Fabriken der Zukunft: Industriepolitische Antworten auf die Umweltausbeutung 4.0

06. August 2020

Industrie 4.0 steht für die digitale Vernetzung industrieller Produktion über die gesamte Wertschöpfungskette. In den „intelligenten Fabriken“ der Industrie 4.0 werden Roboter mit künstlicher Intelligenz, das Internet der Dinge, Big Data, Cloud-Computing und der 3D-Druck kombiniert. Die Maschinen können miteinander kommunizieren und sind lernfähig. Für die Menschen können diese technologischen Neuerungen arbeitsunterstützend und -erleichternd sein. Die Automatisierung birgt jedoch neben sozialen auch ökologische Herausforderungen.

Industriepolitik ist ein Instrument zur Steuerung dieses Strukturwandels. Dazu zählt beispielsweise die Frage, wie die Gewinne verteilt werden, die entstehen, wenn Produktion effizienter wird. Besonders die Auswirkungen von Industrie 4.0 auf Umwelt und Geschlechtergerechtigkeit finden bislang wenig Beachtung. In einem in Kürze erscheinenden AK-Policy-Paper zur „Industriepolitik 4.0“ sehen wir uns diese beiden Aspekte genauer an.

Nachhaltigkeit durch Digitalisierung?

Industrie 4.0 wird als große Chance dargestellt, eine grüne Wende in der Güterproduktion zu erreichen. Ressourcen könnten effizienter genutzt werden, da die gesamte Wertschöpfungskette vernetzt ist. So wird nur das produziert, was auch tatsächlich nachgefragt wird, und umweltbelastende Transportwege können eingespart werden. Digitalisierung unterstützt auch die Kreislaufwirtschaft, die auf Reparatur, Wiederverwendung und Recycling setzt. Mit gezielten Maßnahmen könnte die Produktion bestimmter Güter nach Europa zurückverlagert werden.

Steigender Energieverbrauch

Gleichzeitig erfordert die Industrie 4.0 besonders viel Rechenleistung und damit Energie. Da mehr Maschinen miteinander vernetzt sind, werden auch mehr Daten erzeugt, übertragen, verarbeitet und gespeichert. „Intelligente“ Anwendungen wie Sprachassistenzsysteme sind besonders rechenintensiv. Die Datenzentren für das Cloud-Computing verbrauchen enorm viel Strom für den Betrieb und die Kühlung der Server. Der ökologische Fußabdruck der sogenannten Serverfarmen wächst rasant, da die Hauptenergiequelle nach wie vor aus fossilen Brennstoffen stammt.

Dekoratives Bild © A&W Blog
© A&W Blog

Es ist daher notwendig, steuernd einzugreifen und den Umstieg auf erneuerbare Energien gleich schnell zu vollziehen wie den Umstieg auf die Cloud. Datenzentren sollten zukünftig ausschließlich mit „grünem“ Strom betrieben werden.

Industrie 4.0 benötigt mehr Rohstoffe

Das „Internet der Dinge“ benötigt auch eine Vielzahl an Rohstoffen, zum Beispiel für Sensoren, Displays, Hochleistungsmikrochips und RFID-Tags. Deren gesteigerter Abbau ist jedoch aus einer Umweltperspektive hoch problematisch. Gleichzeitig wird die Hardware, die aus diesen Rohstoffen hergestellt wird, aufgrund der „Obsoleszenz durch Software“ immer früher unbrauchbar. Weil alle Maschinen vernetzt sind, greift die Software tief in die Funktionsweise der Hardware ein. Beispielsweise werden Bildschirme obsolet, wenn das neue Betriebssystem sie nicht mehr unterstützt. Der ursprüngliche Sinn der Trennung von Hardware und Software wird so ad absurdum geführt.

Außerdem erinnert der gesamte Diskurs um die „Rohstoffsicherung 4.0“ an imperialistische Wettstreite, denn viele der benötigten Rohstoffe müssen aus anderen Teilen der Welt beschafft werden. Die sogenannten Konfliktmineralien Zinn, Wolfram, Tantal und Gold werden dabei im globalen Süden oft unter schweren Menschenrechtsverletzungen abgebaut.

Dekoratives Bild © A&W Blog
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Industriepolitik muss eingreifen und die Förderrichtlinien an die Einhaltung von Sozial-, Arbeits- und Umweltstandards an den Abbauorten knüpfen. Digitale Technologien können dabei unterstützen, die Herkunft der Rohstoffe über die Wertschöpfungskette zu überprüfen. Zentral ist dabei, die internationale Solidarität zwischen den Gewerkschaften auszubauen und Verantwortung auch für die Teile des Produktionsprozesses in anderen Ländern zu übernehmen. Dies erfordert auch eine Stärkung des sozialen Dialogs auf europäischer Ebene, damit Arbeitnehmer*innenvertretungen in industriepolitische Entscheidungen eingebunden sind.

Creative-Commons-Lizenz CC BY-SA 4.0: Dieser Beitrag ist unter einer Creative-Commons-Lizenz vom Typ Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 International zugänglich. Um eine Kopie dieser Lizenz einzusehen, konsultieren Sie http://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/. Weitere Informationen https://awblog.at/ueberdiesenblog/open-access-zielsetzung-und-verwendung