Die neuen EU-Umweltschutz- und Energiebeihilfen 2014-2020: Noch  großzügigere Ausnahmen für die Industrie

12. Mai 2014

Große Erwartungen wurden geweckt, ja, eine neue Weichenstellung erwartet, als die EU-Kommission bereits 2012,  zwei Jahre vor Ablauf der derzeit geltenden Leitlinien für Umweltschutzförderungen, ein Konsultationsverfahren einleitete. Alle interessierten EU-BürgerInnen waren  zu einer Stellungnahme eingeladen. Gefragt wurde nach der zukünftigen Schwerpunktsetzung für Beihilfen zugunsten von Energie und Umwelt. Die Subventionen bestimmter Produktionsformen, nicht nur aus erneuerbaren Energien, sondern auch solche, die die Grundversorgung sichern, sollen die Erreichung der 20-20-20 Ziele (ua 20% des Energieverbrauches aus erneuerbaren Energiequellen) unterstützen. Große Hoffnungen – kleines Ergebnis, so das Fazit eines am Ende autokratischen Verfahrens für die neuen Leitlinie, die von 2014-2020 gelten.

Nach dem bürgernahen Beginn des Gesetzgebungsprozesses 2012 ließ ein durchgesickerter Entwurf im Sommer 2013 Schlimmes befürchten: Dort war neben dem Kapitel zur Förderung erneuerbarer Energien auch ein eigener Abschnitt zur Förderung von Atomkraftwerken vorgesehen. Nach einer konzertierten Aktion von NGOs und auch der AK sowie  einiger Mitgliedstaaten, die sich bereits bisher gegen Atomenergie entschieden hatten, verschwand diese Idee wieder in den Kommissionsschubladen. Der neue Entwurf von Dezember 2013 gibt nunmehr den Mitgliedstaaten einen um einiges engeren Rahmen für die Beihilfemechanismen und die förderbaren Energieformen vor. Wobei die Leitlinien keine normative Kraft haben, sondern nur eine Selbstbindung der EU-Kommission bezüglich  ihrer zukünftigen Beihilfenentscheidungen darstellen.

Ende der Einspeisetarife

Im Wesentlichen entschied sich die EU-Kommission für das Auslaufen der Einspeisetarife, bis 2015. Diese Form der Förderung gibt es in einer Vielzahl von Mitgliedstaaten – insbesondere dort, wo das deutsche Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) als Vorbild genommen wurde. Ab 1.Jänner 2016 akzeptiert die EU-Kommission nur mehr Systeme, in denen die geförderten Energieträger auf dem Markt verkauft werden (Direktvermarktung). Die Beihilfen sollen grundsätzlich in einem offenen Versteigerungs- oder Bieterverfahren vergeben werden und dürfen nur als Marktprämie gewährt werden.

Neben dieser Systemrevision gibt es noch andere wichtige Bestimmungen zu Betriebsbeihilfen: Erfreulich ist, dass sich der Grundsatz „Essen auf den Teller, nicht in den Tank“ in den neuen Leitlinien wiederfindet.  Investitionsbeihilfen für neue Anlagen zur Produktion von Agrotreibstoffen sind unzulässig. Betriebsbeihilfen in derartige Anlagen müssen 2020 auslaufen.

Anders sieht es hingegen bei Biomasseanlagen zur Erzeugung von Strom aus, die ebenso der Nahrungs- und Futtermittelkette Rohstoffe entziehen und für deren hochvolatilen Preise mitverantwortlich sind. Obwohl viele dieser Anlagen bereits mehr als ein Jahrzehnt nur durch Betriebsbeihilfen überleben, also die Marktreife nicht erreichen konnten, ist die Dauerförderung weiterhin zulässig. Unter dem Motto: Wenn sich die Mitgliedstaaten solche Hobbies leisten können, dann sollen sie es tun.

