es für viele keine Stelle. Kolleg:innen bemühen sich, mit ihren Forschungsideen von Drittmittelgeber:innen eine Finanzierung zu erhalten. Wenn es dann darum geht, nach dem dritten, vierten oder fünften befristeten Vertrag an der Universität eine Fixanstellung zu erhalten, gibt es wenige Rektorate, die bereit sind, Angebote zu machen. Dabei wird nicht selten darauf verwiesen, dass es im entsprechenden Tenure-Track-Modell gerade keine Option gebe. Warum wird Leistungsbereitschaft und Kreativität der Wissenschafter:innen nicht belohnt? Stattdessen wurde Personalflexibilität, Generationengerechtigkeit und Qualifizierung zum Vorwand für ein ausuferndes Prekariat.
Vielfalt an Karrierewegen sowie faire Arbeitsbedingungen
Damit junge und erfahrene Wissenschafter:innen in Zukunft wieder mit voller Energie forschen und lehren können und das Arbeiten in der Wissenschaft wieder attraktiver gemacht wird, fordern wir, dass
- unbefristete Beschäftigung nicht auf das Tenure-Track-Modell beschränkt bleibt;
- es eine frühe Entscheidung für dauerhafte Anstellung in Forschung und Lehre gibt;
- geleistete Arbeit selbstverständlich auch entsprechend fair entlohnt wird; und
- wirkungsvolle Maßnahmen zur Förderung der Gleichstellung von benachteiligten und unterrepräsentierten Gruppen eingeführt werden.