Im Wahlkampf sprach der nunmehrige Bundeskanzler im Kontext der Entwicklungspolitik oft davon, dass er die Hilfe vor Ort verstärken und erhöhen will. Wie sieht es nun nach der Wahl aus? Findet sich die Umsetzung dieser Versprechung im Regierungsprogramm wieder und welche Akzente werden in der Entwicklungspolitik tatsächlich gesetzt?
Der Stellenwert der österreichischen Entwicklungspolitik im neuen Regierungsprogramm
Die Wertigkeit der österreichischen Entwicklungspolitik wird deutlich, wenn man die Regierungsprogramme von Deutschland (dem noch zugestimmt werden muss) und Österreich quantitativ vergleicht. Der deutsche Koalitionsvertrag umfasst 177 Seiten, drei Seiten davon skizzieren die Vorhaben in der Entwicklungspolitik. Das österreichische Regierungsprogramm beschreibt im Gegensatz dazu lediglich auf nicht einmal einer halben der insgesamt 182 Seiten die Vorhaben im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit (EZA). Somit deutet sich schon an, dass der Entwicklungspolitik in Österreich nicht die nötige Aufmerksamkeit zuteilwird. Ihre politische Relevanz als zentrales Element einer aktiven Außenpolitik wurde demnach noch nicht erkannt.
Migrationsabwehr im Fokus
Noch viel entscheidender als die Quantität des Programms ist aber dessen Qualität. Dabei fällt beim österreichischen Regierungsprogramm zunächst auf, dass man beim Kapitel zur EZA vergeblich nach der Agenda 2030 und ihren 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, kurz SDGs) sucht. Die SDGs setzen sich unter anderem zum Ziel, dass bis 2030 niemand mehr in absoluter Armut leben muss und allen Menschen ein menschenwürdiges Leben ermöglicht wird. Wirtschaft, Ökologie und Soziales sollen zusammengedacht werden, um dies zu erreichen. Die SDGs sind ein Masterplan für eine gerechtere Welt und zentraler Eckpfeiler im Kampf gegen Armut. Deshalb sollte ein Verweis auf diese im Kapitel zur Entwicklungszusammenarbeit keinesfalls fehlen.
Zwar bleibt die Bekämpfung der extremen Armut im Sinne der UNO-Vorgaben laut dem Regierungsprogramm das Generalthema der EZA, eine Konkretisierung der UNO-Vorgaben oder ein Verweis auf die rasche Umsetzung der SDGs bleibt aber wie gesagt aus. Vielmehr stellt die neue Regierung im Regierungsprogramm nationale Interessen und die Abwehr von Menschen in den Vordergrund: „Entwicklungszusammenarbeit (EZA) ist dabei auch ein Instrument zur Förderung eines wohl verstandenen Eigeninteresses Österreichs mit dem Ziel, insbesondere Migrationsströme zu verhindern.“ Eine solche Instrumentalisierung der Entwicklungspolitik zur Abwehr von Menschen ist jedoch definitiv kein Ziel der EZA. Das österreichische EZA-Gesetz nennt vielmehr die Bekämpfung der Armut, die Sicherung des Friedens und der menschlichen Sicherheit sowie die Erhaltung der Umwelt und den Schutz von natürlichen Ressourcen als Ziele.
Prinzipiell positiv zu bewerten ist das Bekenntnis im Regierungsprogramm zum weltweit vereinbarten Ziel, 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens für Entwicklungszusammenarbeit zur Verfügung zu stellen. Es bleibt aber unklar und unkonkret, wie die Regierung dieses Ziel erreichen will. Um das Ziel zu erreichen, braucht es dringend einen Stufenplan, der auch gesetzlich verankert werden muss. Ebenso sollte die im Regierungsprogramm erwähnte Erhöhung des Auslandskatastrophenfonds ehestmöglich beziffert und umgesetzt werden. Aufgrund der vielfältigen Krisen wäre eine sofortige Erhöhung von 20 auf 60 Millionen Euro das Gebot der Stunde. Insgesamt bleibt die Regierung im Kapitel zur EZA sehr vage und es bleiben viele Fragen offen.
Budgetverhandlungen als Chance für Bundesministerin Karin Kneissl
Angesichts des in weiten Teilen enttäuschenden Kapitels zur EZA im Regierungsprogramm bleibt zu hoffen, dass sich die neue Außenministerin der außenpolitischen Dimension der EZA bewusst ist und entsprechende Schritte setzt. In den derzeit stattfindenden Budgetverhandlungen könnte sie zeigen, wie wichtig ihr die Bekämpfung von Armut und die Schaffung von Lebensperspektiven für Menschen vor Ort sind. Dazu kann und muss sie die Budgetmittel für entwicklungspolitische Maßnahmen signifikant erhöhen. Nur so kann sie den Ankündigungen des nunmehrigen Regierungschefs Kurz im Wahlkampf, die Mittel für die EZA zu erhöhen, gerecht zu werden. Auch die bevorstehende EU-Ratspräsidentschaft gebietet, dass Österreich mit gutem Beispiel vorangeht und EU-weit Initiativen setzt. Österreich muss in jedem Fall den internationalen Verpflichtungen nachkommen, die Umsetzung der Agenda 2030 vorantreiben und auf humanitäre Katastrophen angemessener reagieren. In letzter Konsequenz kann man damit auch Fluchtursachen mindern. Prinzipiell geht es aber vor allem darum, dazu beizutragen, allen Menschen auf der Welt Lebensperspektiven sowie politische Stabilität und soziale Sicherheit zu ermöglichen. Dabei ist gerade Österreich als kommendes Vorsitzland der EU gefordert, mit einer aktiven Außenpolitik seinen Beitrag zu leisten. Denn eines ist gewiss: Wer eine gute Zukunft für Österreich will, muss die Welt im Blick haben.