Sicherung der Grundversorgung und Netzstabilität

Die zunehmende Einspeisung erneuerbarer Energien bringt hohe Anforderungen an das Lastenmanagement mit sich. Fallen Sonne oder Wind aus, so müssen konventionelle Kraftwerke einspringen, um das Netz stabil zu halten. Im günstigsten Fall Pumpspeicherkraftwerke. Wenn es ganz knapp wird auch solche, die mit Kohle oder Erdöl  Strom erzeugen.  Die weit umweltfreundlicheren  hocheffizienten Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen (KWK), die überwiegend mit Erdgas betrieben werden und neben Strom auch Fernwärme- und Fernkälte erzeugen, drohen  zwischenzeitlich auszufallen:  Denn seit über drei Jahren befinden sie sich auf wirtschaftlicher Talfahrt. Während sich die Einkaufspreise für Erdgas weiterhin auf hohem Niveau befinden, sinken die Strompreise und damit auch die Erlöse. Wärmeerlöse können nur im Winter erzielt werden. Im Sommer stehen KWK-Anlagen praktisch still.

Die neue Richtlinie sieht daher vor, dass neben Investitionsbeihilfen zur Verbesserung des Umweltschutzes auch Betriebsbeihilfen für hocheffiziente KWK-Anlagen zulässig sind, sofern sie „zum Funktionieren eines sicheren, leistbaren und nachhaltigen Energiemarktes beitragen“.

Ein erfreuliches Anerkenntnis von Daseinsvorsorgeaufgaben. Dennoch: Grundsätzlich sind die Leitlinien vom Glauben an die unsichtbare Hand des Marktes getragen. Nicht nur, was die Neugestaltung der Betriebsbeihilfen betrifft, sondern auch die klare Präferenz für Handel mit grünen Zertifikaten und für  den Handel mit Emissionszertifikaten (ETS-Systeme). Zwar hat bei  Letzteren der Markt eigentlich funktioniert, aber nicht im Sinne der Erfinder: Durch das Überangebot an Zertifikaten bei gleichzeitig geringer Nachfrage aufgrund der geringeren Industrieproduktion – Stichwort  Wirtschaftskrise –  liegt der Preis für CO2-Zeritifikate im Keller. Der Markt hat  somit bis jetzt nicht den erhofften Mehrwert erbracht: Vielmehr wird er von  Mehrwertsteuerbetrug und Marktmanipulation erschüttert. Auf eine Ausweitung dieser Marktmechanismen auf das Fördersystem  für den weiteren Ausbau  sollte wohl besser verzichtet werden.

Die unsichtbare Hand der Industrie

Solcherart gestaltet ließ der Leitlinienentwurf einiges an Innovation zu. Eng definierte Ausnahmen für industrielle Großverbraucher von Energie – wie bspw Papier-, Zement- und Stahlindustrie – waren nur bei besonderer Exponiertheit gegenüber Unternehmen aus Drittstaaten angedacht worden. Denn die Leitlinien sehen ohnehin Ausnahmen für Sektoren, die durch Umweltsteuern im Vergleich zu Drittstaaten einen Wettbewerbsnachteil erleiden,  vor.  Solche Unternehmen können entweder mit einem begünstigten Umweltsteuersatz oder durch eine teilweise Steuerrückvergütung gefördert werden. Jedenfalls müssen sie aber den allfällig EU-weit harmonisierten Mindeststeuersatz bzw eine Eigenbeteiligung von 20%  des nationalen Steuersatzes leisten.

Allein: Eine Woche vor der Beschlussfassung durch die EU-Kommission kam es zu einer überraschenden Ergänzung. Unter Ausschluss der anderen Mitgliedstaaten einigte sich die Generaldirektion Wettbewerb mit Deutschland auf zwei Listen (dzt Annex 3 und 5). In ihnen sind die Sektoren aufgezählt, für die die Mitgliedstaaten nach Lust und Laune Ausnahmen von der Abnahmeverpflichtung erneuerbarer Energien – und damit eine beinahe vollständige Befreiung von deren Finanzierung – vorsehen können. Dies reicht von der Herstellung von Lederwaren, über Haushalts- und sanitäre Waren bis hin zur Bürsten- und Musikinstrumentenproduktion. Eine überraschende und demokratiepolitisch bedenkliche Änderung der neuen Leitlinien,  die schließlich am 9.April 2014 von den EU-KommissarInnen abgesegnet wurden. Das bedeutet zweierlei: Einerseits müssen in Zukunft die HaushaltskundInnen und ein Teil der kleinen und mittleren Unternehmen weitgehend alleine die Erneuerbare Energien-Wende finanzieren. Andererseits ist ein Wettbewerb der Subventionen zwischen den Mitgliedstaaten zu erwarten. In Zeiten der Finanz- und Wirtschaftskrise keine nachhaltige Politikoption.